Raue Schönheit

Reise durch Namibia: Der Weg ist das Ziel

Reisen & Urlaub
07.12.2012 16:38
Ruhe, Natur und grandiose Landschaften: vom fast unbekannten Caprivi-Streifen bis zum berühmten Etosha- Nationalpark, eine Reise durch die raue Schönheit Namibias.

Natur pur – Elefanten, Büffelherden, Krokodile und über 400 Vogelarten tummeln sich im Gebiet um den Kwando-Fluss im Caprivi, dem nördöstlichsten Zipfel Namibias. Regen ist ein Segen für Pflanzen, Tiere und Menschen von Namibia. Und im Caprivi-Streifen, diesem nur rund 50 Kilometer breiten Zipfel im Nordosten des Landes, der hineinragt nach Botswana, Sambia und Angola, regnet es häufig.

Tief dunkelblau leuchtet der Kwando, gesäumt von zartem, goldenem Schilf, teilt er die grüne Landschaft. Links ist Namibia. Die Löwen – kleine, gelbe Punkte im hohen Gras auf der rechten Uferseite – befinden sich schon in Angola. In einem einfachen Motorboot fahren wir flussaufwärts, als sich, wie durch eine Windböe bewegt, plötzlich das Wasser vor uns kräuselt. "Hippo", spricht der Kapitän, verlangsamt, weicht großräumig aus. Ich blicke zurück, sehe mit viel Getöse ein riesiges rosa Maul aus dem schwarzen Fluss auftauchen. "Auf der Rückfahrt müssen wir aufpassen. Hippos sind sehr gefährlich, uns zum Kippen zu bringen ist für sie ein Leichtes."

Ein gewaltiger Blitz zeichnet weiße Risse in den stahlgrauen Himmel, als es schon zu prasseln beginnt. Fette, dicke, tropische Tropfen. Mittendrin in den Elementen – im Herzen Afrikas. Später liege ich warm und trocken in schneeweiße Baumwolle gebettet, lausche hinaus in die Trommelmusik des Regens. Punkt 22 Uhr wird der Transformator ausgeschaltet, jetzt gibt es kein Licht mehr, und wie ein schwarzer Mantel legt sich die afrikanische Nacht um meine kleine einfache Hütte am Ufer des Kwando. Pures Glück.

Buschland soweit das Auge reicht
Schnurgerade führt die B8 durch den Caprivistreifen, dieses schmale Stückchen Land, das die Deutschen 1890 mit den Engländern gegen die Insel Sansibar tauschten. Weite Strecken der Straße sind noch Schotterpiste. Aber die Chinesen arbeiten bereits mit riesigen gelben Baggern, die wie Ufos in der grünen Kulisse thronen, an der Asphaltierung. Buschland, so weit das Auge reicht, dazwischen verstreut kleine Siedlungen – runde Strohhütten, wie ich sie aus den Bilderbüchern meiner Kindheit kenne. Nur die Satellitenschüsseln auf den Schilfdächern erinnern daran, dass die Zeit nicht stehen geblieben ist.

Jausenstopp beim Spar, es gibt Mandarinen und Biltong, würziges Trockenfleisch, der lokale Snack für zwischendurch, der sich wunderbar mit einem Schluck gekühltem "Windhoek Lager" runterspülen lässt. Köstliches Bio-Fleisch gibt es hier überall. Wild, Rind, Büffel – die Tiere leben frei, ziehen mit ihren Kälbern im Schlepptau dem frischen Gras hinterher. Platz ist genug in Namibia, das mehr als doppelt so groß wie Deutschland ist und in dem nur zwei Millionen Menschen leben. Bei Sonnenuntergang checken wir im Divava Okavango Lodge ein – Luxus pur umhüllt von tropischer Flora. Eine weiße Badewanne im Retro-Stil mit Blick auf den Okawango – jetzt fehlt nur noch Robert Redford. Der "Sundowner", gekühlter Weißwein zu frisch gefangenen "Fischstäbchen", wird auf einer Sandinsel im Fluss serviert. Rundherum sprudeln schaumige Stromschnellen, die Popa Falls, über ein schwarz glänzendes Felsriff.

