Therapie mit VR-Brille

Am virtuellen Wolkenkratzer Höhenangst besiegen

Tirol
29.08.2022 18:00

Die Technik ist schon verblüffend. Mit Hilfe einer VR-Brille lassen sich massive Ängste vor Höhe, vor Spinnen oder dem Fliegen mildern oder sogar überwinden. An der Universitäts-Klinik Innsbruck wird diese Form der Therapie angewendet und erforscht. Die Ergebnisse sind vielversprechend. 

Sie sind ein Wunderwerk der Technik: Virtual-Reality-Brillen (kurz VR-Brillen) eröffnen durch 3D-Bilder neue Welten. Der größte Realist wird zum Piraten oder Außerirdischen, wenn er die Brille mit einem entsprechenden Programm aufsetzt.

Psychologie macht sich Spiele-Technik zunutze
Diesen spielerischen Effekt macht sich auch die Psychologie zunutze. Wir treffen Matyas Galffy von der Universitäts-Klinik für Psychiatrie II in Innsbruck. Der Mediziner und Psychologe hat sich auf Angststörungen spezialisiert und erforscht den Nutzen der VR-Technik, um Phobien zu überwinden. „Die Therapie funktioniert bei gerichteten Ängsten, also bei Situationen wie Höhe oder Fliegen und bei Objekten wie Spinnen, Schlangen oder Nadeln“, erklärt der Mediziner. „Weniger gut geht es bei sozialen Ängsten, wenn etwa Menschen in einer Gruppe nicht mehr agieren können. Dabei ist die Beziehungsdynamik das Problem. Und diese lässt sich technisch noch schwer heraufbeschwören.“ Die Betonung Galffys liegt auf „noch“. Das Technik-affine Kerlchen, wie er sich selbst bezeichnet, ist überzeugt, dass auch diese Frage bald gelöst ist.

Mediziner und Psychologe Matyas Galffy demonstriert „Krone“-Redakteurin Claudia Thurner die Anwendung der VR-Brille (Bild: Andreas Fischer)
Mediziner und Psychologe Matyas Galffy demonstriert „Krone“-Redakteurin Claudia Thurner die Anwendung der VR-Brille

Langsames Herantasten an die belastende Situation
Wo die Therapie greift, tut sie es auf faszinierende Weise. „Im Grunde ist es ein langsames Herantasten an die angsteinflößende Situation. Im geschützten Rahmen können sich Betroffene an die Situation gewöhnen und gleichzeitig Techniken erproben, damit umzugehen“, veranschaulicht der Mediziner. Mit der VR-Brille werden Sky-Bars besucht, da wird in den Urlaub geflogen, da werden Dschungel-Reisen mit garantierter Tiersichtung unternommen. Die virtuelle Welt bietet in dieser Hinsicht unendliche Möglichkeiten. Der Kopf weiß zwar, dass das Hochhaus nicht real ist, aber die Gefühle beim Blick in die Tiefe sind fast die gleichen wie im echten Leben. Galffy nennt noch einen Vorteil der Technik: „Sie ist einfach anzuwenden. Wir müssen für die Therapie nicht wirklich in ein Flugzeug steigen.“

Nach acht bis zwölf Sitzungen Besserung
Acht bis zwölf Ausflüge in die virtuelle Welt sind laut dem Fachmann im Schnitt nötig, um die Angststörung zu minimieren oder sogar zu beheben. Einfach VR-Brille auf und schon wird es besser – das spielt es freilich nicht. Der Patient braucht Vorbereitung, betont Galffy. Zuerst müsse abgeklärt werden, ob organische Ursachen hinter der Phobie stecken. Dann werden mit Hilfe von Biofeedback Reaktionen wie Herzfrequenz, Muskelspannung oder Atmung erhoben. „Daraufhin können Entspannungstechniken erlernt werden, die bei Stress wirken“, ergänzt Galffy. Erst dann geht es in die virtuelle Welt. Wichtig sei die Erkenntnis, dass Betroffene etwas gegen ihre Angst tun können. „Oft hilft schon eine einfache Atemtechnik“, sagt Galffy, „danach lernen sie über die VR-Brille, dass sie die belastende Situation aushalten können. Und in der Folge ist es möglich und Ziel, die Angst abzuschütteln.“

Die Therapie macht einen nicht gleich zum Luftakrobaten. Ziel ist es, Höhe überhaupt auszuhalten. (Bild: Christof Birbaumer)
Die Therapie macht einen nicht gleich zum Luftakrobaten. Ziel ist es, Höhe überhaupt auszuhalten.

Angstsprechstunde an der Klinik Innsbruck seit 2019
Galffy erforscht die Wirkung der VR-Therapie. Angewendet wird diese auch bei Patienten, die die Angstsprechstunde an der Klinik konsultieren. Diese gibt es seit 2019. Die bisherigen Erfolge sind vielversprechend. In Zukunft, so der Fachmann, könnte die Technik auch im Heimtraining Einsatz finden. Denn Phobien kommen bei 40 bis 70 Prozent der Betroffenen im Laufe der Zeit wieder. Galffy: „Denkbar sind Auffrischungssitzungen daheim.“ Alles eine Frage der Technik. Und die befindet sich ja gerade im Höhenflug.

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