Müll ist mehr als das, was jeder von uns wegwirft. Von Bauschutt bis hin zu gefährlichen Stoffen will das Wiener Rathaus einen neuen Takt für Recycling, Kreislaufwirtschaft und Ressourcenschonung vorgeben.
Den Mist hinauszubringen – und idealerweise davor zu trennen – verschafft ein Trugbild von den Müllmengen, die in Wien jeden Tag anfallen: Ein genauer Blick in die Zahlen der Abfallwirtschaft zeigt etwa: Jeder Wiener hinterlässt in seinem Haushalt jährlich 2,5 Kilo gefährliche Abfälle. Insgesamt ist die Menge in dieser Kategorie – außerhalb des Haushaltes (Stichwort Ölwechsel beim Auto & Co.) – mit statistischen 112 Kilo pro Kopf fast 50 Mal so hoch.
Große Ziele für 2050 gesteckt
Ähnlich verhält es sich mit den Mengen, die die Bauwirtschaft auf Deponien kippt (siehe Grafik unten): Die Menge allein an Bauschutt und Betonabbruch – und dazu kommen noch viele weitere, auch gefährliche Stoffe – übersteigt mit 713 Kilo pro Stadtbewohner die jährlichen 607 Kilo Abfall, die in Kübeln, Containern und auf Mistplätzen landen. Grund genug für die Stadt, eine neue „Strategie zur Ressourcenschonung und Kreislaufwirtschaft“ zu präsentieren.
Das Ziel ist ambitioniert: Bis 2050 soll die Verbrauchsmenge von pro Kopf neu produziertem Material halbiert werden, von rund 14 auf 7 Tonnen. Und Abfall soll de facto verschwinden: 100 Prozent der „nicht vermeidbaren Abfälle“ sollen in 25 Jahren in Wien verwertbar sein können. Gelingen soll das durch Recycling, Reparieren und Kreislaufwirtschaft. Auch für ein Drittel aller Emissionen ist nicht der tägliche Verbrauch, sondern der produzierende Bereich verantwortlich.
„Mit Kreislaufwirtschaft bleibt das Leben leistbar“
Klimastadtrat Jürgen Czernohorszky (SPÖ) gibt den Mutmacher: Schon jetzt sei die Ausgangslage in Wien dank bisheriger Bemühungen viel besser als im Rest von Österreich, wo jeder Bewohner jährlich für rund 23 Tonnen produzierte Güter steht, die oft gleich wieder zu Müll werden. Aus Czernohorszkys Sicht ist Kreislaufwirtschaft aber nicht nur wegen der Ressourcenschonung das Gebot der Stunde: „Sie garantiert, dass das Leben leistbar und der Wirtschaftsstandort resilient bleibt.“
Die Ressourcen schonen will die Stadt vor allem in ihrem eigenen Bereich mit Vorbildwirkung (siehe Bericht unten). Immerhin habe man damit auch rund zehn Prozent des Material-Fußabdrucks in der Stadt selbst in der Hand, schätzt der städtische Klimabereichsleiter Thomas Eberhard. „Und für die 90 Prozent haben wir die Rahmenbedingungen in der Hand.“
Zuckerbrot und ab 2030 auch Peitsche
In weiterer Folge will die Stadt nicht nur den „Kulturwandel“ in Richtung Kreislaufwirtschaft antreiben, sondern auch „ordnungspolitische Maßnahmen“ ergreifen. Spätestens 2030, so verspricht etwa Bernadette Luger von der städtischen Baudirektion, würden Neubauten einen Nachweis über das Ausmaß an wiederverwendeten Baustoffen brauchen.
Laut wurde es bei der Präsentation der neuen Nachhaltigkeitsstrategie in Czernohorszkys Büro – wegen des Renovierungslärms im Büro von Stadtrat Peter Hacker darüber. Der Stadtrat nahm es launig als Beweis, dass die Stadt eben auch selbst repariere und nicht nur darüber rede.
Um Pflichten zu Recycling und Kreislaufwirtschaft durchzusetzen, brauche es freilich auch entsprechende gesetzliche Rahmenbedingungen vom Bund und der Europäischen Union, räumt Czernohorszky ein. Doch es gibt auch noch genug, das jeder einzelne tun kann. Die Müllstatistik zeigt: Pro Kopf landet in Wien immer noch ein Kilo Altglas jährlich im Restmüll. Bei Altpapier und Kunststoffverpackungen ist es weiterhin sogar fast die Hälfte.
Die „Wiener Standardleuchte“ kann mehr als Straßen beleuchten. Das Lampenmodell, das sich die Stadt patentieren hat lassen, besticht durch ein Baukastensystem, das unabhängig von Vorgaben der LED-Hersteller funktioniert und so mit dem technologischen Fortschritt mithalten kann, statt zu Müll zu werden. Seit 2014 ist die Lampe in vielen Formen im Einsatz. Auch so manche Alt-Wiener Straßenlaterne ist in Wahrheit schon eine Standardleuchte – und für die Stadt damit auch ein „Best Practice“-Beispiel für Ressourcenschonung.
Als weitere Beispiele nennt die Stadt etwa den „Leihladen“ am Leopoldstädter Max-Winter-Platz, wo man Geräte für Haushalt und Heimwerken ausleihen kann, statt sie zu kaufen, die Kompost-Blumenerde aus den Wiener Biotonnen, die Arzneimittelbörse des Gesundheitsverbunds zur Reduktion von Medikamentenverschwendung, die Verwendung von wiederaufbereitetem Asphalt im Straßenbau, die Phosphor-Gewinnung aus Klärschlamm bei den Entsorgungsbetrieben Simmering und die Pilot-Anlage „Waste2Value“, bei der etwa Abfall aus der Papierindustrie und Schadholz in Bio-Kraftstoff umgewandelt wird.
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