PCR-Tests in Tirol

„Es wird sich zeigen, dass alles korrekt war“

Tirol
03.06.2021 06:00

Dr. Ralf Herwig, Urologe und einer der beiden Gründer der Firma HG Pharma samt HG Lab Truck, steht seit Wochen massiv in der Kritik. Im „Krone“-Interview schildert der Mediziner erstmals minutiös seine Sicht der Dinge.

„Krone“:Herr Dr. Herwig, Sie haben im Herbst des Vorjahres die HG Lab Truck GmbH samt mobilem Test-Truck gegründet. Wie kam der Kontakt mit dem Land Tirol zustande?
Dr. Ralf Herwig: Wir haben unser Lab-Truck-Konzept in mehreren Bundesländern vorgestellt, so auch in Tirol. Hier haben wir unsere Idee auf Eigeninitiative per E-Mail verschickt. Wir waren aber nicht die einzigen Anbieter.

Warum haben Sie den Zuschlag bekommen?
Wir hatten und haben das beste Konzept und das beste Preisleistungsverhältnis. Tirol hatte damals nach vermehrten Testmöglichkeiten gesucht. Nach unserer E-Mail kam es zu Gesprächen und Prüfungen, danach haben wir ein fixes Angebot eingereicht. Dabei musste gewährleistet sein, dass die bestehende Infrastruktur des Landes, sprich die IT und Rotkreuz-Stationen, in dieses Prozedere mit eingebunden werden. Das Testlabor musste in die Struktur passen. Und genau das haben wir auch geschafft.

Gab es damals bereits Qualitätsprüfungen?
Selbstverständlich wurde überprüft, ob wir die Qualitätskriterien erfüllen. Wenn man sich unsere Beschäftigtenliste ansieht, wird ersichtlich, dass Hochkaliber aus Wissenschaft und Forschung im Team sind.

Sie konnten dem Land Tirol einen Preis von 38,50 Euro pro PCR-Test anbieten. Wie das, immerhin lag der herkömmliche Normalpreis für private PCR-Tests damals bei 120 Euro?
Wir konnten diesen derartig günstigen Preis anbieten, da ein großer Teil der Administration vom Land Tirol realisiert wurde und für uns somit wegfiel. Dazu zählen zum Beispiel das Betreiben der Screening-Stationen und die Logistik sowie die Verteilung der Ergebnisse nach der Auswertung. Daher war für uns klar, hier keinerlei Kosten zu verrechnen. Andere Labore hätten zu diesem Zeitpunkt 60 Euro pro PCR-Test verlangt. Somit haben wir Land und Steuerzahler Millionen erspart.

Apropos Millionen: Lohnt sich das alles mit 38,50 Euro pro Test überhaupt?
Das meiste Geld, das wir vom Land Tirol für unsere Vorleistungen refundiert bekommen haben, haben wir in Material, Angestellte und Maschinen investiert.

In der aktuellen Diskussion wird die Qualität in Ihren Laboren angezweifelt.
Das weise ich auf das Schärfste zurück. Wir arbeiten mit den neuesten und besten Geräten, die auf dem Markt erhältlich sind. Und damit haben wir unsere Prozesse optimiert. Wir haben nicht gespart, es ist kein Billigzeug dabei. Krankenhäuser hatten zu Beginn der zweiten Welle oft das Verbrauchsmaterial nicht mehr, es war weltweit nicht mehr nachzubekommen. Der einzige Grund, warum wir immer voll funktionstüchtig waren, ist, dass wir die Ressourcen vorher geschaffen haben. Wir hatten immer für mindestens 100.000 Tests alles im Lager. Dafür mussten wir in Vorleistung gehen, nicht wissend, ob eine zweite Welle kommt und ob das auch je benötigt wird. Wir haben alles auf eigene Faust finanziert und sind ein Risiko eingegangen. Wir haben auch Privatmittel verwendet und privat gehaftet.

