Foren-Knigge

Schwarz-Weiß-Denken: Beschränkung auf zwei Pole

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25.12.2023 06:00

In der aktuellen Ausgabe unserer Foren-Knigge beleuchten wir das klassische Schwarz-Weiß-Denken, auch bekannt als “Alles-oder-nichts-Denken”. Der Name ist Programm, denn der Begriff beschreibt die Tendenz von Menschen, komplexe Situationen auf einfache, dichotome Entscheidungen zu reduzieren, bei denen nur zwei Optionen zur Auswahl stehen. Sämtliche Zwischenstufen werden dabei ausgeblendet.

Ignorieren von Komplexität
Unser Leben ist facettenreich und bunt. Schwarz und Weiß sind dabei nur zwei Pole - die zwei am weitesten voneinander entfernten Punkte auf einer Skala voller Zwischentöne. Wenn wir nun all diese Abstufungen ignorieren, verkennen wir die Komplexität unserer Welt. Und für komplexe Problemstellungen kann es keine einfachen Lösungen geben. Unter anderem genau diesem Trugschluss unterliegen aber typische Schwarz-Weiß-Denker:innen. Sie sind damit Opfer einer Form der kognitiven Verzerrung und eines systematisch auftretenden Denk- und Wahrnehmungsfehlers.

Grundsätzlich denken wir alle manchmal in solch eng gefassten Schubladen, etwa wenn es um persönliche Präferenzen geht. So kann man Heavy Metal vielleicht absolut gar nichts abgewinnen, während man Jazz in den Himmel lobt. Das an sich ist menschlich und auch absolut nicht problematisch. Das ändert sich aber, wenn diese Art des Denkens generell zu starren und unflexiblen Ansichten führt. Dann gibt es keinen Platz mehr für Mehrdeutigkeit und die eigentliche Denkleistung wird empfindlich eingeschränkt. So reduziert sich beispielsweise alles nur noch auf „Du bist für mich“ oder „Du bist gegen mich“ und nichts darf dazwischenstehen. Im Endeffekt kann das dazu führen, dass keine anderslautenden Gedanken und Meinungen mehr akzeptiert werden. Daher sind Absolutismus, Extremismus und Exklusivität wichtige Merkmale des typischen Schwarz-Weiß-Denkens. Dabei gibt es in den allermeisten Fällen verschiedenste Aspekte eines Sachverhalts, die zu berücksichtigen sind.

„Niemand“ und „alle“
Schwarz-Weiß-Denken kann man relativ leicht entlarven, da es diesbezüglich Schlüsselwörter gibt, die exzessiv Verwendung finden. Darunter fallen etwa die Pole „nie“ und „immer“ oder „niemand“ und „alle“, genauso wie „alles“ oder „nichts“. Auch das Katastrophendenken, das Ausgehen vom absolut schlimmstmöglichen Fall, zählt in letzter Konsequenz dazu. Sätze wie „„Die aktuelle Regierung ist unser Ruin!“, sind ein typisches Beispiel dafür. Dass eine solch beschränkte Betrachtungsweise auf politischer, gesellschaftlicher und kultureller Ebene höchst problematisch ist, beweisen aktuelle Beispiele aus dem öffentlichen Diskurs. Man betrachte nur die Situation rund um dem Klimaschutz: Hier stehen mitunter radikale Umweltschützer, die die Wirtschaft lahmlegen wollen, Menschen gegenüber, die den Klimawandel komplett leugnen. Genauso gibt es in der Politik eine starke Tendenz zu Links oder Rechts, während die Mitte zusehends verloren zu gehen scheint. Dadurch werden gegensätzliche Lager quasi einzementiert und das Trennende über das Verbindende gestellt.

Schwarz-Weiß-Denken im Online-Diskurs
Eine solche Art zu denken, birgt zwangsläufig Schwierigkeiten. Nicht nur für die so Denkenden - so stellt man im Zuge dessen oft unrealistische Ansprüche an sich selbst und neigt zu ungesundem Perfektionismus - sondern auch für das Umfeld. Wie wir bereits im Artikel zur Gruppenpolarisierung erläutert haben, verstärken soziale Medien und der Diskurs im Internet die Extremisierung von Meinungen. Gerade bei Online-Diskussionen scheint oft nur ein „Richtig“ oder ein „Falsch“ zu existieren und Graustufen rücken verstärkt in den Hintergrund. Dazu führen beispielsweise auch binäre Bewertungssysteme, wie die Möglichkeit, einfach nur ein Plus oder ein Minus bezüglich einer Meinung zu vergeben. Besondere Probleme gibt es konkret hinsichtlich folgender Punkte:

