Die zehn Freisprüche im Prozess um die Verletzung der sexuellen Selbstbestimmung eines zwölfjährigen Mädchens in Wien sorgen für einen Aufschrei im Land. Allein unter dem „Krone“-Bericht aus dem Gericht finden sich mehr als 3000 Kommentare. Die Empörung ist groß.
In seiner Urteilsverkündung hat der Richter sehr wohl Schuldige gefunden: Die Medien, die seiner Meinung nach zu viel und teils unkorrekt über den Fall berichtet hätten. Auch dem Mädchen, das sich in Widersprüche verstrickt habe und dessen Chatnachrichten sich nicht mit der Anklage in Einklang bringen ließen, widmete er ausführliche Worte.
Es sagt einem der gesunde Menschenverstand, dass ein zwölfjähriges Kind nicht mit zehn Burschen in einem Zimmer freiwillig Sex hat.
Opferanwalt Sascha Flatz
Bild: Eva Manhart
Gruppe mit „viel Freizeit“
Wenig spricht er indes über die zehn jungen Männer, von denen fünf vorbestraft sind: „Das Beweisverfahren hat ganz klar zu Freisprüchen geführt“, verkündet er die Entscheidung des Schöffensenats. Zur Freude der Angeklagten und ihrer zehn (männlichen) Verteidiger. Die im Prozess teils erstaunliche Aussagen tätigten: „Es ist eine Gruppe, die viel Freizeit hat und ihre Sexualität besonders intensiv auslebt“, meinte einer. „Es war nichts gegen den Willen des Opfers, sondern es gab vollkommene Zustimmung.“ Das Mädchen habe „gefallen wollen“.
Annas Mutter bricht bei der Wortwahl der Verteidiger im Saal immer wieder in Tränen aus. „Ich verstehe schon, dass Anwälte auch ihren Job machen. Aber wie mein Kind hier dargestellt wird, ist einfach unerträglich“, sagt sie in einer Prozesspause zur „Krone“.
Jugendliche gaben sich Tipps
Der Fall macht fassungslos: Die Burschen aus dem Antonspark in Wien-Favoriten hatten Anna (Name geändert) beispielsweise in ein Hotel gelockt, wo einer nach dem anderen mit ihr Geschlechtsverkehr hatte. Auch in einem Hobbyraum, einer Parkgarage, einem Kinderzimmer und einem Stiegenhaus kam es zu intimen Handlungen, offenbar auch zu Gruppensex. In Chats gaben sich die Jugendlichen Tipps, wie man das Mädchen am besten dazu bringen kann, einzuwilligen.
Die Empörung ist groß, bei den „Krone“-Lesern ebenso wie in der Politik:
Was in dem verstörenden Prozess von zu vielen Beteiligten zu oft vergessen wurde: Es handelt sich bei dem Opfer um ein Kind, auch wenn dieses sich älter machte. „Wir reden hier über ein zwölfjähriges Mädchen, das allein aufgrund seiner Jugend leicht einzuschüchtern war und die Handlungen noch gar nicht richtig einschätzen konnte“, sagt Opferanwalt Sascha Flatz. „Es sagt einem der gesunde Menschenverstand, dass ein zwölfjähriges Kind nicht mit zehn Burschen in einem Zimmer freiwillig Sex hat“, wundert er sich über die Freisprüche. Und mit ihm sehr viele Menschen im ganzen Land.
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