Duell der Legenden

Shaun White lässt Tony Hawk heuer alt aussehen

Seit 1998 ist Skateboardlegende Tony Hawk mit seiner eigenen Videospielreihe im Gamesgeschäft. Zuletzt aber nur mäßig erfolgreich, denn während die eigene Serie Innovationskraft vermissen lässt, trumpft die Konkurrenz mit frischen Ideen auf. Jüngstes Beispiel: Shaun White und dessen "Shaun White Skateboarding", mit dem das Snowboardass virtuell von der Piste auf den Asphalt wechselt und damit Tony Hawks diesjährigen Ableger "Shred" ziemlich alt aussehen lässt.

So kann man sich irren: Als Ubisoft diesen Sommer "Shaun White Skateboarding" auf der E3 in Los Angeles der Öffentlichkeit vorstellte, waren die Reaktionen verhalten. Dass der Rotschopf vom Snow- auf das Skateboard wechseln sollte, um anschließend mit diesem auf bunten Bahnen durch die Luft zu schweben, erschien vielen doch reichlich abstrakt. Aber siehe da: Bereits nach wenigen Minuten des Spielens weicht die anfängliche Skepsis und ein Gefühl des Wohlwollens macht sich breit.

Denn: "Shaun White Skateboarding" erlegt dem Spieler vom Start weg nahezu keinerlei Beschränkungen auf. Der Einstieg ist überraschend unkompliziert, erst allmählich wird der Schwierigkeitsgrad angezogen. Doch selbst dann bietet der Titel Casual-Gamern noch ausreichend Gelegenheit, frei von Zwängen und herrlich entspannt durch die Straßen der Stadt zu cruisen, während sich Profis an allerlei Tricks und Herausforderungen die Zähne ausbeißen können.

Was "Shaun White Skateboarding" außerdem positiv von der Konkurrenz abhebt, ist das dem Spiel zugrundeliegende Szenario und die sich daraus ergebenden spielerischen Möglichkeiten. Das Ministerium hat nämlich jeglichen Spaß verboten, alle Skateboarder von der Straße verbannt und schlussendlich sogar Shaun White höchstpersönlich eingebuchtet. Nun liegt es am Spieler, im wahrsten Sinne des Wortes Farbe zurück ins Spiel zu bringen, denn mit jedem positiv absolvierten Trick färben sich Bäume und Sträucher wieder grün und werden Wände wieder bunt.

Auch die wie leblose Marionetten durch die Straßen bummelnden Einwohner werden zu neuem Leben erweckt und fangen nun ihrerseits an, mit dem Skateboard die Straße unsicher zu machen. Manche Zeitgenossen sind jedoch schwerer zu knacken, sie umzupolen bedarf daher eines größeren Trick-Aufwands, was durch das Auffüllen einer Bonus-Leiste gelingt. Das alles ist bereits äußerst spaßig anzuschauen und zu spielen, richtig lustig wird es aber erst, wenn es durch die Befreiung des eigenes Geistes auf bunten Rails durch die Luft geht, um etwa Propaganda-Banner, -Plakate und -Lautsprecher des Ministeriums zu zerstören.

Fast mühelos lässt es sich so von der Straße hinauf zu verborgenen und geheimen Orten skaten. Während viele dieser Rails auf vorgegebenen Bahnen verlaufen, können andere Rails und Rampen vom Spieler selbst in ihrem Verlauf geändert werden – und zwar während des Skatens. Ist man mit der eingeschlagenen Richtung nicht zufrieden, genügt ein simpler Knopfdruck, um den Kurs zu korrigieren.

Die Steuerung ist dabei – wie eingangs erwähnt – äußerst einsteigerfreundlich: Mehr als den A-Button und den linken Analogstick braucht es auf der Xbox anfangs nicht, um sämtliche Tricks zu meistern. Im weiteren Spielverlauf löst der rechte Analogstick jedoch mehr und mehr die Button-Steuerung ab, sodass auch Profis gefordert werden. Apropos fordern: Neben dem Einfärben und Umpolen gibt es natürlich auch jede Menge (Zeit-)Herausforderungen und Gefälligkeiten (z.B. für den Besitzer des lokalen Skateboard-Shops), die es zu meistern gilt.

Und Tony Hawk? Der macht nach der Vorjahresenttäuschung "Ride" erneut einen entscheidenden Fehler und setzt bei der Steuerung ausschließlich auf den nicht nur teuren, sondern schlichtweg nach wie vor nicht richtig funktionierenden Skateboard-Controller. Da hilft es auch nichts, wenn nun mehrere Steuervarianten für Einsteiger Einzug gehalten haben, bei denen das Lenken je nach Abstufung mehr oder weniger vom Spiel übernommen wird. Auf eine Story hat man gleich ganz verzichtet, stattdessen werden die ewig gleichen Trick- und Zeit-Challenges vorgesetzt.

Echte Freiheit will sich aber auch da nicht einstellen: Die in Cel-Shading-Optik gehaltenen Skate- und neuerdings auch Snowboardlevels sind schlauchartig und müssen wie bestimmte Outfits und Charaktere erst nach und nach freigespielt werden – was wegen der Steuerung allerdings nur wenigen gelingen dürfte, und wenn, dann ohne dabei ein Fünkchen Spaß zu verspüren. Denn während Kollege Shaun so gut wie nie auf die Fresse fliegt, meint es die Kollisionsabfrage bei Tony Hawk etwas zu genau. Überflüssig zu erwähnen, dass dann auch der integrierte Multiplayer-Modus verzichtbar ist.

Fazit: Tony Hawk ist nicht mehr der Jüngste, was man auch seinem neuesten Spiel "Shred" ansieht. Dessen einzige Innovation scheint darin zu bestehen, dass man weiterhin auf den vermurksten Skateboard-Controller setzt. Ein teurer Frust also. Ganz anders hingegen Kollege Shaun und sein "Shaun White Skateboarding": Ein nette Story-Idee, die auch optisch hübsch umgesetzt wurde, viele spielerische Freiheiten und ein Schwierigkeitsgrad, der Einsteigern wie Profis gleichermaßen Spaß bereitet, lassen - zumindest heuer - nur einen Schluss zu: König Tony ist tot, lang lebe König Shaun.

Shaun White Skateboarding
Plattform: Xbox 360 (gestet), PS3
Publisher: Ubisoft
krone.at-Wertung: 8/10

Tony Hawk Shred
Plattform: PS3 (getestet), Xbox 360, Wii
Publisher: Activision
krone.at-Wertung: 5/10

von Sebastian Räuchle