  • Einschränkung der Meinungsvielfalt: Nutzerinnen und Nutzer von sozialen Medien neigen dazu, sich zunehmend nur für ihre eigene Meinung zu interessieren. Das bedeutet letztendlich, dass in den Netzwerken häufig nur noch zwei extreme Meinungen vorherrschend sind. Dies kann die Demokratie schädigen, da es den Dialog und die Auseinandersetzung mit unterschiedlichen Meinungen einschränkt. 
  • Radikalisierung und Feindseligkeit: Schwarz-Weiß-Denken kann zu Hass und Anfeindungen führen. Gerade Hassreden liegt oft extremes Schwarz-Weiß-Denken zugrunde. Menschen werden in dem Fall nur noch über ihre Herkunft, ihr Aussehen oder andere Merkmale, auf die sie keinen Einfluss haben, definiert (jemand ist dann nur noch „der Ausländer“ oder „die Muslimin“) und alle Handlungen und andere Eigenschaften darauf heruntergebrochen. Das hat natürlich schädliche Auswirkungen auf unsere Gesellschaft. 

  • Streit und Konflikte: Durch dieses Lagerdenken kommt es vermehrt zu Missverständnissen und Feindseligkeiten. Man verlässt den sachlichen Boden einer Diskussion und driftet dann ganz rasch in Respektlosigkeiten und Streitigkeiten ab.  

  • Polarisierung der Gesellschaft: Gerade die Digitalisierung und soziale Medien haben das Potential, die Gesellschaft verstärkt zu spalten. Die Gruppenbildung in „Freund“ und „Feind“ ist hier ein großes Problem, auch hier sei wieder auf die Gruppenpolarisierung verwiesen. 

So denken Sie in allen Farben
Auch gegen diese problematische Denkweise gibt es verschiedene Lösungsstrategien:

  • Perspektivenübernahme: Versuchen Sie, sich nicht nur auf Ihre eigene Meinung zu konzentrieren, sondern auch die Ansichten anderer zu berücksichtigen. Dies kann dazu beitragen, ein ausgewogeneres Verständnis von Themen zu entwickeln.
  • Vermeidung von Extremen: Bemühen Sie sich darum, nicht in Extremen zu sprechen und demzufolge auch nicht zu denken. Denn unsere Sprache ist machtvoll: Wie wir sprechen, beeinflusst unsere Gefühlswelt. Machen Sie sich also immer wieder bewusst, dass Generalisierungen und Übertreibungen nicht zielführend sind und konzentrieren Sie sich stattdessen auf die Zusammenhänge einer Problematik.
  • Förderung des Dialogs: Fördern Sie nicht nur in Gesprächen von Angesicht zu Angesicht, sondern auch online einen offenen und konstruktiven Dialog. So können Missverständnisse vermieden und eine angenehme Gesprächsatmosphäre geschaffen werden. 
  • Bewusstsein für kognitive Verzerrungen: Seien Sie sich bewusst, dass unser Gehirn manchmal zu Extremismus, Schubladendenken und simplen Kategorien neigt. Versuchen Sie, diese Tendenzen zu erkennen und auch zu hinterfragen.

  • Selbstreflexion: Überprüfen Sie regelmäßig Ihre eigenen Denkmuster und hinterfragen Sie, ob Sie dazu neigen, in Schwarz-Weiß-Kategorien zu denken. Ist das bei Ihnen der Fall, bemühen Sie sich, bewusst dagegen vorzugehen. 

Alles-oder-nichts-Denken hat kaum Vorteile. Das Herunterbrechen von komplexen Themen auf zwei Pole kann zwar manchmal Klarheit schaffen oder in gewissen Situationen bei der Entscheidungsfindung helfen, demgegenüber stehen aber viele Probleme, welche diese Denkweise birgt. Ein ausgewogener Ansatz, der sämtliche Nuancen der Wirklichkeit berücksichtigt, ist in jedem Fall nicht nur näher an der Realität, sondern auch gesünder. Halten Sie sich dies vor Augen, um in den Genuss aller Farbabstufungen des Lebens zu kommen.

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