Schock um die Wiesn

Was hinter dem Münchner Großeinsatz steckt

Ausland
01.10.2025 20:00

Schüsse, Sprengfallen und Explosionen haben am Mittwoch für einen Ausnahmezustand in München gesorgt. Zwei Menschen mussten sterben, zwei weitere wurden verletzt. Das Oktoberfest musste geschlossen werden. Hintergrund ist ein völlig eskalierter Familienstreit, der Martin P. (57) zu einem eiskalten Killer mutieren ließ.

Der unscheinbare Martin P. lebte zuletzt in Starnberg (Bayern) und verdiente als Allround-Handwerker für Haus und Garten sein Brot, wie „Bild“-Recherchen enthüllten. Die Dienste bot er demnach im Internet an, wo er sich fotografisch mit Rohrzange und Bohrmaschine in Szene setzte. Mit Jacke und kurz geschorenen Haaren präsentierte er stolz Bilder von seinen Arbeiten. Auf dem Handwerkerportal „Myhammer“ wurde er mit exzellenten Bewertungen gelobt. „Installation wurde hervorragend erledigt“, schreibt ein Kunde. „Der Handwerker ist gut erreichbar und zuverlässig“, ein anderer. Oder: „Alles in allem sehr zufrieden, ich kann Herrn P. nur weiterempfehlen.“

Im privaten Kreis dürfte es bei dem Deutschen allerdings alles andere als rosig ausgesehen haben: Er habe sich von seiner Familie betrogen gefühlt. In einem Brief, den die Polizei in einem Briefkasten in der Nachbarschaft entdeckte, berichtete Martin P. von Erbstreitigkeiten mit seinen Eltern. Auch sei dort der Satz zu finden gewesen: „Gehen Sie nicht auf die Wiesn. Dort gibt es noch eine bombige Überraschung.“ Bis zum späten Nachmittag war das Volksfest daher geschlossen – erst dann konnten die Beamten Entwarnung geben.

Horror-Tat im eigenen Elternhaus
Dafür machte der Mann in seinem Elternhaus Ernst: Am frühen Mittwochmorgen habe er es mit Sprengfallen präpariert und angezündet. Drei Explosionen seien dadurch ausgelöst worden, Schüsse gefallen. Der Vater (90) sei durch Schüsse ums Leben gekommen, die Mutter (81) und die Tochter (21) von Martin P. hätten Verletzungen erlitten. Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU) erzählte bei einer Pressekonferenz, Martin P. habe vor einiger Zeit eine Anzeige erstattet und die Vaterschaft für die Tochter bestritten. Bei der Untersuchung sei jedoch die biologische Verwandtschaft bestätigt worden. Der Mann hätte sich überzeugt gezeigt, dass das Institut bestochen sei.

Nach der Bluttat hat Martin P. nach „Bild“-Informationen das Wohnhaus absichtlich in Brand gesteckt. Vor dem Haus sei ein Transporter ausgebrannt. Als die Polizei mit Spezialkräften eintraf, fand sie demnach weitere Sprengfallen vor – Handgranaten mit Stolperdraht. Anschließend soll sich der 57-Jährige mit einem Rucksack, in dem sich eine Sprengfalle befand, zum fünf Autominuten entfernten Lerchenauer See begeben haben. Dort richtete er sich demnach mit einem Kopfschuss selbst, dürfte allerdings nicht sofort seinen Verletzungen erlegen sein.

Die Karte zeigt den Ort eines Polizeieinsatzes in München nach einem Feuer und dem Fund von Sprengfallen. Der Einsatzort liegt an der Lerchenauer Straße. In der Nähe wurde eine tote Person gefunden. Quelle: APA.

Ein „Phantom“ in der Nachbarschaft
Weder in der Metzgerei noch in der Post oder beim nahe gelegen Bäcker kennt man Martin P. Nicht einmal für einen 94-jährigen Nachbarn, der hier seit 1950 wohnt, ist er ein Begriff. „Wir haben hier vorhin die Sirenen gehört und Polizeiautos gesehen“, sagte eine Mitarbeiterin der Metzgerei zum Nachrichtenportal „Focus Online“. „Da kriegt man direkt Gänsehaut“, meint die Verkäuferin, nachdem sie von den Hintergründen erfährt. „Man kann sich das gar nicht vorstellen.“ Ein Anwohner kannte den Killer vom Sehen. Er sei ein stiller Typ gewesen und habe offenbar allein in einer Einliegerwohnung gelebt.

„Ausnahmezustand“ am Vormittag
Bis zur Wiedereröffnung der Wiesn um 17.30 Uhr durchlebten die Menschen in der bayrischen Landeshauptstadt bange Stunden. Stunden der Ungewissheit. „Es herrscht Ausnahmezustand. Polizei und Hubschrauber kreisen über der Stadt, überall wird nach Spuren gesucht. Die Menschen sind sehr ängstlich“, berichtete „Krone“-Sportchef Peter Moizi, der aktuell in München weilt, am Vormittag. Die Behörden verschickten in der Folge eine Warnmeldung an Handys in München. Darin wurde vor „extremer Gefahr“ gewarnt. Die inzwischen gebannt ist.

Oktoberfestattentat im Jahr 1980
Immer wieder stand das Volksfest im Fokus von Sicherheitsfragen. Vor ziemlich genau 45 Jahren, am 26. September 1980, war es am Oktoberfest zum schwersten Terrorakt in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland (BRD) gekommen. Dabei explodierte beim Haupteingang eine Bombe, die 13 Menschen in den Tod riss und 221 weitere verletzte, 68 davon schwer.

Als Täter wurde der 21-jährige Gundolf Köhler identifiziert – er kam selbst beim Anschlag ums Leben. Er war Mitglied der neonazistischen Wiking-Jugend und der Wehrsportgruppe Hoffmann (WSG). Den Ermittlungsergebnissen zufolge hatte diese Anhängerschaft nichts mit dieser Schreckenstat zu tun – er dürfte sie allein und aus persönlichen Motiven verübt haben. Eventuell handelte es sich um einen erweiterten Suizid.

Wenn Sie oder eine Ihnen nahestehende Person sich in einer psychischen Ausnahmesituation befinden, wenden Sie sich bitte an die Telefonseelsorge unter der Telefonnummer 142. Weitere Krisentelefone und Notrufnummern finden Sie hier.

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