Peking ohne Dunst?

Die Tricks der Chinesen gegen Smog-Olympia

Ausland
17.07.2008 13:37
Was die Umweltbelastung betrifft, sind die Pekinger einiges gewöhnt. „Das ist doch gar nichts“, sagt ein Bewohner der chinesischen Hauptstadt auf die Frage nach der Dunstglocke, die über der Stadt hängt. „Noch in den 1990er-Jahren hatte man schwarze Ringe aus Ruß unter den Augen, wenn man länger in der Stadt unterwegs war.“ Auch die offiziellen Daten bestätigen die Verbesserung der Luftqualität in Peking. Die Zahl der Tage mit guter Luft hat sich seit dem Jahr 1998 mehr als verdoppelt. Im Vorjahr wurden 245 Tage gezählt, im Olympiajahr sollen es - mit ein paar Tricks - 256 werden. Den Slogan „Blue Sky Days“ sollte man dennoch nicht allzu wörtlich nehmen, denn wirklich blauen Himmel bekommt man in Peking nur sehr selten zu sehen.

Selbst kritische Beobachter wie die Umweltschutzorganisation Greenpeace zollen den Olympia-Organisatoren Anerkennung für ihre Umweltpolitik. 120 Milliarden Yuan (10,97 Milliarden Euro) wurden in den vergangenen acht Jahren für Umweltmaßnahmen in der chinesischen Hauptstadt ausgegeben. Es wurden drei Millionen Bäume gepflanzt, 16.000 Kohleöfen durch die Elektrifizierung von Stadtteilen stillgelegt, Kläranlagen gebaut und Industriebetriebe modernisiert. Selbst Regenwasser wird in großem Stil gesammelt, um die Wasserversorgung in der unter chronischer Trockenheit leidenden Olympia-Stadt zu verbessern.

Messstationen und Fabriken verlegt
Natürlich haben die Behörden der 16-Millionen-Metropole bei den Umweltmaßnahmen auch tief in die Trickkiste gegriffen. Umweltaktivisten kritisieren, dass die Messstationen für die Luftgüte verlegt wurden, um die Ergebnisse zu schönen. Außerdem wurden große Industriebetriebe im Vorfeld der Olympischen Spiele kurzerhand in die umliegenden Regionen verlagert. „Jetzt haben eben die Menschen dort einen gelben und grünen Himmel“, scherzt man in Peking.

Ende Juli sollten alle Baustellen und die meisten Industriebetriebe in Peking geschlossen werden, um einen weiteren Beitrag zur Hebung der Luftqualität zu leisten. Es ist wohl kein Zufall, dass viele Pekinger im Mai über die besonders schlechte Luft in der Stadt klagten. „Jetzt blasen die schnell noch alles raus, bevor sie die Produktion einstellen müssen“, mutmaßte ein Bewohner der Hauptstadt. Sogar das Lackieren unter freiem Himmel wird während der Olympischen Spiele verboten sein.

„Zwangsurlaub“, damit Pendlerverkehr abnimmt
Für viele Mitarbeiter staatlicher und privater Betriebe in Peking wird es während Olympia „Zwangsurlaub“ heißen, wovon sich die Behörden auch eine Verringerung des Pendlerverkehrs erwarten. Diesbezüglich kämpft die Stadtverwaltung nämlich bisher auf verlorenem Posten, auch wenn mit Hochdruck am Ausbau des öffentlichen Verkehrs gearbeitet wird. Das U-Bahn-Netz wurde in den vergangenen drei Jahren von 114 auf 200 Kilometer verlängert, bis 2020 sollen es schon 560 Kilometer sein. Durch die Senkung des Ticketpreises auf zwei Yuan (0,183 Euro) konnte die Zahl der U-Bahn-Benützer im Vorjahr um ein Drittel gesteigert werden.

Täglich 1.000 Pkw-Neuzulassungen
Das große Sorgenkind der Pekinger Umweltpolitik bleibt der motorisierte Individualverkehr. Jeden Tag werden mehr als 1.000 Autos in der chinesischen Hauptstadt neu zugelassen, 3,5 Millionen Wagen sind schon jetzt auf den ständig verstopften Straßen Pekings unterwegs. Der Autoboom ist die Kehrseite des wachsenden Wohlstands der Hauptstadtbewohner. Zwar müssen alle neu zugelassenen Autos in Peking die höchste EU-Abgasnorm (Euro IV) erfüllen, doch zu einer Erhöhung des staatlich regulierten Benzinpreises von knapp 50 Cent pro Liter konnten sich die Stadtpolitiker bisher nicht durchringen.

Also müssen die Stadtplaner während Olympia zu drakonischen Maßnahmen greifen. Abwechselnd dürfen jeden Tag nur Autos mit geraden bzw. ungeraden Endziffern auf der Nummerntafel unterwegs sein. Bei einem Testlauf im vergangenen Herbst wurden 1,3 Millionen Autos vorübergehend aus dem Verkehr gezogen, der Schadstoffausstoß konnte um ein Fünftel gesenkt werden.

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