Außergewöhnliche Reise

Azoren-Insel Faial: Wo ein Vulkan Briefe schreibt

Für einen Besuch auf der Azoren-Insel Faial braucht man viel Gelassenheit - und einen guten Regenschutz. Aber dafür wird man mit außergewöhnlichen Eindrücken und exotischer Natur belohnt.

Es war der 27. September 1957, ein Freitag, der das Leben von Generationen von Einwohnern der Insel Faial veränderte. Alles begann mit einem Brodeln im Wasser vor dem idyllischen Leuchtturm von Capelinhos. Der heftige Vulkanausbruch, der folgen sollte, dauerte schlussendlich über ein halbes Jahr an. Rauchwolken verdunkelten den Himmel, Felder und Häuser wurden vom Ascheregen bedeckt.

Viele Familien entschieden sich, ihre Heimat zu verlassen, wanderten aus – die meisten in die USA. Gut 65 Jahre später: Von der ursprünglichen Fläche von 2,4 Quadratkilometern, um die der Vulkanausbruch die Insel an dieser Stelle vergrößert hatte, ist mittlerweile nur noch ca. ¼ übrig geblieben. Wind und Wetter und das Meer haben den Rest abgetragen. Die grüne Natur erobert sich langsam ihr Terrain wieder zurück.

Aber der schicksalhafte Vulkanausbruch ist nicht vergessen. Der Leuchtturm an dieser Stelle hat wie durch ein Wunder standgehalten. Nur das unterste Geschoß ist immer noch unter meterhoher Asche begraben, die vermeintliche Tür, durch die man hineintritt, ist eigentlich ein Fenster des ersten Stocks. Jedes Jahr rund um den Jahrestag wird des Ausbruchs gedacht. Im vergangenen Jahr gab es dazu etwas ganz Besonderes. Die Einwohner von Faial fanden einen Brief in ihren Postkästen. Einen Brief des Vulkans, der sich entschuldigen wollte für das Übel, das er über die Insel und ihre Bewohner gebracht hatte. Das einfühlsame Gedicht stammt aus der Feder von Judite Canha Fernandes – einer bekannten portugiesischen Autorin.

Natürlich nicht so schlimm wie die Auswirkungen eines Vulkanausbruchs oder Erdbebens – auch davon gab es in „jüngster“ Zeit hier zwei: 1926 und 1998, Ruinen als Zeugen davon finden sich noch überall auf der Insel verstreut – sind die oftmals widrigen und gewöhnungsbedürftigen Wetterverhältnisse auf den Azoren.

Das Wetter macht es dem Flugverkehr nicht leicht
Schon bei der Anreise ist von Besuchern oftmals Flexibilität und Gelassenheit gefragt. Nicht selten können Flugzeuge wegen der extremen Winde hier mitten im Atlantik nicht landen. Aber wenn man einmal ankommt, dann rein in die Regenjacke, und los geht’s. Das Wetter ändert sich hier tatsächlich im Minutentakt, aber damit muss man sich einfach arrangieren, öfter mal umplanen und sich auf keinen Fall darüber ärgern.

Seit jeher ist die fünftgrößte Insel der Azoren – insgesamt sind es neun – mit ihren derzeit rund 15.000 Einwohnern ein wichtiger Knotenpunkt im Atlantik. Auf dem Weg nach Amerika machten hier Schiffe halt – heute sind es die Hobbysegler –, ab der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts war sie zentrale Verbindungsstelle für das Seekabelnetzwerk zur Kommunikation zwischen den Kontinenten und natürlich auch als Zwischenstopp für die transatlantische Luftfahrt. Anlaufstelle einst und jetzt ist das Peter Café Sport. Hier lohnt sich auch ein Blick in das Scrimshaw-Museum. Wahre Kunstwerke finden sich hier geritzt auf Walzähnen und -knochen. Das Café ist eine Institution, die seit über 100 Jahren nahe des Hafens der Inselhauptstadt Horta Seefahrer aller Herren Länder anlockt und somit zu einem der berühmtesten der Welt zählt.

Die Zeiten der großen abenteuerlichen Seefahrten haben sich allerdings geändert. Überlaufen ist Faial nicht – erst recht nicht außerhalb der Hauptsaison. Aber das wollen die Inselbewohner auch gar nicht. Touristen sind herzlich willkommen, aber überrannt werden möchte man – verständlicherweise – nicht. Der Schutz der Natur hat Vorrang. Die Anzahl der Hotels kann man an einer Hand abzählen. Der Rest der Unterkünfte sind kleinere, familiäre und mit viel Liebe hergerichtete Quartiere. Auch „Touristen-Restaurants“ sucht man auf Faial vergebens.

Exotische Blumen im Garten und am Wegesrand
Aber was kann man nun hier auf der Ilha Azul, der blauen Insel, alles entdecken? Jede Menge Natur auf jeden Fall, ob an der Küste oder im Landesinneren. Das subtropische Klima ist idealer Boden für 200 endemische und 700 exotische Arten. Meterhohe Hecken aus Kamelien, Orangenbäume, Strelitzien und Callas blühen in den Vorgärten der Häuser. Kilometerlange Wanderwege quer durch Faial bieten Schwierigkeitsgrade für jeden interessierten Wanderer. Besonderes Highlight ist die Wanderung um die Caldeira, entlang des Kraterrandes mit fabelhaftem Rundumblick. Außerdem gibt es noch zahlreiche Möglichkeiten für Reitausflüge, Canyoning oder Tauchausflüge, an warmen Tagen locken schwarze Vulkansandstrände und auch Naturbadebecken oder Wal-Beobachtungsausflüge.

Ein paar Fun Facts zum Schluss: Während es hier auf der Insel tatsächlich nur eine einzige Ampel gibt – sie befindet sich in der Hauptstadt Horta – kommt auf jeden Einwohner mindestens eine Kuh. Und die für die Azoren recht berühmten Hortensien stammen ursprünglich gar nicht von hier. Aber durch eine äußerst erfolgreiche Marketing-Kampagne wurden sie gut in Szene gesetzt. Tatsächlich ist ihre Heimat der asiatische Raum. Aber den Beinamen „Ilha Azul“ hat Faial von ihren üppigen blauen Blüten erhalten.

Elisabeth Salvador, Kronen Zeitung

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