Fragwürdiges Timing

Brenner schränkte “Zocker-Befugnis” schon im Juli ein

Österreich
21.12.2012 11:35
Während die Aufklärung des Salzburger Finanzskandals seit Donnerstag voll angelaufen ist, sind nun begründete Zweifel aufgetaucht, dass es im Juli tatsächlich keinerlei Hinweise auf hochriskante Spekulationen gab. Grund dafür ist eine Änderung der Vollmacht, mit der die Beamten der Finanzabteilung zocken durften - exakt an jenem Tag, an dem der im Zentrum der Affäre stehenden Finanzbeamtin Monika R. ihre Befugnisse entzogen wurden. Bankmitarbeiter dürften indes bei der Landes-Zockerei Provisionen von bis zu 85 Millionen Euro eingesackt haben.

Am 17. Juli 2012 hatte die Beamtin wegen eines unerlaubten Geschäfts die Bankvollmacht verloren - "aber damals gab es keinen Verdacht", beteuerte die Landesregierung. Die Monate zogen ins Land, bis Landes-Vize und Finanzreferent David Brenner dann am 6. Dezember den Landtag über die Affäre in Kenntnis setzte. 340 Millionen Euro wurden verspekuliert. Als Verantwortliche wurde bekanntlich Monika R. präsentiert.

Brenner schränkte "Zocker-Befugnis" bereits im Juli ein
Knapp eine Woche später, am 12. Dezember, tauchte ein Aktenvermerk auf, wonach noch im Oktober 2012 neben den 49 offiziellen Spekulationsgeschäften mit Derivaten 253 weitere bestanden. Die Beamtin habe die Vollmacht überzogen, hieß es. Doch jetzt stellt sich heraus, dass Brenner schon im Juli die Vollmacht änderte - zu einem Zeitpunkt, als offiziell noch alles passte.

Die ursprüngliche Erlaubnis für Spekulationen (siehe Faksimile in Bild 2 und 3) hatte, wie die "Krone" berichtete, am 6. Februar 2003 der damalige Finanzreferent Wolfgang Eisl ausgestellt. Da waren fast alle Geschäfte an der Börse und außerhalb gestattet. Abteilungschef Eduard Paulus, Spezialistin Monika R. und ein weiterer Mitarbeiter durften ab diesem Tag fast unbegrenzt spekulieren.

Eisls Vollmacht für dieses beamtete Spekulations-Trio galt für ein Jahr und wurde nach dem Wahlsieg der SPÖ im Jahr 2004 von Nachfolger Othmar Raus neu ausgestellt. Ohne große Änderungen, allerdings erließ er 2006 eigene "Richtlinien", um das Risiko einzubremsen. Ende 2007 gingen die Finanzen an Brenner, der die Vollmacht wenige Monate nach Amtsantritt am 26. Juni 2008 ebenfalls verlängerte.

Zusatz laut Insider "nicht ohne Anlass gestrichen"
Da enthielt sie - wie seit Eisls Zeiten - unter Punkt 15 auch die Erlaubnis für Geschäfte mit "sonstigen strukturierten Derivaten" und den Zusatz "einschließlich exotischer Zinsderivate". Was bislang noch keiner wusste: Bei Monika R.s Abgang am 17. Juli - laut ihrem Anwalt Herbert Hübel habe man R. damals gesagt, sie brauche nicht mehr zur Arbeit kommen und ihr ein Burn-out angedichtet - korrigierte Brenner gleich die Vollmacht (siehe Faksimile in Bild 4). Der Zusatz mit den "exotischen Zinsderivaten" wurde gestrichen. "Keiner kann mir erzählen, dass die Änderung ohne Anlass passierte", gab ein Insider gegenüber der "Krone" zu bedenken.

Bis zu 85 Millionen Euro an Provisionen für Banker
Indes kommt auch eine zweite Seite des Finanzskandals ans Tageslicht: Denn neben den Verlusten, die den Steuerzahlern drohen, bewegten die riskanten Zockereien des Landes auch in den Banken riesige Beträge - und zwar für Provisionen, die Mitarbeiter für die Vermittlung einstreifen durften.

"Die Rechnung ist ganz einfach", schilderte ein Salzburger Steuerberater: "Zwischen zwei und fünf Prozent des Betrages sind als Provision fällig. Weniger bei den einfachen Geschäften, mehr bei riskanteren Papieren. Und für die echten Hochrisiko-Papiere streifen die Mitarbeiter der Banken bis zu 15 Prozent ein." Das ergibt hochgerechnet bei den Geschäften des Landes in den letzten Jahren bis zu 85 Millionen Euro als Bank-Provisionen. Wer die Unsummen bei den Zockereien des Landes eingesackt hat, ist völlig unklar.

Für Astrid Rössler, die bei den Grünen diese Affäre durchleuchtet, sind die Zahlen jedenfalls "schockierend". Auch sie fand bei Recherchen neue Spuren, wie Steuergeld aus Salzburg international verspielt und verwettet wurde. "Ein Banker hat mir mitgeteilt, dass es schon vor ein paar Jahren ein offenes Geheimnis und heiß diskutiertes Thema an der Londoner Börse war, wie Salzburg spekulierte", schilderte die Abgeordnete.

Salzburg drehte ein "großes Rad" in London
"Das Land hat demnach ein 'großes Rad gedreht', wie es im Banker-Deutsch heißt." Und das alles mit "derivativen Produkten", also Geschäften mit hohem Risiko. "Das waren alles Wetten in exotischen Währungen - im Jargon heißen sie 'Out of the money FX options'", erklärte Rössler weiter.

Die Banken hätten laut Auskunft eines Insiders ausdrücklich darauf hingewiesen, dass einige der Spekulationspapiere viel zu riskant waren, so die Grüne. "Dafür gibt es bei den Banken die Kategorie 'Nicht geeignet für öffentliche Organisationen', weil das Risiko eines Verlustes so enorm hoch ist. Bei den Geschäften würde die öffentliche Hand ihre Sorgfaltspflicht im Umgang mit Steuergeld nicht einhalten", sagte Rössler. Dennoch schloss Salzburg solche riskanten Spekulationen ab. Rössler zufolge wurden außerordentliche Wege gesucht, "um das Verbot zu umgehen".

Mögliche Schieflage bei Aufarbeitung
Eine mögliche Schieflage sieht Rössler zudem bei der Aufarbeitung des Finanzskandals. Sie sei unglücklich darüber, dass die Deutsche Bank bei der Aufklärung der Affäre so eng mitarbeitet. So sei Harald K., der am 1. Oktober von der Deutschen Bank in die Finanzabteilung des Landes wechselte, laut der Grünen in dem Geldinstitut das Gegenstück zu Monika R. gewesen. "K. hat also mit ihr viele Geschäfte abgeschlossen, die er jetzt kontrollieren soll. Er überprüft seine eigenen Verträge - nur halt für die andere Seite."

"Aus meiner Sicht liegt keine Unvereinbarkeit vor", entgegnete K. auf die Kritik. "Meine Aufgabe ist es derzeit, Daten zu sammeln. Ich schreibe jede Bank an - auch die Deutsche Bank -, um Daten über alle abgeschlossenen Geschäfte zu bekommen. Ich selbst mache dabei keine Analysen", erklärte er gegenüber der APA, nachdem am Donnerstag auch der Wiener Anwalt Ingo Kapsch, der vor allem Kommunen bei Derivat-Fehlberatungen rechtlich vertritt, einen Interessenskonflikt ortete.

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