Nur wer die Zusammenhänge versteht, kann Demokratie mitgestalten, war Otto Neurath überzeugt. Dafür entwickelte der Ökonom vor 100 Jahren eine eigene Bildersprache. Das Wien Museum porträtiert sein Werk bis 5. April mit der Schau „Wissen für alle. Isotype – die Bildsprache aus Wien“.
„Wer das persönliche Leben ändern will, der muss die gesamte Gesellschaftsordnung ändern wollen.“ Den Schlüssel für diese Impulse hin zu einem besseren Leben sah Otto Neurath in der Bildung. Nur wer die Zusammenhänge versteht, kann sie verändern – für die Gesellschaft und für sich selbst. Um möglichst vielen Menschen den Zugang zu diesem Wissen zugänglich zu machen, entwickelten der 1882 in Wien geborene Ökonom und sein Team vor gut 100 Jahren eine Bildsprache, die es auch bildungsfernen Schichten möglich machen sollte, komplexe gesellschaftliche Strukturen zu erfassen.

Weltanschaulich tief im Roten Wien der 1920er Jahre verwurzelt, begann Neurath 1925 mit der Entwicklung der Wiener Methode der Bildstatistik – eine Art standardisiertes Bildwörterbuch, mit dem sich wirtschaftliche und gesellschaftliche Machtverhältnisse in eine einfache Bildsprache übersetzen ließen. Das Wien Museum zeichnet den Weg des Bildungspioniers aktuell in der Ausstellung „Wissen für alle“ nach.
Sprechende Zeichen für alle
„Worte trennen, Bilder verbinden“, war Neurath überzeugt. Die Strukturen, die Neurath vor 100 Jahren in Bilder packte, haben nichts an Relevanz verloren, und umfassen beinahe alle Lebensbereiche. Die Fragen reichten von der Verteilung der Hausarbeit und der Säuglingssterblichkeit nach Bezirken über die Wohndichte in Großstädten und die Produktion in der Landwirtschaft bis hin zum globalen Bevölkerungswachstum und dem Ausbau des Eisenbahnnetzes. Dabei verwendete das Team keine abstrakten Diagramme oder Balken, sondern „sprechende Zeichen“ und Mengenbildern.
Zugänglich machte Neurath seine Arbeit im 1925 gegründeten Gesellschafts- und Wirtschaftsmuseum, in dem Besucher ihre eigene Lebenslage besser verstehen und dadurch politisch gestärkt werden sollten.
Aufklärungsarbeit für gesunde Demokratie
Die Schau beleuchtet aber nicht nur Neuraths Arbeit, sondern verankert sie in seinem interdisziplinären Team – allen voran seine Grafikerin und spätere Ehefrau Marie Reidemeister und der Künstler Gerd Arntz. Auch die Stationen nach den Wiener Anfängen sind nachgezeichnet: Nach dem Bürgerkrieg 1934 flüchteten Neurath und Reidemeister über die Niederlande nach England, wo sie in Oxford das Isotype-Institut gründeten und ihre Arbeit auf internationaler Ebene fortsetzten.
Die vom Neurath-Experten Günther Sandner mitgestaltete Schau spannt jedoch auch Brücken in die Gegenwart. Optisch aufbereitet sind etwas der Platzverbrauch auf Straßen je nach Verkehrsmittel oder der Anteil an Wahlberechtigten in den verschiedenen Berufsgruppen. Nicht erst dieser aktuelle Bezug der Schau zeigt, wie eng Wissen und Demokratie miteinander verbunden sind. Mehr noch: Wie das eine die Voraussetzung für das andere ist.
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