Aber es gab doch einen sicheren Vertrag mit Tirol?
Dieser Vertrag war genau genommen 0 Euro wert. Weil es keine Garantie gab, dass wir auch nur einen einzigen Test machen. Wir sind ins kalte Wasser gesprungen. Das einzige Kriterium, das zählte, damit wir immer wieder Aufträge erhalten, war schnell, gut und günstig zu sein sowie ständig wie ein Uhrwerk zu arbeiten.

Also lief alles reibungslos?
Da wir sehr gründlich gearbeitet haben, konnten wir den Beginn der bevorstehenden zweiten Welle bereits in den Daten abbilden. Das hatte man uns am Anfang nicht glauben wollen, daher haben wir alle Ergebnisse nochmals extern gegenprüfen lassen. Wir behielten leider recht, die Zahl der Infizierten stieg auch bundesweit stark an. Übrigens waren wir es, die die britische und südafrikanische Variante entdeckt haben und so einen wichtigen Beitrag zur Pandemiebekämpfung in Tirol leisten konnten.

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Wir waren es, die die britische und südafrikanische Variante entdeckt haben und so einen wichtigen Beitrag zur Bekämpfung in Tirol leisten konnten.

Dr. Ralf Herwig

Auch wird Ihnen vorgeworfen, bei den Tests falsche Zuordnungen getätigt zu haben.
Das ist falsch. Dazu muss man wissen, dass beim ersten PCR-Test ein bis zwei Prozent falsch positive oder falsch negative Befunde die Norm sind. Bei 200.000 Tests würde das 2000 Ergebnisse in jede Richtung betreffen. Bei uns waren es weniger als 20 Tests, also 0,1 Promille. Diagnostische Sicherheit ist damit gewährleistet. Fakt ist: Bei der ersten Phase der PCR-Tests hatten wir eine fast 100-prozentige Trefferquote, bei der zweiten Phase - die durch Teilsequenzierung in Wien gegenkontrolliert wurde - hatten wir auch fast 100 Prozent. Erst bei der dritten Phase, in der es um die Unterscheidung der weiteren Unter-Mutationen ging, hatten wir am Anfang nur eine 95-prozentige Trefferquote. Aber das spielt für den Patienten und das Land in seiner Entscheidung, ob Tirol offen bleibt oder nicht, keinerlei Rolle. Da reichen 95 Prozent Schärfe völlig aus. Jede Entscheidung vom Land wurde korrekt getroffen.

Und dennoch stehen nach wie vor Ungereimtheiten bei den Laborabläufen im Raum.
In vielen Dingen werden Äpfel und Birnen vermischt. Zunächst gilt, dass wir nur PCR-Tests und keine Antigen-Tests machen. Und wir haben keine einzige Probe gepoolt. Das heißt, wir haben jede Probe einzeln geprüft, was viele nicht machen - wegen der Zeit. Denn wenn man zehn Proben im Pool, also gleichzeitig, analysiert und eine davon falsch ist, muss man abermals alle zehn Proben untersuchen. Bei mehr als 1500 Proben am Tag klappt das nicht.

Trotz allem erhält man die Ergebnisse vom Lab Truck innerhalb eines Tages.
Wir liefern die Ergebnisse innerhalb von drei bis fünf Stunden, sieben Tage die Woche je 24 Stunden. Wenn Sie sich zurückerinnern, hat man vor unserer Lab-Truck-Zeit in Tirol bis zu 48 Stunden auf ein PCR-Testergebnis warten und in Quarantäne verharren müssen. Teils viel länger. Leider vergessen das viele zu schnell. Wegen unserer Schnelligkeit haben wir Betriebe davor bewahrt, bei einem positiven Fall lange zusperren zu müssen.

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Vor unserer Lab-Truck-Zeit musste man in Tirol bis zu 48 Stunden auf ein PCR-Testergebnis warten. Leider vergessen das viele allzu schnell wieder.

