Die Gesundheitsversorgung in Kärnten und die geforderten Schließungen von mehreren Asylunterkünften sorgten in der ersten Landtagssitzung nach der Sommerpause für hitzige Diskussionen. Der schreckliche Missbrauchsskandal im SOS-Kinderdorf erschüttert auch die Kärntner Politik.
Seine letzte Sitzung begann für Landtagspräsident Reinhart Rohr mit einer Petitionsübergabe aus Weitensfeld, wo über 600 Unterschriften für die Schließung der Asylunterkunft „Bärenwirt“ gesammelt wurden – passend zu den Tagesordnungspunkten für die Sitzung am Donnerstag. Denn nach dem schrecklichen Attentat im Februar in Villach durch einen Syrer (23) hatten die Freiheitlichen die Schließung mehrerer Unterkünfte für Asylanten und Asylwerber beantragt.
Zuvor ging es in der Aktuellen Stunde aber um die Gesundheitsversorgung in Kärnten. FP-Chef Erwin Angerer kritisierte schon im Vorfeld der Sitzung, dass der Regionale Strukturplan Gesundheit (RSG) 2030 nicht – wie von allen Parteien im vergangenen November beschlossen – rechtzeitig im Landtag behandelt worden sei. „Vertrauen in unserer Gesundheitsreferentin haben wir schon lange nicht mehr“, so Angerer: „Sie sind die nächste Kandidatin für eine Ablöse, das ist schon längst überfällig!“
Gesundheitsreferentin: „Das ist ein Märchen!“
Das ließ sich Beate Prettner nicht ohne Widerworte bieten und ging auf ein paar Kritikpunkte von Angerer und FP-Gesundheitssprecher Christoph Staudacher ein: „Dass es unbesetzte Kassenstellen gäbe, ist ein Märchen! Alle Kassenstellen in Kärnten sind besetzt! Krankenanstalten werden vor Ort mit Übergangsbetten ausgestattet, um den Bedarf zu decken.“ Und die geplanten Primärversorgungseinheiten würden das Gesundheitssystem in neue Dimensionen bringen: „Auch im niedergelassenen Bereich wird laut diesem RSG sehr viel passieren und darauf bin ich sehr stolz!“, verteidigt sich die Gesundheitslandesrätin. Prettner hatte außerdem noch ein Ass im Ärmel: Denn laut der Landesrätin sei der für Montag angekündigte Ärztestreik in Kärnten abgesagt worden.
ÖVP‑Klubobmann Markus Malle schlug in dieselbe Kerbe wie der Koalitionspartner SPÖ: „Die Idee des RSG 2030 ist ja, dass sich alle rechtzeitig auf Veränderungen einstellen können.“ Die Österreichische Gesundheitskasse wolle ihre Angebote ausbauen, dies würde aber Anpassungen in den Krankenhäusern erfordern. „Gerade die Versorgung in den Spitalsambulanzen ist die teuerste Form der Behandlung“, erklärte Malle, dass viele Patienten auf Ambulanzen ausweichen, weil sie keine Termine bei niedergelassenen Ärzten erhalten. Als Beispiel nannte er die Erstversorgungsambulanz vor dem Landeskrankenhaus Villach, in der laut seinen Angaben neun von zehn Fällen außerhalb des Krankenhauses – eben in der Erstversorgungsambulanz – behandelt werden können. „Das Gesundheitssystem braucht keine emotionale Panikmache zu parteipolitischen Zwecken, sondern verantwortungsvolle politische Vertreter, die für eine treffsichere Gesundheitsversorgung in Kärnten einstehen!“
Harte Kritik zwischen „ein paar Lichtblicken“
Deutliche Kritik kam andererseits von Team‑Kärnten‑Klubobmann Gerhard Köfer. Er sprach von einer „immensen Systemkrise“, die bei den Bürgerinnen und Bürgern längst angekommen sei. Hausärztliche Bereitschaftsdienste seien kaum noch vorhanden, Betten würden abgebaut, und Arzttermine seien zur Lotterie geworden. Wer hier spare, gefährde im Extremfall Menschenleben, warnte er. Köfer sah zwar Lichtblicke wie den Ausbau der Erstversorgung und die Stärkung der Kinderheilkunde in Spittal an der Drau, kritisierte aber zugleich den gleichzeitigen Abbau von Betten. Die Gesundheitsversorgung dürfe kein politischer Zankapfel sein, sagte er, und konstatierte: „Wir haben ein Krankheitssystem, kein Gesundheitssystem.“
Was eine Studie, die vom SOS-Kinderdorf selbst in Auftrag gegeben wurde, vor wenigen Tagen aufdeckte, erschüttert nicht nur viele Mütter und Väter in Kärnten, auch im Landtag wurde der Missbrauchsskandal thematisiert. Die seit 2023 zuständige Referentin Sara Schaar (SPÖ) stand am Donnerstag Rede und Antwort: Im Fokus der Fragen lagen eventuelle Verfehlungen der Landesaufsicht in dieser Sache, immerhin sollen laut Team Kärnten-Abgeordneten Gerhard Klocker schon 2017 Opfer bei der Landesaufsicht um Hilfe gebeten haben. Laut Erzählungen, ohne Erfolg.
Laut Schaar habe die Kärntner Kinder- und Jugendanwaltschaft erstmals 2014 von etwaigen Vorwürfen erfahren, drei der Fälle wurden ja von der Staatsanwaltschaft überprüft, allerdings nicht weiterverfolgt. Seit Bekanntwerden wurden mehrere Prüfungsprozesse – wie die Prüfungskommission von Irmgard Griss, ehemalige OGH-Präsidentin, sowie einer eigenen Sonderüberprüfung durch das Land Kärnten, und einer weiteren vom SOS-Kinderdorf beauftragten Studie – gestartet.
Als zuständige Referentin ist es mir ein Anliegen, mich im Namen des Landes Kärnten bei allen Opfern und Betroffenen zutiefst zu entschuldigen.
Sara Schaar, zuständige Landesrätin (SPÖ)
10-Punkte-Plan für neues Kinder- und Jugendhilfegesetz
Schaar, die am Ende ihrer Wortmeldung selbst mit den Tränen kämpfte, stellte – neben der Installierung eines Betroffenen- sowie Experten-Beirates – einen Zehn-Punkte-Plan vor, mit dem das Kärntner Kinder- und Jugendhilfegesetz erneuert werden soll, darunter Maßnahmen wie: ein verpflichtendes Gewaltpräventionskonzept in allen Einrichtungen mit Fristen und Sanktionen, eine unabhängige Beschwerdestelle für Mitarbeitende, das Intensivieren der unangekündigten Fachaufsichten (in den Jahren nach den ersten Vorwürfen fanden bis zu 22 unangekündigte Kontrollen statt), die klare Trennung von Behördenaufsicht und Kontrolle, eine verpflichtende, digitale Dokumentation aller gemeldeter Vorfälle samt sofortiger Meldung nicht nur an die Fachaufsicht, sondern auch an die Staatsanwaltschaft.
Außerdem kündigte Schaar die Überprüfung der Einführung eines erweiterten Kinderschutznachweises für Mitarbeitenden aller Trägerorganisationen des Landes an!
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