Junge in der Krise

Wer den Sinn im Leben findet, bleibt gesünder

Gesund
03.05.2025 06:00

Die gute Nachricht vorweg: Etwa zwei Drittel der Österreicher können von sich sagen: „Mein Leben ist sinnerfüllt“. Und das tut rundum gut, denn wer diese Sinnhaftigkeit im Handeln und Sein spürt, der ist auch motiviert, länger sowie gesünder zu leben. Warum jedoch gerade junge Menschen heute oft in Sinnkrisen stürzen.

Familie, Job, Dienst an der Gemeinschaft oder Religion – nach dem Sinn in ihrem Leben gefragt, antworten zwei Drittel der Befragten in etwa mit diesen Schlagworten. Geraten diese Personen in eine Krise, wirft sie das nicht so schnell um, denn so eine Sinnhaftigkeit dient als „Pufferzone“. Das bedeutet, selbst wenn eine Phase gerade schwer ist, wissen diese Menschen: „Mich macht bedeutend mehr aus, als nur ‘Patientin‘ oder ‘Witwer´ zu sein.“

Wissen, wohin man will
„Viele sind sich zwar nicht bewusst, was für sie genau zählt, aber ihnen gemein ist das Gefühl, zu wissen, wohin sie wollen – das Leben fühlt sich stimmig an“, erklärt Prof. Dr. Tatjana Schnell, Professorin für Existenzielle Psychologie, die an der Universität Innsbruck (T) das Sinnforschungsinstitut „Existential Psychology Lab“ gründete und seit 2020 an der MF Specialized University in Oslo (Norwegen) tätig ist. „Der Rest teilt sich in jene auf, die zwar nicht unbedingt einen Sinn sehen, das aber in Ordnung finden – und auch nicht darunter leiden – sowie jene, die gerne etwas Sinnstiftendes in ihrem Leben hätten, dieses aber (gerade) nicht finden.“

Besonders starke Sinnquellen

  • Generativität
  • Fürsorge
  • Religiosität
  • Harmonie
  • Entwicklung
  • soziales Engagement
  • bewusstes Erleben
  • Naturverbundenheit
  • Kreativität
  • Gemeinschaft

Erstgenannten geht es nicht schlecht, aber auch nicht besonders gut. Problematisch kann es für diese werden, wenn sie eine Krise trifft. Relativ rasch wird ihnen dann gleichsam der „Boden unter den Füßen weggezogen“. Denn oft fehlt ohne Sinn auch jene Stabilität, die durch eine schwere Phase trägt, ohne dass das gesamte Leben ins Wanken gerät.

Sinnkrisen sind schmerzhaft
„Sehr schmerzhaft ist es für jenen Teil der Bevölkerung, der keinen Sinn in seinem Leben hat, aber gerne einen hätte. Diese Personen fühlen sich oft verloren und wenig optimistisch. Hier gibt es Zusammenhänge mit Angststörungen sowie Suizidalität“, führt Prof. Schnell aus. „Wir verzeichnen seit einigen Jahren – auch schon vor Corona – einen deutlichen Zuwachs. Waren es vor zehn Jahren vor allem die 40- bis 50-Jährigen, welche so eine Sinnkrise durchlebten, sind es heute die 18- bis 29-Jährigen. Mehr als ein Viertel der Personen dieser Altersgruppe empfinden ihr Leben als leer.“ Werden sie doch erwachsen in einer Welt, der eine düstere Zukunft prophezeit wird. Kriege, Klimawandel – wenn Junge ganz genau hinsehen, kann das bei einigen Krisen auslösen.

Doch worin lässt sich nun Sinn finden?
„Ich forsche schon seit dem Jahr 2000 daran und es lässt sich zusammenfassen, dass es 26 Sinnquellen gibt“, so die Psychologin. „In jedem Kulturkreis und bei allen Altersstufen ganz vorn mit dabei sind Haltungen des Sorgens für etwas oder andere. Weltweit sinnstiftend ist überdies die sogenannte ,Generativität‘. Darunter versteht man die Haltung, so zu leben, dass auch jene es gut haben, die nach einem kommen.“

Zitat Icon

Sinn finden wir nicht, wenn wir im Internet herumhängen, sondern raus in die Welt gehen und uns einlassen auf Begegnung.

