Wenn nichts mehr geht

Österreich ist auf einen Blackout kaum vorbereitet

Österreich
09.10.2018 06:03

Viele Experten sind sich einig: Ein Blackout, ein großflächiger und länger andauernder Stromausfall nach einer Naturkatastrophe oder einer gezielten Cyberattacke, ist ein wahrscheinliches Katastrophenszenario. Die Frage lautet also nicht, ob, sondern wann es dazu kommen wird. In Österreich sind weder die zuständigen Behörden, noch die Zivilbevölkerung für so einen Blackout genügend gerüstet. „Das Blackout-Szenario ist ein unterschätztes. Es wird sehr schwierig sein, die Kontrolle zu bewahren“, sagt Peter Goldgruber, Generalsekretär des Innenministeriums, im Interview mit der Rechercheplattform „Addendum“. Das Video oben zeigt Ausschnitte aus der Reportage „Blackout: Katastrophenfall Österreich“, die am 11. Oktober um 21.15 Uhr auf ServusTV ausgestrahlt wird.

Das Innenministerium gibt zwar ganz aktuell Flyer und Postkarten heraus, die erklären, was im Fall eines Terrorangriffs zu tun ist: „Flüchten, Verstecken, Verteidigen“. Das Bundesministerium für Nachhaltigkeit und Tourismus informiert Journalisten über das richtige Verhalten bei nuklearen Störfällen. Wesentlich wahrscheinlicher als diese Katastrophenszenarien ist allerdings ein Blackout.

(Bild: APA/ROBERT JAEGER, stock.adobe.com, krone.at-Grafik)

Alle Lebensbereiche betroffen
Davon wäre die gesamte Bevölkerung betroffen. Wenn der Strom ausfällt, ist es nicht nur dunkel. Die Kommunikation bricht zusammen, Aufzüge bleiben stecken, Ampeln fallen aus, es gibt Verkehrsunfälle. Schon nach wenigen Tagen gehen vielen Menschen die Lebensmittel aus, Einsatzkräfte und Spitäler sind überlastet. Normalerweise hofft man in solchen Situationen auf die Hilfe von Staat, Polizei und Bundesheer. Laut „Addendum“-Recherchen sind derzeit allerdings weder die Polizei noch das Bundesheer mangels Wasser-, Nahrungsmittel- oder Treibstoffreserven in der Lage, die eigene Handlungsfähigkeit aufrechtzuerhalten. Eine Grundversorgung der Bevölkerung wäre somit unmöglich.

(Bild: thinkstockphotos.de)

Im Katastrophenfall übernehmen verschiedene Ministerien die Zivilschutzkoordination. Laut Verfassung sind die Landesregierungen zuständig, die eine Befehlskette nach unten über Bezirkshauptmannschaften bis hin zu den einzelnen Gemeinden auslösen. Da aber bei einem Blackout meist größere Teile, wenn nicht das gesamte Bundesgebiet betroffen sind, müssen die Behörden und auch die Feuerwehren und die Rettung miteinander kommunizieren können.

Digitaler Behördenfunk nicht robust genug?
Aber das Mobilfunknetz ist natürlich ebenfalls vom Blackout betroffen. Der digitale Behördenfunk kann zwar autark agieren, doch wie die „Addendum“-Recherchen ergeben haben, reicht die Batterieversorgung der Zentrale im Süden Wiens lediglich für 24 Stunden. Die Durchhaltefähigkeit anderer Sendestationen wird ebenfalls auf solch einen Zeitraum geschätzt, offizielle Bestätigung dafür gibt es aber keine. Spätestens nach 24 Stunden müssten also Notstromaggregate zur Verfügung stehen. Die Versorgung mit solchen Stromquellen über die Freiwilligen Feuerwehren im ganzen Land dürfte aber ebenfalls nicht ohne Verzögerungen ablaufen.

(Bild: Christof Birbaumer)

Im Rahmen einer Tagung zum Thema „Die Gesundheitsversorgung nach einem Blackout“ Anfang September in Wien, an der Vertreter von Polizei, Militär, Gesundheitseinrichtungen, Regierungsbehörden und Bundesländern teilnahmen, wurde die Situation in Österreich ganz offen angesprochen. Ein Vertreter des Bundesheeres habe das Problem Österreichs in kurzen Worten so umrissen: „Planerisch sind wir gut unterwegs, praktisch fehlen uns die Mittel.“ Damit sprach der Offizier die jahrelangen Budgetkürzungen beim Heer an, die in der Vergangenheit immer wieder beklagt worden waren. Konkret wirkt sich das punkto Katastrophenschutz so aus: unzureichende strategische Treibstoffversorgung, fehlende Wasserversorgung und keine Lebensmittelreserven.

