„Mehrheit dafür“

Laborfleisch-Umfrage schockt Bauern und Minister

Österreich
13.03.2024 13:26

63 Prozent der Österreicher sind – glaubt man einer aktuellen Online-Umfrage – für eine Zulassung von sogenanntem Laborfleisch, sofern es für sicher befunden wurde. Landwirtschaftsminister Norbert Totschnig warnt im Zuge dessen davor, sich „beim Essen in eine blinde Abhängigkeit einiger weniger internationaler Großkonzerne zu begeben“. Auch der Bauernbund reagiert geschockt und zweifelte bereits die Seriosität der Umfrage an.

Laborfleisch – also im Reagenzglas gezüchtetes Fleisch – ja oder nein? Die Meinungen sind gespalten, so das Umfrageergebnis des Meinungsforschungsinstitut YouGov, das im Auftrag des Thinktanks Good Food Institute Europe 1000 Personen befragt hatte.

59 Prozent der Österreicher berichteten demnach, dass sie auch schon von im Labor produziertem Fleisch gehört hätten, 63 Prozent würden eine Zulassung unter gewissen Auflagen befürworten, 42 Prozent würden Laborfleisch zumindest einmal probieren.

Von den Unter-35-Jährigen und Flexitariern – sogenannte flexible Vegetarier, die Fleisch aus Massenproduktion ablehnen – sagte das jeweils sogar mehr als die Hälfte: 66 Prozent finden, dass „kultiviertes Fleisch“ auch in Österreich hergestellt werden solle, wenn es auf den Markt kommt.

„Riesige Lobby“
Landwirtschaftsminister Norbert Totschnig (ÖVP) zeigte sich nach dem Bekanntwerden der Umfrage umgehend skeptisch: „Hinter Laborfleisch steht eine riesige Industrie-Lobby. Es geht um die Frage, ob wir uns künftig mit Kunstfleisch aus der Fabrik oder mit natürlichen, regionalen Lebensmitteln ernähren wollen.“

„Industrielles Laborfleisch“ stehe im Widerspruch „zu unseren bäuerlichen Familienbetrieben und unserer natürlichen Lebensmittelproduktion. Hier werden Inhaltsstoffe und Methoden eingesetzt, deren Auswirkungen auf Mensch, Tier und Umwelt noch keiner gänzlich kennt“.

Totschnig forderte eine breite Diskussion sowie Transparenz und eine umfassende Folgenabschätzung in der EU. Sonst drohe, „dass wir uns beim Essen in eine blinde Abhängigkeit einiger weniger internationaler Großkonzerne begeben“. Gemeinsam mit Italien und Frankreich „habe ich deshalb vor der drohenden Marktzulassung eine breite Diskussion auf EU-Ebene gefordert“, so der Minister. „Österreichs Vorstoß haben 18 EU-Länder unterstützt.“

Umfrage „nicht seriös“
Auch der Bauernbund tobt. Präsident Georg Strasser bezeichnete die Ergebnisse gar als unseriös: „Diese Online-Umfrage ist nicht repräsentativ und wurde von einer NGO lanciert, die es sich zum Ziel gesetzt hat, die natürliche Lebensmittelproduktion zu verteufeln.“ So würden „Sorgen und Ängste bei unseren nachhaltig produzierenden Bauernfamilien“ geschürt.

„Durch tendenziöse Fragestellungen wird bewusst ein Ergebnis provoziert, das in eine gewisse Richtung zeigen soll. Das ist eine Kampfansage und wir wollen es nicht zulassen, dass dieser Kampf auf dem Rücken unserer Bäuerinnen und Bauern ausgetragen wird.“ Die Landwirtschaft und deren wesentlicher Beitrag zum Klima- und Umweltschutz dürften nicht schlechtgeredet werden, so Strasser.

Die weiteren Ergebnisse der umstrittenen Umfrage: Generell sei das Interesse an „nachhaltigeren“ Ernährungsformen groß. 59 Prozent finden, dass zu viele tierische Produkte konsumiert werden. 47 Prozent wünschen sich Alternativen zu Fleisch, Fisch, Eiern und Milchprodukten.

30 Prozent der gut 1000 Befragten gaben an, dass sie selbst in den nächsten zwei Jahren mehr pflanzliche Fleischalternativen konsumieren wollen, 28 Prozent mehr pflanzliche Milchalternativen.

60 Prozent finden, „dass die Politik die Benachteiligung von pflanzlichen Milchalternativen bei der Mehrwertsteuer“ beenden müsse.

Änderung der Konsumgewohnheiten
Interesse an einer Änderung der Konsumgewohnheiten bestehe in Österreich auch abseits von Laborfleisch: „46 Prozent der Befragten sagen, dass sie in den nächsten zwei Jahren weniger tierische Produkte konsumieren wollen.“ Dabei geht es vor allem um pflanzliche Optionen zu Fleisch oder Milchprodukten.

53 Prozent hoffen, dass Landwirte dabei unterstützt werden, auf einen höheren Anteil von pflanzlichen Lebensmitteln umzustellen. 50 Prozent wollen den Anteil von pflanzlichen Produkten in öffentlichen Kantinen erhöht sehen, zum Beispiel in Schulen und Krankenhäusern

Stammzellen erforderlich
Wie Laborfleisch „gezüchtet“ wird

Für die Herstellung von Laborfleisch sind Stammzellen notwendig, die aus dem Muskelgewebe eines lebenden Tieres gewonnen werden. Im Labor werden die Zellen in einem Behälter mit einer Nährlösung angereichert. Um sie zu vermehren, ist außerdem ein Wachstumsserum notwendig.

Dabei handelte es sich bei den bisher häufig angewendeten Technologien um Blut, das Kälberföten entnommen wird. Bei der Gewinnung stirbt sowohl der Fötus als auch das Muttertier. Es wird aber auch bereits mit Methoden geforscht, die ohne dieses fetale Kälberserum auskommen.

Wenn genügend Zellen herangewachsen sind, wird das Endprodukt durch einen Fleischwolf oder mithilfe eines 3D-Druckers geformt. Daraus entstehen dann etwa Burgerpatties oder Nuggets. Als erstes Land in der EU hat Italien im vergangenen Juli für ein Verbot von Lebensmitteln aus Zellkulturen gestimmt. Das ließ die Debatte in Europa aufflammen.

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