Aus in Sapporo

Schranz’ Olympia-Ausschluss jährt sich zum 40. Mal

Sport
31.01.2012 17:18
Für 92 Prozent der befragten Österreicher war die Antwort klar: Sie werteten den Ausschluss von Karl Schranz von den Olympischen Spielen in Sapporo in einer Umfrage vom 1. Februar 1972 als völlig ungerecht. Das Internationale Olympische Komitee hatte dem 33-jährigen Skistar tags zuvor wegen Verletzung der Zulassungsbestimmungen die Teilnahme verweigert und ihm damit die letzte Chance genommen, doch noch das ersehnte Olympia-Gold zu holen. Am Dienstag jährte sich diese Entscheidung zum 40. Mal. Schranz wurde damals bei seiner Rückkehr triumphal empfangen.

Dem IOC-Präsidenten Avery Brundage waren die Skirennläufer schon länger ein Dorn im Auge. Der US-Amerikaner, ein vehementer Verteidiger des schon damals überholten Amateur-Status, sah durch die Alpinen die Regel 26 verletzt. Deshalb drohte sogar dem gesamten Skisport das Olympia-Aus. Die Bestimmungen waren streng: Die Trainingsdauer war auf maximal 60 Tage pro Jahr beschränkt, kein Sportler durfte - direkt oder indirekt - seinen Namen, sein Foto oder seine sportlichen Erfolge zu individuellen Werbezwecken nutzen.

Karl Schranz stand als einer der Top-Läufer der damaligen Zeit im Mittelpunkt der Anschuldigungen. Schon Monate vor den Winterspielen gab es Gerüchte einer drohenden Aussperrung des Arlbergers. Die Zulassungskommission des IOC sammelte "Beweise", meist in Form von Zeitungsartikeln und machte wenige Tage vor den Spielen in Sapporo Ernst.

Die Aussagen der offiziell befragten österreichischen Funktionäre ließ man nicht gelten, es half nichts, dass das Zustandekommen eines in einer Zeitschrift veröffentlichten Fotos erklärt wurde, das Schranz bei einem Hobby-Match im Fußball-Dress mit der Aufschrift "Aroma-Kaffee" zeigte. Das Gremium empfahl - nicht nur wegen dieses Fotos - den Ausschluss des zweifachen Weltcupsiegers und die IOC-Vollversammlung stimmte mit 28:14 dafür.

Schranz als "unerwünschte Person"
Schranz erfuhr die Entscheidung unmittelbar nach einem Trainingslauf von einem österreichischen Journalisten. Das IOC-Mitglied Rudolf Nemetschke versuchte noch einen Einspruch, doch vergeblich. Schranz blieb eine "unerwünschte Person" und musste das olympische Dorf verlassen. "Man hätte alle ausschließen müssen, aber sie haben gesagt, wir nehmen den Populärsten", sagt Schranz heute. Der 73-jährige Hotelier aus St. Anton bezeichnet seinen "ungerechtfertigten" Ausschluss als "das Schlimmste, das man einem Sportler in dieser Zeit antun konnte".

Als Märtyrer sehe er sich aber keineswegs, betont Schranz. Sein Fall sei aber der Anlass gewesen, dass Sportler später offiziell Geld verdienen durften. Zu seiner Zeit sei das noch anders gewesen. "Wir haben besser verdient als ein Maurer, aber keine Unsummen. Wenn Beträge genannt wurden, haben sich die Zeitungen gegenseitig nach oben lizitiert. Aber das hat nie der Realität entsprochen", so Schranz heute.

Triumphaler Empfang in Wien
Nach seinem Ausschluss blieb Schranz noch einige Tage in Sapporo, nach seiner Rückkehr wurde ihm am 8. Februar 1972 in Wien ein triumphaler Empfang bereitet. Im Auto von Unterrichtsminister Fred Sinowatz aus dem offenen Schiebedach grüßend, fuhr der von Olympia ausgesperrte Favorit durch ein dichtes Menschenspalier ins Zentrum, auf dem Ballhausplatz jubelten ihm Tausende Fans zu und forderten mit "Karli, Karli"-Sprechchören wiederholt sein Erscheinen auf dem Balkon des Bundeskanzleramtes, wo ihn Bruno Kreisky begrüßt hatte. Laut Polizei waren rund 100.000 Menschen auf den Beinen, um das Idol zu sehen. "Mit meinem Ausschluss hat man auch mein Land beleidigt", sagt Schranz, der nur eine Woche späte seine aktive Karriere beendet hat, auch heute noch.

Brundage hatte damals in Sapporo den Ausschluss gerechtfertigt. "Schranz war der Schlimmste, er hat sich keine Gelegenheit entgehen lassen, uns zu provozieren und der olympischen Idee großen Schaden zugefügt." Sein im September 1972 gewählter Nachfolger Lord Michael Killanin kündigte zwar gegenüber Schranz eine Lockerung der Bestimmungen an, es dauerte aber bis 1990, ehe das IOC eine völlige Freizügigkeit in finanziellen Belangen beschloss. Bis dahin waren direkte Zahlungen an Athleten offiziell untersagt.

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(Bild: KMM)
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