Die ABC-Abwehr des Bundesheeres (Bild: Bundesheer/Amir BEGANOVIC)
Die ABC-Abwehr des Bundesheeres

Kasernen als Sicherheitsinseln für Zivilbevölkerung
Als Reaktion auf diese Probleme hat Verteidigungsminister Mario Kunasek (FPÖ) zwölf Kasernenstandorte in Österreich als Sicherheitsinseln festgelegt. „Von besonderer Bedeutung dabei sind die eigenständige Energie- und Wasserversorgung sowie die Bevorratung der notwendigen Versorgungsgüter für einen längeren Zeitraum. In der ersten Krisen- oder Katastrophenphase sollen die Blaulichtorganisationen sowie die Zivilbevölkerung temporär rasch versorgt und unterstützt werden können“, heißt es laut Verteidigungsministerium. Das bedeutet, dass diese Kasernen als Rückzugsort für Personal und die Zivilbevölkerung dienen sollen.

(Bild: Bundesheer, krone.at-Grafik)

Konkrete Informationen über die geplanten Sicherheitsinseln hat das Verteidigungsministerium bisher nicht veröffentlicht. In der Beantwortung einer parlamentarischen Anfrage durch die NEOS betonte Minister Kunasek im September, dass eine Beantwortung aller gestellten Fragen „detaillierte Rückschlüsse auf die bestehende Infrastruktur, das militärische Sicherheitsniveau der Liegenschaften und demnach auf die einsatzrelevanten Grundlagen des Bundesheeres zulassen würden“. Aus diesen Gründen wurde von ausführlichen Antworten über die Ausgestaltung der Standorte Abstand genommen.

Weil offenbar die Versorgung von 8,8 Millionen Österreichern durch das Bundesheer nicht gewährleistet werden kann, werden die Österreicher bei jeder Gelegenheit darauf aufmerksam gemacht, genügend Wasser- und Lebensmittelreserven in den eigenen vier Wänden zu lagern, um sich selbst bei einem tagelangen Stromausfall versorgen zu können. Denn ohne Vorräte würde es bei einem Ausfall von Kühlgeräten oder Heizungen schnell zur Krise kommen. Auch Lebensmitteltransporte gäbe es in einem solchen Fall nicht mehr. „Wir müssen die Menschen dafür sensibilisieren, dass es diese Gefahren nicht nur im Fernsehen oder weit weg gibt“, meinte General Othmar Commenda, der frühere Generalstabschef des Bundesheeres, vor einigen Monaten bei einem Vortrag in Linz.

Generalstabschef Othmar Commenda (Bild: APA/Helmut Fohringer)
Generalstabschef Othmar Commenda

Österreich war einmal das Land der Schutzbunker
Schutzräume bzw. -bunker waren zur Zeit des Kalten Krieges ein üblicher Bestandteil von Hauskellern in Österreich. Sieben von neun Bundesländern (mit Ausnahme von Wien und Salzburg) verpflichteten einst auch private Bauherren, neue Gebäude mit Schutzräumen auszustatten, zum Schutz der Bevölkerung vor radioaktiver Strahlung. Diese Zeiten sind aber vorbei und die wenigsten Menschen machen sich eben Gedanken über die eigene Katastrophenvorsorge. Die wichtigsten vom Zivilschutzverband aufgelisteten Dinge, die man im Zuge der Vorsorge einlagern sollte:

  • Lebensmittel für ungefähr zwei Wochen und ausreichend Trinkwasser
  • Arzneimittel und Verbandsstoffe
  • Hygieneartikel
  • Kochgelegenheit ohne Strom (Gasgriller, Campingkocher usw.)
  • Kerzen und Taschenlampen und ausreichender Batterienvorrat
  • Notstromaggregat und mit Batterien betriebene Radiogeräte

Blackout-Experte: „Eine vorbereitete Gesellschaft kann auch damit umgehen“
Herbert Saurugg, seines Zeichens Blackout-Experte, betont die Bedeutung der persönlichen Katastrophenvorsorge: „Es muss sich jeder einzelne von uns und auch jede Organisation auf ein solches Szenario vorbereiten. Dies beginnt vorwiegend bei der persönlichen, familiären Vorbereitung, um zumindest ein bis zwei Wochen ohne externe Versorgung (Trinkwasser, Lebensmittel) gut über die Runden kommen zu können. Eine vorbereitete Gesellschaft kann auch mit einem solch undenkbarem Ereignis umgehen. Nutzen wir die Chancen.“

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