Pflegekraft berichtet

Österreich vs. England: Krankenpflege im Vergleich

Gesund
30.07.2025 08:00

Die gebürtige Österreicherin Karin Steinhauser (43) arbeitet als Intensivkrankenpflegerin in London. Mit „Krone Gesund“ hat sie über die Unterschiede in der Gesundheitsversorgung zwischen den beiden Ländern gesprochen.

Nach ihrer Ausbildung zur Diplomkrankenpflegerin zog Karin Steinhauser (43) nach London und übt dort seit etwa 20 Jahren ihren Beruf aus. Da es in Großbritannien Fördermaßnahmen gibt, die es Pflegekräften ermöglichen, ins Ausland zu reisen, um internationale Gesundheitssysteme kennenzulernen, besuchte Karin im Rahmen ihrer beruflichen Weiterbildung für zwei Wochen die Intensivstation der Klinik Landstraße in Wien. „Krone Gesund“ traf sie zum Interview.

„Krone Gesund“: Wie funktioniert die Gesundheitsversorgung in England?
Karin Steinhauser: In England gibt es ein staatlich finanziertes System – das National Health Service (NHS). Dieses bietet eine kostenlose Grundversorgung für alle britischen Bürger, unabhängig von Einkommen oder Beschäftigung. Die Versorgung wird stark zentral koordiniert, in der Regel über Hausärzte bzw. das Ärztezentrum des Wohnbereichs. Für viele spezialisierte Leistungen sind Überweisungen notwendig.

Keine Überweisung brauche ich etwa für Gynäkologen, Augenarzt, Ernährungsberater oder Physiotherapeuten. Die Wartezeiten für Arzttermine, vor allem bei Fachärzten oder für planbare Operationen, sind oft sehr lange.

In der Notaufnahme wird in England nach dem Triage-System, also nach Dringlichkeit, behandelt und nicht, wann der Patient eingetroffen ist. Das bedeutet, dass manche sehr lange warten müssen, in London mitunter sogar den ganzen Tag oder die ganze Nacht. In Wien haben mir die Kollegen erzählt, dass sich die Leute schon aufregen, wenn sie vier Stunden warten.

Gibt es Unterschiede bei der Ausbildung und den Aufgaben des Pflegepersonals?
In England hat man in der Pflege mehr Verantwortung und Autonomie. In den „Standard Operating Procedures (SOPs)“ ist genau beschrieben, wie bestimmte Pflegemaßnahmen durchgeführt werden sollen. Dies erlaubt mehr Möglichkeiten, eigene Entscheidungen zu treffen, bevor ein Arzt eine Anweisung gibt. In Wien existieren Pflege-SOPs, müssen aber ärztlich angewiesen werden.

Ich habe in Österreich meine Diplomausbildung gemacht, dann in England die akademische Ausbildung, die mit einem Bachelor-Abschluss endet, berufsbegleitend nachgeholt und die Weiterbildung zur Intensivpflege gemacht.

Die Wahl-Londonerin Karin Steinhauser im Interview.
Die Wahl-Londonerin Karin Steinhauser im Interview.(Bild: Eva Manhart)

Jetzt mache ich gerade den „Master in Advanced Critical Care Practitioner“ für meine Rolle als ACCP, die etwas anders ist. Ich arbeite als Teil des multidisziplinären Teams enger mit den Ärzten zusammen. Ich schaue mir den Status der Patienten an, inklusive Laborberichte, Röntgenaufnahme etc. und stelle anhand meiner Begutachtung einen Behandlungsplan auf, darf Medikamente verschreiben, Untersuchungen anordnen und Notfallmaßnahmen durchführen. Das gibt es in Österreich in dieser Form nicht, da ist alles in den Händen der Ärzte.

Wie unterscheidet sich der Alltag auf den Intensivstationen?
Im King’s College Hospital in London, wo ich arbeite, teilen sich auf jeder der fünf Intensivstationen 2-3 Ärzte und 1-2 ACCPs die Patienten auf, jeder begutachtet seine Patienten und entwirft einen Behandlungsplan. Dann schaut sich bei der Visite das gesamte Team – bestehend aus Ärzten, ACCPs, Physiotherapeuten, Diätologen, Apotheker – alle Patienten an und gemeinsam wird über die Behandlungspläne entschieden.

In Österreich liegt alles sehr zentriert bei den Ärzten. Da macht jeder Arzt den Behandlungsplan für seine Patienten, daher geht die Visite auch viel schneller. Aber jeder Arzt muss auch viel mehr machen, schaut sich z. B. den sozialen Hintergrund der Patienten an (Kinder, Sachwalter), spricht mit Angehörigen usw. und über ihn laufen alle Entscheidungen.

Was hat Sie im Spital in Wien besonders überrascht?
Ungewohnt war für mich, dass im Spital in Österreich Medikamente verschrieben werden und nicht wie in England die Wirkstoffe. In UK wird der Wirkstoff in der entsprechenden Dosierung verschrieben, egal, wie das Präparat heißt. Das finde ich einfacher, vor allem, wenn sich der Medikamentenname ändert.

Die Abläufe auf der Station in Österreich sind auch sehr zeitlich strukturiert. Zum Beispiel werden alle Patienten zur gleichen Uhrzeit aus dem Bett gesetzt, gewaschen, dann kommt die Physiotherapie usw. In London ist man flexibler, da erfolgt nur die Medikamentengabe zu fixen Zeiten. Das hat Vor- und Nachteile. Einerseits kann man schauen, wie es dem Patienten geht, bevor man ihn aus dem Bett setzt. Andererseits kann es vorkommen, dass dies erst um 6 Uhr abends passiert – was zwar für den Patienten mitunter hilfreich, aus Pflegesicht aber weniger ideal ist.

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