Kuriositäten, Dramen

Unsere Marathon-Männer vor Herzog und Ketema!

Olympia
08.08.2021 00:22

Peter Herzog und Lemawork Ketema schreiben in Sapporo mit ihrem Marathon-Start ab Mitternacht (MESZ) für Österreich ein neues Kapitel in der langen, faszinierenden Geschichte des olympischen Marathonlaufs der Männer. Diese Historie aus heimischer Sicht steckt voller Anekdoten, Kuriositäten, Sternstunden und Enttäuschungen. Die Geschichte beginnt mit den Zwischenspielen in Athen 1906, wo Felix Kwieton hatte aufgeben müssen. Der Grund war kurios…

Ausgehungert und entkräftet
Felix Kwieton war der erste Österreicher sein, der bei einem olympischen Marathon starten sollte, allerdings gab er in Athen 1906 auf. Grund: Die Läufer wurden tags vor dem Rennen von Athen nach Marathon gebracht. Kwieton dachte, die Verpflegung sei da umsonst. Dem war nicht so. Er hatte kein Geld dabei, konnte sich nichts zu essen kaufen. Nur ein Ungar schenkte ihm ein „Stückchen Gulyas“. Ausgehungert und entkräftet ging er an den Start, war 10 km vor dem Ziel „mit den Kräften am Ende“ und gab auf.

Ein Geher als Marathonmann
Als erster Österreicher sollte Emmerich Rath zwei Jahre später in London das Ziel im Marathon bei Olympia erreichen. Rath, Spezialist für Gewaltmärsche über 50 km, qualifizierte sich für die Spiele 1908 im Marathonlauf. In 3:50:31 kam der Prager auf den 26. Platz.

„Eine glänzende Kondition!“
Ein Trio bestritt für Österreich den Marathon in Stockholm 1912. Felix Kwieton, der 1906 aufgegeben hatte, war der Beste. Er lief als 20. durchs Ziel, zeigte dabei eine „glänzende Kondition wie nur wenige Teilnehmer“, schrieben die Wiener Zeitungen. Emmerich Rath, ein Mann von 80 kg Körpergewicht, war durch die tropische Hitze benachteiligt, belegte Platz 33. Der Dritte im Bunde, Karl Hack, gab infolge einer inneren Blutung auf. Es hieß: „Daß er das Rennen aufgab, war vollkommen berechtigt, denn bei Blutverlust unter derartige klimatischen Verhältnissen einen Marathonlauf fortzusetzen, wäre unkluger, lächerlicher, gesundheitsmordender Fanatismus.“

Ein Trio kam durch
Auch 1936 ging aus Österreich ein Trio im olympischen Marathon an den Start. Diesmal aber kamen alle durch. Dabei lief Franz Tuschek als 14. ins Ziel. Bis heute weist er damit die beste Platzierung auf, die je ein Österreicher bei Olympischen Spielen im Marathon erreicht hat.

Dolfi Gruber dreimal im Pech
Gleich dreimal startete Österreichs Marathon-Legende Dolfi Gruber bei Olympia. Jedesmal vom Pech verfolgt. In Helsinki 1952 ging er nach einem Hitze-Marathon in Wien „noch wackelig auf den Beinen“ in seine Vorbereitung für Olympia. Er wurde bei seiner Premiere nur 38. Vier Jahre später in Melbourne bekam er kurz vor dem Marathon Fieber. Die Ärzte rieten ihm vom Start ab, er lief trotzdem, wurde 23. in 2:46:20, zwanzig Minuten langsamer als im Frühjahr 1956. Für Rom qualifizierte er sich mit 40 Jahren erneut, just zum Zeitpunkt der Spiele erkrankt er aber neuerlich. An einer ‚Kopfgrippe‘, die er dem Fahren ohne Kopfbedeckung auf seinem Motorroller zuschrieb. Das Laufen wurde ihm zur Qual geworden. Nur 52. - seine schwächste Platzierung bei den Spielen.

Mit Trainingsschuhen
Erst 20 Jahre später war Österreich wieder im Marathonlauf vertreten. Und zwar durch Sepp Steiner, der vor allem drei Erinnerungen an Moskau 1980 parat hat: das Schuhproblem („Ich lief in Trainingsschuhen!“), fehlende Regeneration („Wir hatten keine Ahnung vom richtigen Training!“) und die extreme Hitze. „Ja, es war sehr, sehr heiß, waren darauf nicht vorbereitet.“ Sepp Steiner verglühte, kam als 39. Ins Ziel.

Zieleinlauf in die Schlussfeier
Helmut Schmuck erinnert sich auch besonders an die Hitze beim Start in Barcelona 1992: „Wir sind am Strand um 16 Uhr gestartet - bei 32 Grad! Dann ging es über den heißen Asphalt!“ Abkühlung nur mit einem Schwamm, alle fünf Kilometer eine Dusche und als Getränk immer wieder Wasser. Am Schluss kam auch noch die Steigung zum Olympiastadion auf den Mont Juic. Die kam dem Bergläufer Schmuck aber entgegen: „Da habe ich noch sechs, sieben Läufer überholt!“ Am Ende sprang für ihn Platz 47 heraus. Das Schöne: „Wir liefen im letzten Bewerb dieser Spiele direkt in die Schlussfeier.“

„Beinahe den Tränen nahe!“
Zweimal kam noch Michael Buchleitner für Rot-Weiß-Rot im olympischen Marathon ins Ziel. In Sydney 2000 wurde das Rennen nahe der Harbour Bridge gestartet, eine Million Menschen bahnte von der berühmten Oper den Helden den Weg ins Olympiastadion. „Unterwegs war die Hölle los!“, so Buchleiter, der als 33. ins Ziel kam. Auf den letzten 20 Kilometern habe der Gegenwind ihn gebremst. Danach kündigte er sein Karriereende für den Vienna City Marathon 2001 an. Es sollte aber noch einen olympischen Marathon geben. In Athen 2004. „Der Zieleinlauf im historischen Olympiastadion ist unvergesslich. Ich hatte beinahe Tränen in den Augen, es war ein Supergefühl“, schwärmte Buchleitner, der 29. Wurde.

„Wie ein Messerstich!“

Günther Weidlinger hatte in London 2012 wieder einmal großes Pech. Nach zwölf Kilometern war er plötzlich bei einer 180-Grad-Kurve gestürzt. „Das war wie ein Messerstich“, berichtete er damals, aus seiner Sicht sei er „eine halbe Ewigkeit auf der Straße“ gelegen, ehe die Rettung kam. „Die Leute an der Strecke warn sehr freundlich, aber keiner konnte sofort helfen. Ich bin an den Straßenrand gehumpelt.“ Angesichts dieses Pechs vergaß aber niemand die großen Erfolge von Günther Weidlinger bei Olympia - allen voran sein achter Platz im Hindernislauf von Sydney 2000.

Aber in London hatte er aufgeben müssen - wie einst Felix Kwieton 1906. Hoffentlich kommen Peter Herzog und Lemawork Ketema in Tokio bei dem erwarteten Hitze-Marathon durch!

Olaf Brockmann
Olaf Brockmann
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