Er ist ein Grenzgänger: Johannes Silberschneider verwandelte sich im Österreich-Tatort am letzten Sonntag vom lieben Pflegeheim-Opa zum wütenden Mörder. Auch so überrascht er gerne: Im Linzer Brucknerhaus liest er am 8. Jänner eine Erzählung von Kafka. Im „Krone“-Talk sagt er, was er bei Filmdrehs und auf der Bühne so liebt – und so hasst.
Über 100 Rollen in TV und Kinofilmen haben Johannes Silberschneider längst zum Star mit unverwechselbarem Gesicht gemacht. Und doch ist jede seiner Figuren immer voll Überraschungen.
Er ist einfach ein Spezialist für gebrochene Seelen und schräge Charaktere. Er scheint ein schauspielerisches Gen für „stille Schläfer“ zu haben, aus denen es irgendwann herausbricht. Am Sonntag begeisterte er im Österreich-Tatort, recht stolz macht ihn auch die Serie „Der Fall der Gerti B.“, in der er den Ehemann einer Kriminalpolizistin spielt.
Silberschneider live bei einer Lesung mit Musik
Im Linzer Brucknerhaus zeigt er sich am Donnerstag, 8. Jänner, wieder von einer anderen Seite. Er blättert die Erzählung „Josefine, die Sängerin oder Das Volk der Mäuse“ von Franz Kafka auf, begleitet wird er vom Merlin Ensemble Wien. Im „Krone“-Talk verrät Silberschneider etwas über seine schrägen Figuren und was er an Filmdrehs und Bühnenauftritten mag – und hasst.
Kurzschluss und sozialer Abgrund
„Krone“: Verraten Sie uns zwei Rollen, die Ihnen zuletzt besonders wichtig waren?
Johannes Silberschneider: Der Herr Fritz im „Tatort“, in der Folge „Der Elektriker“, die ja am Sonntag zu sehen war. Und der Berti Bruckner in der Serie „Die Fälle der Gerti B.“. Beides sind Figuren, die in hermetischen Systemen gefangen sind und diese durch emotionale Kurzschlüsse zu sprengen vermeinen. Aber sie manövrieren sich dabei immer tiefer in den sozialen Abgrund der Vereinsamung.
Ihre Figuren wirken oft wie Grenzgänger zwischen Licht und Schatten. Was ist in Ihren Augen das Spannende an diesen Figuren, das Sie auch perfekt darstellen können?
Das ist doch im Menschen von Natur aus angelegt, diese Grätsche der Zwiespältigkeit auszuhalten und sie möglichst eigenverantwortlich – sozusagen in einem ‘sozial-ökumenischen‘ Kontext – kreativ zu nutzen.
Verraten Sie uns Persönliches? Was lieben Sie an Filmdrehs? Was hassen Sie?
Ich liebe beim Dreh die kulinarische Rundum-Versorgung von großer Güte und hasse erste Annäherungsversuche an Figuren, Drehorte, Partner und Regisseure.
Für mich ist Theaterspielen wie die Fortsetzung des Schulbesuchs: Jede Premiere ist wie eine Schularbeit, jede Kritik eine Benotung.
Johannes Silberschneider
Was lieben Sie an Bühnenauftritten? Was hassen Sie?
Ich mag das spontane Sich-Öffnen. Leider passiert Theater immer am gleichen Ort und soll ‘wiederholbar‘ sein. Für mich ist Theaterspielen wie die Fortsetzung des Schulbesuchs: Jede Premiere ist wie eine Schularbeit, jede Kritik eine Benotung. Drehen dagegen ist wie Ferien!
Welchen Film mit Ihnen sollte ich 2026 auf keinen Fall verpassen?
Die zweite Staffel von „Die Fälle der Gerti B.“ mit Susi Stach, Karl Fischer und Michou Friesz, Regie führt wieder Sascha Bigler. Das sind Menschen, die mir seit meinen Anfänger-Jahren vertraut sind und mit denen sich das Drehen anfühlt wie ein Maturatreffen der alten Schule.
Noch zu Franz Kafka: Im Brucknerhaus lesen sie nun Kafkas Text ‘Josefine, die Sängerin‘. Darin geht es um Kunst und Anerkennung. Was ist in ihren Augen eine aktuelle Aussage des Textes?
Es ist ein Text über den gesellschaftlichen Konsens, über Verabredungen, was überhaupt Kunst zur Kunst macht. Ein philosophisches Traktat eines ständig Schaffenden, der das Leben umklammert und noch nicht wagt loszulassen. Es sind aber auch Gedanken, die Kafka im Angesicht des Todes heimsuchen.