Herwig über die Geschwindigkeit der Ergebnisübermittlung

Es stand mehrfach ein Lockdown Tirols zur Debatte.
Auch diese Lockdowns haben wir verhindert. Wir haben dafür gesorgt, dass man mit einer Ausreisetestpflicht aus den Bezirken hinauskonnte und Geschäfte nicht zusperren mussten. Die Tatsache, dass wir in Tirol einen Winterbetrieb hatten, ist nur dem geschuldet, dass alle wussten, wie die Inzidenzzahlen sind. Wir lieferten sie tagesaktuell, machten sogar Geo-Karten. Somit wusste der Krisenstab des Landes stets, wo auffällig viele Infektionen waren, und konnte örtlich eingreifen. Die Argumentation des Landes beruhte auf unseren Daten. Nur unter diesen Bedingungen hat die Bundesregierung zugestimmt, dass es zu keinen weiteren Lockdowns von ganz Tirol kam.

Zwei Fragen bleiben noch: Dürfen Sie als Urologe ein solches Labor führen?
Seit 1996 beschäftige ich mich nicht nur am Sektor Urologie und Urologie-Labor, sondern auch am Sektor Wissenschaft und Forschung mit Molekularbiologie und habe 15 Jahre lang an der Universität zuletzt als Professor gelehrt. Der Urologe ist der Mikrobiologe für den Harntrakt. Deshalb wusste ich auch, wie man dieses innovative System aufstellt, mit dem man schnell, qualitativ hochwertig und effektiv arbeiten kann. Man braucht hier keinen Labormediziner, sondern qualifizierte Mediziner, die sich mit diesen Methoden auskennen - so wie ich einer bin. Das steht auch so im Vertrag mit dem Land Tirol, den wir auf Punkt und Beistrich eingehalten haben.

Warum gab es denn keine EU-weite Ausschreibung?
Eine EU-weite Ausschreibung, die sich über drei Monate zieht, wäre fahrlässig gewesen, weil ad hoc Laborkapazitäten geschaffen werden mussten. Europaweit hätte man im Juni 2020 ausschreiben müssen und da hat noch keiner gewusst, wann und wie stark die zweite Welle kommt und was man genau ausschreiben soll.

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Europaweit hätte man im Juni 2020 ausschreiben müssen. Da wusste keiner, wann und wie stark die zweite Welle kommt und was man ausschreiben soll.

Herwig über Kritik am Ausschreibungsprozess

Sind Sie enttäuscht, dass Landeshauptmann Günther Platter Sie wie eine heiße Kartoffel fallen gelassen hat?
Ich glaube, die Landesregierung ist genauso überrascht worden, dass so eine Flut von unrichtigen Behauptungen plötzlich eingeprasselt ist. Ich war über die klaren Worte von LH Platter im Landtag sehr froh. Auch, dass wir die Verträge offenlegen dürfen, ist entlastend. Darin ist ersichtlich, dass wir stets gesetzeskonform gehandelt und unseren Teil der Pandemiebekämpfung eingehalten haben. Die Vorwürfe, die jetzt künstlich produziert wurden, werden sich in Luft auflösen.

Geht Ihnen das alles nahe?
Hier wurden üble Gerüchte gestreut und falsch wiedergegeben, teils ohne Rücksprache mit mir. Derweil hatte etwa auch Frau Professor Dorothee von Laer immer wieder auf die hohe Qualität unserer Tests hingewiesen. Dies schien aber niemanden zu interessieren. Meine Familie und ich leiden sehr unter dieser falschen Berichterstattung. Ich habe mehr als 160 wissenschaftliche Publikationen veröffentlicht, wurde mehr als 1300-mal in der Weltliteratur zitiert, habe 30 Jahre wissenschaftliche Arbeit für die Menschen geleistet und fast 20.000 OPs durchgeführt - all das wurde binnen eines Tages zerstört.

Was wünschen Sie sich?
Ich hätte mir gewünscht, dass es vor allem zu Beginn mehr Kommunikation mit mir gegeben hätte. Es wird bei sämtlichen Untersuchungen herauskommen, dass wir ständig alle Qualitätsstandards erfüllt haben.