(Bild: Florian Lechner)

Prof. Dr. Tatjana Schnell, Professorin für Existenzielle Psychologie

Manche erleben das durch das Bekommen und Erziehen von Kindern oder geben das eigene Wissen weiter, andere engagieren sich sozial sowie politisch. Manche schaffen Kunstwerke, Gedichte oder spielen in einer Laientheatergruppe. „Sie müssen dafür nicht die Welt retten“, lacht die Expertin. „Auch wer im Kirchenchor singt oder seinen Ort mit Blumenkistchen schön gestaltet, leistet etwas für die Allgemeinheit. Kernpunkt: Das eigene Tun geht über mich selbst hinaus.“

Was sind die häufigsten Sinnquellen? 
Den allermeisten Menschen wichtig ist Gemeinschaft, Liebe und Familie, genauso wie eigenes Wachstum, um sich vorwärtszuentwickeln. Ebenfalls essenziell für etliche Gruppen ist Religiosität und Spiritualität sowie Tradition. Das Wort ,Sinn’ hat indogermanische Wurzeln und stammt vom Wort ,sent’ ab. Das bedeutet ,auf dem Weg sein’ und ,reisen’. Das zeigt gut, was wirklich zählt. Denn eine Sinnquelle findet man nicht, wenn man grübelt oder wartet. Es geht darum, loszugehen und sich einzulassen auf das, was wichtig ist.

Krisen sind ganz normal
„Im Leben haben die meisten mindestens einmal eine Sinnkrise, und das ist ganz normal“, so Prof. Schnell. „Und auch gut! Natürlich nicht im ersten Moment, da tut es sehr weh. Aber man wird sich zumindest bewusst, dass einem gerade etwas fehlt. Diesem Gefühl kann man sich gezielt aussetzen und hinterfragen: ,Warum geht es mir schlecht?’ ,Was erwarte ich eigentlich?’ Wenn hier Klarheit gefunden wurde, rät die Expertin, ins Handeln zu kommen. „Denn Sinn finden wir nicht, wenn wir im Internet herumhängen, sondern raus in die Welt (Natur!) gehen und uns einlassen auf Begegnung. Mit neuen Erfahrungen kommt auch Motivation, das zu tun, was sich richtig und wichtig anfühlt.“

Immer wieder überprüfen
Prof. Tatjana Schnell rät jedem, nicht nur jenen in einer Krise, sich seiner Sinnstifter bewusst zu werden. Dazu, vielleicht auch in einem Sinntagebuch, notieren: Was ist in meinem Leben sinnvoll? Was hat für mich Bedeutung? Die Expertin hat dafür sogar eigens eine kostenlose App namens „Sinnmacher“ entwickelt (im App-Store erhältlich). In der erweiterten kostenpflichtigen Version erhalten Interessierte dann überdies Impulse oder Übungen zur Sinnfindung.

Drei Säulen gegen Krisen
„Es sind im Endeffekt drei Säulen, auf die wir uns stützen sollten. Alles auf eine Karte zu setzen, wie z.B. Leistung im Beruf, ist zu wenig. Da folgt die Krise, wenn man etwa arbeitslos wird. Sich aufs Muttersein zu reduzieren, funktioniert nicht mehr, wenn die Kinder ausgezogen sind. Hier gilt es, die richtige Balance zu finden und die drei wichtigsten Sinnstifter für sich zu entdecken“, rät Prof. Tatjana Schnell.

Loading...
00:00 / 00:00
Abspielen
Schließen
Aufklappen
Loading...
Vorige 10 Sekunden
Zum Vorigen Wechseln
Abspielen
Zum Nächsten Wechseln
Nächste 10 Sekunden
00:00
00:00
1.0x Geschwindigkeit
Loading
Kommentare
Eingeloggt als 
Nicht der richtige User? Logout

Willkommen in unserer Community! Eingehende Beiträge werden geprüft und anschließend veröffentlicht. Bitte achten Sie auf Einhaltung unserer Netiquette und AGB. Für ausführliche Diskussionen steht Ihnen ebenso das krone.at-Forum zur Verfügung. Hier können Sie das Community-Team via unserer Melde- und Abhilfestelle kontaktieren.

User-Beiträge geben nicht notwendigerweise die Meinung des Betreibers/der Redaktion bzw. von Krone Multimedia (KMM) wieder. In diesem Sinne distanziert sich die Redaktion/der Betreiber von den Inhalten in diesem Diskussionsforum. KMM behält sich insbesondere vor, gegen geltendes Recht verstoßende, den guten Sitten oder der Netiquette widersprechende bzw. dem Ansehen von KMM zuwiderlaufende Beiträge zu löschen, diesbezüglichen Schadenersatz gegenüber dem betreffenden User geltend zu machen, die Nutzer-Daten zu Zwecken der Rechtsverfolgung zu verwenden und strafrechtlich relevante Beiträge zur Anzeige zu bringen (siehe auch AGB). Hier können Sie das Community-Team via unserer Melde- und Abhilfestelle kontaktieren.

Kostenlose Spiele
Vorteilswelt