Pommers Feierabend

Die Selbstzufriedenheit der Seepocken

Pommer am Abend
20.10.2021 14:56

Einen schönen Mittwochabend.

Heute musste ich den Newsletter sehr früh vorschreiben, denn um 17 Uhr befinde ich mich nicht in der Redaktion, sondern im Festsaal des Schottenstifts. Ich kann immerhin nicht an zwei Orten gleichzeitig sein, wobei ich zugeben muss, dass für mich heute einer dieser trägen Tage ist, an denen es sogar schwerfällt, an einem Ort gleichzeitig zu sein. Jedenfalls hält Finanzminister und ÖVP-Wien-Chef Gernot Blümel heute seine Wien-Rede. Dr. Wolfgang Schüssel ist auch dabei, es war wohl kurzfristig kein anderer Ex-Bundeskanzler aufzutreiben. Nur einer fehlt zu meiner großen Enttäuschung: Peter L. Eppinger, der das Event leider nicht moderiert. Sie wissen schon, das ist der türkise Einpeitscher, dessen Worte sich tatsächlich wie Hiebe anfühlen. „Ich bin Peter L. Eppinger“, sagt Peter L. Eppinger gerne über Peter L. Eppinger, und Sebastian Kurz hatte einmal eine gewagte Theorie, wofür das L. stehen könnte, nämlich für liebenswürdig. Peter Liebenswürdig Eppinger. Wer also auf Lakai getippt hat, lag falsch. Am Ende ist es auch nicht liebenswürdig, sondern Leo, aber ich glaube nicht, dass das unter Falschaussage fällt.

Schon im Vorfeld hat sich eine interessante Entwicklung abgezeichnet: Gernot Blümel nähert sich immer mehr Vizekanzler Werner Kogler. Politisch passt zwischen die beiden ja jetzt schon keine Bibliothek, aber nun haben sie womöglich denselben Sprach-Choreografen. Ich tippe auf Ex-Ministerin Christine Aschbacher, die seit ihrem Seepocken-Gleichnis für mich zu den größten Philosophinnen unserer Zeit gehört. Aus dem Büro des Finanzministers wurde uns jedenfalls ein Schreiben übermittelt -  mit den ersten Inhalten seiner heutigen Rede. Darin steht (Original-Zitat): „Die Wien-Rede von Gernot Blümel ist ein Appell gegen die rote Selbstzufriedenheit in Wien und beleuchtet Unzufriedenheit als Mittel gegen Selbstzufriedenheit. Und Selbstverständlichkeit als gefährlichen Ausfluss aus der Selbstzufriedenheit und die Gefahr, den erreichten Wohlstand zu verlieren.“

Das hat mich zutiefst bewegt und wachgerüttelt. Zuerst einmal gute Besserung an die Selbstzufriedenheit, mit Ausflüssen ist nicht zu spaßen, vor allem wenn die Selbstzufriedenheit schon rötlich verfärbt ist. Wichtig wäre mir noch, dass es in Blümels Rede um Meinungsechokammern geht und um die Gefahr, dass durch übertriebene politische Korrektheit die Freiheit der Meinung zur Freiheit von Meinung wird. Was für ein Glück. Genauso steht es Wort für Wort auch in der Ankündigung. Ganz ist mein träger Tag damit nicht gerettet, denn es gibt auch die Theorie, dass diese Form von Kogleritis am Ende hoch ansteckend ist. Womöglich bereitet die Bundesregierung in diesen Minuten einen neuen Lockdown vor, um zu verhindern, dass wir uns alle gegenseitig mit grenzenlosen Schachtelsätzen ohne jeden Sinn ins Krankenbett plappern.

Morgen mache ich übrigens blau, meine großartigen Kollegen werden übernehmen. Ich werde die freie Zeit nutzen, um über mich selbst nachzudenken, denn Selbstverständlichkeit ist bekanntlich ein gefährlicher Ausfluss aus der Selbstzufriedenheit. Und wenn wir schon bei Privatem sind: Ich heiße Michael A. Pommer. Wofür das A. steht, überlasse ich Ihrer Fantasie.

Ich wünsche also gleich zwei schöne Feierabende, so Sie welche haben.

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