Online-Überwachung

Eingeräumt: “Staatstrojaner” kommt aus Bayern

Web
11.10.2011 10:18
Das bayerische Innenministerium hat bestätigt, dass der vom Chaos Computer Club (CCC) bekannt gemachte "Staatstrojaner" zur Online-Überwachung aus Bayern stammt. Die Erstbewertung des bayerischen Landeskriminalamts habe ergeben, dass die dem CCC zugespielte Software einem Ermittlungsverfahren der bayerischen Polizei aus dem Jahr 2009 zugeordnet werden kann, sagte Innenminister Joachim Hermann am Montagabend.

Noch nicht geklärt ist laut Herrmann, ob es sich bei der vorliegenden Datei um eine Testversion oder um die später tatsächlich eingesetzte Software handelt. Zugleich betonte der CSU-Politiker, dass das Landeskriminalamt beim Einsatz der Trojaner alle rechtlichen Vorgaben eingehalten habe.

Der Innenminister schaltete deswegen auch den bayerischen Datenschutzbeauftragten Thomas Petri ein. Petri soll als unabhängiger Fachmann sowohl die Einhaltung der Rechtsvorschriften als auch die technische Umsetzung der Online-Überwachung prüfen.

Merkel fordert rasche Aufklärung
Die deutsche Kanzlerin Angela Merkel hatte zuvor rasche Aufklärung in der Angelegenheit gefordert. Die Bundesregierung nehme die Nachforschungen des CCC über die Spionagesoftware "sehr ernst", sagte Regierungssprecher Steffen Seibert in Berlin.

Laut Innenminister Hans-Peter Friedrich gebe es bisher keinerlei Hinweise, dass Stellen des Bundes die Software zur Ausspionierung von Verdächtigen übers Internet eingesetzt hätten. Zugleich betonte er, dass Computer-Überwachungsmaßnahmen ausschließlich im Rahmen der gesetzlichen Vorgaben und jeweils nach Anordnungen von Gericht oder Staatsanwaltschaft stattfänden.

Mehr als bloßes Abhören
Der CCC hatte am Sonntag nach Untersuchung mehrerer ihm zugespielter Festplatten deutschen Ermittlungsbehörden vorgeworfen, einen Trojaner mit Funktionen einzusetzen, die über das Abhören von Kommunikation hinausgingen. So ist es zum Beispiel möglich, Programmteile aus dem Internet nachzuladen und den Trojaner so mit neuen Funktionen auszustatten. Besonders perfide ist dabei die Möglichkeit, Dateien auf dem befallenen PC unbemerkt zu verändern. So lassen sich etwa problemlos gefälschte Beweismittel auf dem Zielrechner anlegen.

Solchen Formen der Online-Durchsuchung hat das deutsche Bundesverfassungsgericht mit einem Urteil vom Februar 2008 aber enge Grenzen gesetzt. So ist der Einsatz eines derartigen Trojaners nur dann erlaubt, wenn sich die Überwachung "ausschließlich auf Daten aus einem laufenden Telekommunikationsvorgang beschränkt und dies durch technische Vorkehrungen und rechtliche Vorgaben sichergestellt wird".

Länder sollen Trojaner nicht mehr verwenden
Innenminister Friedrich hat die Bundesländer indes aufgefordert, die enttarnte Spionagesoftware nicht mehr einzusetzen. Das Programm sollte nicht verwendet werden, solange es mehr könne, als gesetzlich zulässig sei, sagte der CSU-Politiker am Dienstag im Deutschlandfunk. Gleichzeitig sprach sich Friedrich dafür aus, in der Strafprozessordnung den Einsatz solcher Software neu zu regeln. Er hoffe, dass das der deutsche Justizministerium in dieser Sache einen Vorschlag erarbeite.

Virenscanner erkennen "Staatstrojaner"
Für die Behörden dürfte es indes ohnehin schwer werden, Verdächtige mittels "Staatstrojaner" auszuspionieren. Denn nach dem Bekanntwerden der Software haben Sicherheitsanbieter wie Steganos oder ArchiCrypt bereits reagiert und "Anti-Bundestrojaner"-Tools zum Download bereitgestellt. Mit ihnen können Nutzer nun kostenlos überprüfen, ob ihr Rechner vom "Staatstrojaner" befallen ist. Auch Hersteller wie Symantec, Kaspersky, McAfee oder Antivir haben die Dateien der staatlichen Software in die Virendefinitionen ihrer Software aufgenommen.

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