Ein Wiener Intensivmediziner spricht darüber, warum beim medizinischen Super-GAU die Überlebenschancen der Wiener in der Bundeshauptstadt höher als in vielen anderen europäischen Städten sind.
Der tragische Tod einer Frau im Krankenhaus Rohrbach, die trotz korrekter Diagnose kein Intensivbett fand, hat das Land erschüttert. Dr. Eduardo Maldonado-González, Intensivmediziner in Wien und Obmann der Kurie der angestellten Ärzte in der Wiener Ärztekammer, erklärt, warum Patienten in Wien bei solchen Fällen deutlich bessere Überlebenschancen haben als in vielen anderen europäischen Städten.
„Hoffen, dass der Patient überlebt“
„Ein Aortenriss ist einer der schlimmsten Notfälle, die man sich vorstellen kann“, sagt Maldonado-González. „Wenn so etwas passiert, machst du ein CT, senkst den Blutdruck, rufst alle Spitäler an, die über eine Gefäßchirurgie verfügen, und hoffst, dass der Patient überlebt.“ Eine Aortendissektion – also das Aufreißen der Hauptschlagader – sei eine Diagnose, die niemand erleben wolle, weder als Arzt noch als Patient. „Das Blut schießt in den Körper, jede Minute zählt. Selbst wenn alles perfekt läuft, liegt die Überlebenschance nur bei 30 bis 50 Prozent.“
Notfallstruktur leistungsfähig
In Europa gibt es nur wenige Städte, die mehrere solcher hochkomplexen Notfälle gleichzeitig versorgen können. Wien gehört laut Maldonado-González dazu. „Wir haben das AKH Wien und die Klinik Floridsdorf, beide verfügen über Hybrid-Operationssäle, spezialisierte Gefäß- und Herzchirurgen sowie eine Rund-um-die-Uhr-Bereitschaft für solche Eingriffe. Zudem haben wir mit der Klinik Ottakring das größte Gefäßzentrum Ostösterreichs.“ Auch offizielle Daten bestätigen: Die Notfallstruktur in Wien gilt weiterhin als stabil und leistungsfähig. Besonders bei Herzinfarkten und Schlaganfällen funktioniert die Organisation vorbildlich.
Wien ist eine der wenigen Städte in Europa, in der wir zwei solche medizinischen Super-GAUs gleichzeitig behandeln könnten.

Dr. Eduardo Maldonado-González, Intensivmediziner in Wien und Chef der Kurie der angestellten Ärzte
Bild: Stefan Seelig
Warum nicht jedes Spital alles können kann
Der Wunsch, in jedem Spital alle Spezialabteilungen vorzuhalten, sei zwar verständlich, aber unrealistisch. „Für Eingriffe wie eine Aortendissektion ist ein hochspezialisiertes Team notwendig, das diese Operationen regelmäßig durchführt. Wenn jemand das nur einmal im Jahr macht, fehlt die Routine – und dann wird es gefährlich“, sagt Maldonado-González. Dazu komme die Kostenfrage: „Zwei komplett ausgestattete Teams in jedem Bundesland zu haben, wäre kaum finanzierbar. Selbst große europäische Zentren wie München, Zürich oder Paris können solche Strukturen nicht doppelt bereithalten.“
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Die Probleme im Wiener Spitalsbereich
Womit die Hauptstadt tatsächlich kämpft, ist nicht die Akut-, sondern die Routineversorgung. „Bei einem Herzinfarkt oder Schlaganfall bekommt man sofort Hilfe. Wenn ein Patient aber eine neue Hüfte braucht, muss er warten. Die Akutversorgung funktioniert, bei planbaren Eingriffen hinken wir hinterher.“ Tatsächlich liegen die Wartezeiten auf planbare Operationen in Wien laut offiziellen Berichten über dem EU-Durchschnitt. Für Maldonado-González liegt der Schlüssel in besserer Organisation und Planung: „Viele Patienten landen in der Notaufnahme, obwohl sie dort nicht hingehören. Wenn wir die Ambulanzen entlasten, bleibt mehr Zeit und Platz für jene, die wirklich um ihr Leben kämpfen.“ 
Immer längere Wartezeiten, überforderte Ärzte, sinkendes Vertrauen: Das Wiener Gesundheitssystem krankt an Sparzwang und Strategielosigkeit – das zeigen zwei aktuelle Studien der Ärztekammer. Laut Gesundheitsbarometer 2025 sorgen sich bereits zwei Drittel der Bevölkerung um die Zukunft der medizinischen Versorgung. Und auch die Ärzteschaft schlägt Alarm: Nur fünf Prozent der Wiener Ärzte zeigen sich laut dem Gesundheitsinfrastrukturreport 2025 noch zufrieden mit der Lage.
Stimmung wird schlechter
„Man kann ein System auch kaputtsparen“, warnt Ärztekammerpräsident Johannes Steinhart. Die Befunde sprechen für sich: 57 Prozent der Wiener wollen, dass der Staat mehr Geld in Gesundheit steckt – noch vor Bildung oder Soziales. Gleichzeitig glauben nur 15 Prozent der Ärzte, dass in den vergangenen Jahren überhaupt ausreichend investiert wurde. Zum Vergleich: Bei der gleichen Befragung im Jahr 2018 antworteten noch 44 Prozent der Ärzte auf diese Frage mit „eher ja“.
Doch wo machen die Wiener Bürger die Schwachstellen im System aus? 
Vor allem das Vertrauen ins öffentliche, solidarische System ist erschüttert. Fast jeder Zweite war zuletzt beim Wahlarzt – weil Termine fehlen, weil Zeit fehlt. Das Kassensystem scheint an seine Grenzen zu stoßen. Kinder- und Frauenärzte sind überlastet, viele Kassenärzte nähmen keine neuen Patienten mehr auf.
Zeit mit den Patienten als Knackpunkt in Kliniken
In den Spitälern herrscht Zwiespalt. Zwar bewerten zwei Drittel die Versorgung positiv, doch 47 Prozent kritisieren mangelnde Betreuung und zu wenig Zeit durch Ärzte. Tatsächlich nennen auch 73 Prozent der befragten Spitalsärzte in der Infrastrukturstudie „zu wenig Zeit für Patienten“ und „überfüllte Ambulanzen“ als größte Probleme. Besonders alarmierend: Bei Operationen wartete ein Drittel der Befragten länger als drei Monate. Das Ergebnis: Das Vertrauen in die Gesundheitspolitik bricht dramatisch ein: 82 Prozent der Ärzte sprechen von „bloßem Stückwerk“ statt von Strategie. 
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