Fakten

  • Die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft prüft einen Anfangsverdacht wegen schweren Betruges. Es stehe der Vorwurf im Raum, dass die HG Lab Truck vom Land Tirol in Auftrag gegebene PCR-Tests nicht sach- und fachgerecht durchgeführt hätte bzw. zur Durchführung solcher Tests nicht qualifiziert gewesen sei.
  • Die Sonderprüfung des Landesrechnungshofes soll bis Oktober abgeschlossen sein.
  • Tirols LH Günther Platter verteidigt die Auftragsvergabe an die HG Lab Truck. Die Entscheidung sei aus „fachlichen Gründen“ getroffen worden. Zudem sei die Vergabe ohne Ausschreibung rechtens gewesen.
  • Tirols Gesundheits-LR Annette Leja betont: „Man hätte fahrlässig gehandelt, wenn man nicht so gehandelt hätte.“ Die Vorgangsweise sei „absolut verantwortungsvoll.“
  • Und Dorothee von Laer vom Institut für Virologie der Meduni Innsbruck erklärt: „Es kam zu keinen falschen Ergebnissen.“
  • Die bisher durchgeführten Sequenzierungen der AGES zeigen, dass bei jedem Mutationsverdacht auch tatsächlich eine Mutation vorlag. Nur die Zuordnung, welche Mutation vorlag, musste in 380 Fällen geändert werden.

Herwig und das Gericht
Im Oktober des Vorjahres erhob die Staatsanwaltschaft Wien gegen Dr. Ralf Herwig Anklage wegen Körperverletzung mit schweren Dauerfolgen, schwerer Körperverletzung, fahrlässiger Körperverletzung sowie schwerem Betrugs. Er steht im Verdacht, zwischen 2013 und 2017 vier Männer, die sich wegen Erektionsproblemen zu ihm in Behandlung begeben hatten, nicht richtig behandelt zu haben.

Der fünfte Patient litt nach der OP laut Anklageschrift an einer „wesentlichen Veränderung seines Penis“. Zwei Betroffene nahmen sich 2014 bzw. 2020 das Leben. Ein Zusammenhang mit den Operationen konnte bislang aber nicht nachgewiesen werden. Der OGH hat am 7. Mai 2021 in einem Teilurteil einem Patienten rechtskräftig einen Schadenersatz von 50.000 Euro zugesprochen, über die ursprünglich abgewiesene Gegenforderung von Herwig von mehr als 150.000 Euro gegen den Patienten muss laut OGH erneut verhandelt werden.

Herwig hat sich in diesem Ermittlungsverfahren „nicht schuldig“ bekannt und versicherte, er habe zutreffende Diagnosen erstellt und in sämtlichen angelasteten Fällen eine weltweit anerkannte, von ihm mitentwickelte Methode zur Behebung von Erektionsproblemen eingesetzt. Sein Strafverteidiger Nikolaus Rast betont im Gespräch mit der „Tiroler Krone“: „Selten bin ich von der Unschuld meiner Mandanten überzeugt, aber in der Causa von Dr. Herwig ist das der Fall.“ Entsprechende internationale Gutachten, die die Anklage widerlegen, sind in Arbeit.

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Selten bin ich von der Unschuld meiner Mandanten überzeugt, aber in der Causa von Dr. Herwig ist das der Fall.

Anwalt Nikolaus Rast

Im Sommer 2019 wurde Herwig wegen versuchter Abgabenhinterziehung verurteilt. Im Herbst 2010 wurde ein Insolvenzverfahren über ihn eröffnet. Er war, wie viele andere, vom Bankencrash 2008 betroffen. Ein Sanierungsplan wurde erstellt und im September 2012 abgeschlossen, wobei sich die angemeldeten Forderungen auf 100.000 Euro beliefen und sich vorwiegend aus Zinsforderungen zusammensetzten.

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