Der Weg ist das Ziel
Der Weg ist das Ziel: Schnell darf man hier nicht fahren, überall könnte Wild wechseln. Steppenzebras, Kudu-Kühe, Pferde-Antilopen und auch Elefanten, die man in der dichten Buschvegetation erst im letzten Moment sehen würde. Wir biegen ab zum Mahango National Park – kalkiger Sandboden, in dem wie Skulpturen filigrane Giraffen-Akazien wurzeln. Hier tummelt sich eine Blauäffchen-Familie, dort tollen Giraffen und am grasgrünen Ufer findet sich eine Kudu-Herde zur Tränke ein. Vor einem jahrhundertealten Baobab-Baum, dem Nationalbaum Namibias, dürfen auch wir raus aus dem Bus in die warme, weiche Luft. Ansonsten ist im Nationalpark Menschenverbot, weil Menschen Lärm und Müll machen, und das stört die Tiere, die man unbedingt schützen muss. Rund 450.000 Löwen gab es vor 50 Jahren noch in Namibia, jetzt sind es, optimistisch gezählt, nur noch 20.000.

Erinnerung an vorkoloniale Kultur
"Wer heiraten möchte, muss wissen, wie man eine Matte flechtet." Im "Living Museum" am Kwando-Fluss kann man die alte Kultur der Mafwe hautnah erleben. Eine Touristenattraktion und gleichzeitig ein Sammeln von alten Riten, Tänzen und Handwerk, um die Erinnerung an die vorkoloniale Kultur der Buschleute wachzuhalten. Wir hören die zarten Lieder, mit denen man sich rund ums Lagerfeuer sitzend die Zeit vertreiben kann. Beobachten eine Art Backgammon-Spiel, mit dem man seinem Gegner Vieh abluchsen kann. Sehen, wie man Körbe flechtet und aus Lehm Skulpturen formt. Viele dieser Traditionen wurden vom modernen Leben abgelöst, manche, wie das aufwendige Mahlen von Hirse, sind noch heute Bestandteil des täglichen Lebens.

22.000 Quadratkilometer groß ist der gewaltige Etosha-Park, der 1907 von der Deutsch-Südwestafrikanischen Verwaltung zum Wildschutzgebiet erklärt wurde. Über das "Von Lindquist"-Tor fahren wir ein in diese magische Landschaft, treffen gleich auf zwei Elefanten, die weiß gepudert vom kalkigen Boden elegant zwischen schwarzen Ästen posieren. Zebraherden streifen wie eine hingepinselte Laune der Natur durch die helle Landschaft. Und am Horizont traben drei Vogelsträuße, dass es nur so staubt – schwarzes Federkleid im strahlenden Gegenlicht. Alles ist in Pastell getaucht. "Etosha" heißt "großer weißer Platz", gemeint ist die gigantische Salzpfanne im Zentrum des Parks. Grenzenlosigkeit, die die Sonne in den zartesten Grün- und Blautönen schimmern lässt. "Die Nacht hat mir erzählt", sagen die Buschleute zu dem, was wir "träumen" nennen. Etosha ist so schön, dass es fast nicht wirklich sein kann.

Meditatives Reisen
Fast 3.000 Kilometer haben wir auf dem Tacho, als wir wieder in Windhoek, der kleinen, sauberen Hauptstadt Namibias, ankommen. Sehr viel Fahrerei. Aber es ist ein schönes Reisen. Meditativ, wenn man, zum Nichtstun gezwungen, die Unendlichkeit an einem vorbeiziehen sieht. Stille und Zufriedenheit hat sich in mir ausgebreitet. Und es befällt mich fast eine Art Heimweh, als ich im Morgengrauen meinen Koffer zum Flughafenbus rolle. Ein letztes Mal diese unglaubliche Mildheit einatmen, ein letzter Blick auf diese karge, raue Schönheit im rosa Licht der aufgehenden Sonne.

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