Warnung vor Kollaps

Für fast 200 Gemeinden wird‘s heuer finanziell eng

Oberösterreich
05.01.2024 13:40

Die SPÖ warnt vor dem „Finanzkollaps“ von Städten und Gemeinden - mit Verweis auf die Expertise des Zentrum für Verwaltungsforschung. Demnach wird heuer bundesweit jede zweite Kommune zur Abgangsgemeinde. LH Stelzer sieht sich mit einer Petition gegen das „finanzielle Aushungern“ der Gemeinden konfrontiert.

In Freistadt spricht der Bürgermeister von einer „dramatischen Lage“, Münzbach ist mit knapp sechs Millionen Euro im Minus, und Eferding hat für das heurige Jahr den Härteausgleich beantragt: Nur drei Beispiele, die das zu untermauern scheinen, was die SPÖ nicht erst seit gestern trommelt: „Die oberösterreichischen Gemeinden stehen zum Jahreswechsel mit dem Rücken zur Wand.“

Als Weckruf an Finanzreferent LH Thomas Stelzer (ÖVP) will SPÖ-Chef Michael Lindner diese Warnung verstanden wissen. Denn: Die Gemeinden würden vor allem deshalb in finanzielle Nöte geraten, „weil sie ihren Pflichtzahlungen an das Land OÖ nachkommen“.

Ausgaben steigen stärker als Einnahmen
Tatsächlich bestätigt eine Studie des Zentrum für Verwaltungsforschung (KDZ), dass es trotz des neuen Finanzausgleichs eine Einnahmen-Ausgabenschere in den Gemeindefinanzen gebe. So würden etwa die Ertragsanteile, die knapp 40 Prozent der Einnahmen der Gemeinden ausmachen, von 2024 bis 2027 aufgrund von Steuerreformen und Entlastungspaketen des Bundes nur um 2,5 bis 4,9 Prozent pro Jahr steigen.

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Ohne Gegensteuerungsmaßnahmen ist davon auszugehen, dass rund jede zweite Gemeinde eine negative freie Finanzspitze haben wird. Damit wird es auch schwierig die erforderlichen Investitionen - insbesondere beim Klimaschutz und im Mobilitätsbereich - zu finanzieren.

Peter Biwald, KDZ-Geschäftsführer

Indes geht des KDZ im selben Zeitraum von jährlichen Ausgabensteigerungen von sechs bis zehn Prozent aus. Vor allem bei Sach- und Personalkosten sowie der Mitfinanzierung in den Bereichen Gesundheit und Soziales seien die Kostensteigerungen für die Gemeinden enorm. Mit 429 pro Kopf wiesen die oö. Gemeinden bei der jüngsten Erhebung 2021 bundesweit den zweithöchsten negativen Transfersaldo auf.

Doppelt so viele Abgangsgemeinden
Gestützt auf die Zahlen der KDZ-Studie geht SPÖ-Chef Lindner davon aus, dass sich die Zahl der Härteausgleichsgemeinden (früher Abgangsgemeinden) in OÖ dieses Jahr von rund 90 (2023) auf knapp 200 verdoppeln werden. Zusätzlich gebe es zahlreiche - auch größere - Kommunen, die die schwarze Null nur schaffen, indem sie Rücklagen auflösen.

Kaum Geld für wichtige Maßnahmen
Für die betroffenen Gemeinden und deren Bürger bedeutet das laut der Vorsitzenden des Gemeindevertreterverbandes OÖ, Bettina Lancaster: „Weniger Möglichkeiten, um etwa das Angebot an Kinderbetreuungsplätzen auszubauen, in wichtige Klimaschutzmaßnahmen zu investieren, Vereine zu fördern oder alternative Betreuungsmodelle für Senioren auszubauen.“

Druck auf Stelzer mit Petition
Mit einer Petition gegen das „Aushungern der Gemeinden“, die am Freitag bei der SPÖ-Bürgermeisterkonferenz in Ebensee von allen Teilnehmern unterzeichnet wurde, soll nun Druck auf Stelzer ausgeübt werden. Konkret müsse es laut Lindner eine Evaluierung der derzeit geltenden „Gemeindefinanzierung neu“ und einen „OÖ-Finanztransfergipfel“ geben - damit es doch nicht zum „Finanzkollaps“ der Gemeinden kommt.

Lesen Sie auch den Kommentar von „Krone“-Redakteur Christian Ortner zum Thema:

Föderalismus in Theorie und Praxis
Die Gemeinden fordern mehr Geld vom Land, das Land fordert mehr Geld vom Bund: Das ist gelebter Föderalismus in Österreich. Eine Entwirrung der für Otto Normalverbraucher kaum nachvollziehbaren Finanzströme, die von der Politik in regelmäßigen Abständen ausverhandelt werden, wäre höchst an der Zeit. Föderalismus heißt, Teilbereiche eines Staats mit Kompetenzen auszustatten, anstatt zentralistisch zu bestimmen. Er hat aber nur dann Sinn, wenn die Gemeinden auch genügend Mittel zur Verfügung haben, um diese Kompetenzen im Sinne ihrer Bürger einzusetzen.

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