Kein Schuldbewusstsein

So ticken die Freigesprochenen im Fall Anna

Gericht
28.09.2025 19:25

Zwei Tage im Wiener Landesgericht beim Prozess um Verletzung der sexuellen Selbstbestimmung und geschlechtlicher Nötigung einer Zwölfjährigen in Wien-Favoriten geben Einblick in die Lebensrealität von Jugendbanden. Ein wachsendes gesellschaftliches Problem.

Schon der Prozessstart spricht Bände: Verteidiger stehen vor Saal 303 und versuchen, ihre Mandanten zu erreichen. Verhandlungsstart wäre um 9:30 Uhr gewesen, doch auch um 9:38 Uhr fehlt noch rund ein Drittel der zehn Angeklagten. Erst mit einer halben Stunde Verspätung kann es losgehen. 

Schon bei der Abfrage der persönlichen Daten fallen mehrere Burschen auf. Zur Frage über Vorstrafen antwortet etwa ein 18-Jähriger süffisant: „Keine Ahnung, hab’ ich vergessen.“

In den Verhandlungspausen bewegen sich die jungen Männer wie ein Schwarm, die anwesenden Medienvertreter bekommen immer wieder ihr Fett ab. In der Mittagspause von Tag eins pöbelt einer einen Journalisten an: „Sie sind ein Arsch.....“

„Nicht strafrechtlich relevant“
Das Handy eines anderen läutet. Mit den Worten „Hey du bitch“ beginnt das Gespräch. Offenbar ein Freund der Angeklagten, der als Prozessbeobachter kam, tönt lachend: „Die haben eine Zwölfjährige gef...., das ist Strafe genug.“

Zitat Icon

Ich darf nicht lachen, sonst heißt es wieder, dass ich mich lustig mache.

Angeklagter nach Freispruch

Unrechtsbewusstsein lassen die zehn Angeklagten im Prozess und wohl auch davor vermissen. Das zeigen auch die ausgewerteten Chats. Darin machten sie sich darüber lustig, dass Anna (Name geändert) so leicht zu haben sei. Dass sich in einem Hotel in Favoriten an einem Nachmittag rund zehn Burschen an dem Kind vergingen, bezeichnet einer der Verteidiger als „moralisch verwerflich, aber strafrechtlich nicht relevant.“ Zumal die damals 12-Jährige behauptet hätte, älter zu sein. Und die Angeklagten damals teils selbst erst 14 waren.

Fronten weichen auf
Die rohe Sprache manch Jugendlicher untereinander beschreibt Verteidiger Mirsad Musliu in seinem Plädoyer so: „Da heißt es: ,Gib mir Loch, sonst hol ich mir Loch von einer anderen.‘" Ein anderer Verteidiger skizziert den Alltag der Burschen wie folgt: „Es ist eine Gruppe, die viel Freizeit hat und ihre Sexualität besonders intensiv auslebt.“ Sechs der zehn jungen Männer sind laut Anklageschrift ohne Beschäftigung, fünf mittlerweile vorbestraft, etwa wegen schweren Raubes. 

Während der Urteilsberatung am zweiten Tag weichen die Fronten auf. Die Burschen suchen das Gespräch mit den Medienvertretern, erzählen von ihren Zukunftsplänen. Ein junger Mann möchte Automechaniker werden, ein anderer als Elektriker arbeiten.

Erleichterung nach Urteilsverkündung
Nach den – nicht rechtskräftigen – Freisprüchen marschieren die 16 bis 21 Jahre alten Burschen erleichtert und selbstsicher aus dem Saal, klatschen miteinander ein. Einer sagt: „Ich darf nicht lachen, sonst heißt es wieder, dass ich mich lustig mache.“ Trotzdem verlassen einige aus der Clique breit grinsend das Landl – sie strecken die Daumen hoch, zeigen das Victory-Zeichen – oder auch den Stinkefinger. 

Loading...
00:00 / 00:00
Abspielen
Schließen
Aufklappen
kein Artikelbild
Loading...
Vorige 10 Sekunden
Zum Vorigen Wechseln
Abspielen
Zum Nächsten Wechseln
Nächste 10 Sekunden
00:00
00:00
1.0x Geschwindigkeit
Loading
Kommentare
Eingeloggt als 
Nicht der richtige User? Logout

Willkommen in unserer Community! Eingehende Beiträge werden geprüft und anschließend veröffentlicht. Bitte achten Sie auf Einhaltung unserer Netiquette und AGB. Für ausführliche Diskussionen steht Ihnen ebenso das krone.at-Forum zur Verfügung. Hier können Sie das Community-Team via unserer Melde- und Abhilfestelle kontaktieren.

User-Beiträge geben nicht notwendigerweise die Meinung des Betreibers/der Redaktion bzw. von Krone Multimedia (KMM) wieder. In diesem Sinne distanziert sich die Redaktion/der Betreiber von den Inhalten in diesem Diskussionsforum. KMM behält sich insbesondere vor, gegen geltendes Recht verstoßende, den guten Sitten oder der Netiquette widersprechende bzw. dem Ansehen von KMM zuwiderlaufende Beiträge zu löschen, diesbezüglichen Schadenersatz gegenüber dem betreffenden User geltend zu machen, die Nutzer-Daten zu Zwecken der Rechtsverfolgung zu verwenden und strafrechtlich relevante Beiträge zur Anzeige zu bringen (siehe auch AGB). Hier können Sie das Community-Team via unserer Melde- und Abhilfestelle kontaktieren.

Kostenlose Spiele
Vorteilswelt