Abschieds-Interview

Nader beendet Karriere: „War kein Weltmeistertyp“

Sport-Mix
02.12.2023 06:30

Im April wollte es Österreichs Box-Star Marcos Nader noch einmal wissen. Aber im Kampf um den IBF-International-Titel ging er K.o. Acht Monate danach steht fest: Es ist Schluss! Im exklusiven Abschieds-Interview mit der „Krone“ im Boxclub Bounce über die Gründe, sein Karriere-Highlight, einen Abschiedskampf und einen möglichen Quereinstieg in die Politik, gab sich der 33-Jährige überraschend selbstkritisch.

„Krone“: Dein letzter Kampf ist acht Monate her. Du gibst hiermit dein Karriereende bekannt. Wieso hat diese Entscheidung so lange gedauert?
Marcos Nader: Weil ich mir Gedanken gemacht habe, ob ich weitermachen will, ob’s überhaupt einen Sinn macht. Man hat auch an den letzten Leistungen gesehen, dass ich nicht auf der Höhe war. Ich war zwar vielleicht der bessere Boxer, bin aber dann in Schläge gelaufen, die nicht passieren dürfen und habe die Kämpfe dann auch verloren. Unterm Strich brennt auch nicht mehr so das Feuer, wie’s früher einmal war.

Wie sehr schmerzt der Abschied?
Bis jetzt noch gar nicht. Ich habe mittlerweile so viele andere Verpflichtungen und jeder Leistungssportler weiß, dass es mit zwei Kindern nicht einfacher wird. Ich habe seit meiner Niederlage im April nicht einmal die Boxhandschuhe angehabt. Ich mache den Sport seit meinem siebenten Lebensjahr, seit meinem zehnten kämpfe ich regelmäßig, habe mit den Profikämpfen über 150 gemacht. Das ist schon einiges.

Wie sehr hat die Entscheidung private Gründe? Ich spreche die Parkinson-Erkrankung von deinem Bruder und Trainer Daniel an …
Ich will gar nicht zu viel über die Krankheit meines Bruders reden. Aber natürlich ist auch die schwere Erkrankung ein weiterer riesiger Faktor, aber nicht der Hauptgrund.

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Es haben schon ein paar Farben bei mir angefragt. Da habe ich auch ein paar Chat-Protokolle.

Box-Pensionist Marcos NADER über einen Quereinstieg in die Politik

Wird man dich noch einmal im Ring sehen? Stichwort Abschiedskampf.
Wir wollen nächstes Jahr im Dezember einen Abschiedskampf machen. Ich will aber keinen Gegner, der von einem Luftstoß umfällt. Das war nie unser Ziel, solche Gegner zu haben. Außerdem ist das auch nicht in meinem Interesse. Ich will mich da noch einmal richtig reinhauen und mich beim Publikum verabschieden.

Du wurdest EBU-EU-Champion, IBF-International-Champion und österreichischer Meister. Wie zufrieden blickst du auf deine Karriere zurück?
Ich bin sehr zufrieden, aber es wäre noch viel mehr gegangen. Zum Beispiel noch einmal Europameister zu werden, um eine Weltmeisterschaft zu boxen oder selbst Weltmeister zu werden. Ich war Platz fünf der Welt, das wird man auch nicht einfach so, auch wenn’s uns nachgesagt wird. Aber wieso soll mir die IBF Ranglisten-Plätze schenken? Viele Österreicher gab’s nicht, die in den Top-Fünf der Welt waren. Aber man muss auch die Kirche im Dorf lassen: Ich war talentiert und gut, doch einfach kein Weltmeistertyp. Ich trauere aber nichts nach.

Wenn du deine Karriere an einem einzigen Highlight festmachen müsstest, wäre das …?
Die EBU-Meisterschaft gegen Roberto Santos, bei der der erste Kampf zu Unrecht unentschieden ausging und ich den Titel im zweiten gewinnen konnte.

Du hast es angesprochen, warst einst fünfter der Welt. Wie geht’s dir, dass du deine Karriere nach den einzigen zwei K.os. deiner Laufbahn beenden musst?
Das ist natürlich vollkommen scheiße und macht mich traurig! Aber es ist halt so. Auch wenn ich über die ersten Runden besser war - beim Boxen entscheidet ein Schlag. Und wenn man da nicht die Deckung oben hat, nicht verteidigt oder aufmerksam ist, liegt man am Boden. Der Boxsport ist wie das wahre Leben.

Gibt’s etwas, das du dir während deiner Karriere ankreiden kannst?
Natürlich! Bei mir hat über die Jahrzehnte der Killerinstinkt gefehlt. Das hat man in meinen Kämpfen gesehen. Ich war gut, ich habe gemerkt ich bin vorne und das war für mich ausreichend. Deshalb habe ich die Gegner dann nicht so gefinished, wie’s sein hätte können. Aber wem soll ich die Schuld geben? Es war meine Schuld, weil ich beim Training vielleicht ein bisschen „owezaht“ habe. Das war nach meinem Comeback öfter der Fall. Und das ist auch der Unterschied, um ganz oben mitzuwirken.

Was bedeutet es für den Boxsport in Österreich, wenn du, als jahrelanges Aushängeschild, nicht mehr aktiv bist?
Ich bin weiterhin da und werde die Jungs und Mädels unterstützen. Wir haben hinten nach viele Sportler, die genauso ein Zugpferd werden können und zum Teil auch schon sind. Aber wir sind nicht der einzige Boxverein in Österreich. Es gibt viele gute Boxställe. Dass der Boxsport wieder salonfähig und interessant ist, haben wir schon geschafft. Das macht mich stolz, denn mein Bruder und ich haben in Österreich sicher einen großen Teil dazu beigetragen.

Marcos Naders Karriere in Zahlen

  • Kampf-Record25 (6x K.o.) Siege - 3 (2 K.o.) Niederlagen - 1 Unentschieden
  • 2007: Jüngster österreichischer (Amateur-)Meister seit 1927
  • 14. April 2013: erster EU-Champion Österreichs
  • 13. Oktober 2018: Österreichischer Meister
  • 13. April 2019: IBF-International-Champion
  • 2021: Erster Österreicher unter den Top-Fünf der IBF-Weltrangliste

Gibt es jemanden, dem du den Schritt in deine Fußstapfen besonders zutraust?
Ich bin mir ziemlich sicher, dass es ein Marcel Meinl und ein Arsen Chabyan noch viel weiter schaffen können als ich. Auch von ihrer Persönlichkeit her. „Pflaumenpeter“ Marcel ist sowieso mein kleiner Liebling. Den kenne ich schon seit er ein kleines Kind ist. Michaela Kotaskova ist sicher eine, die dem Frauen-Boxsport sehr gut tut.

Die Bounce Fight Night organisierst du zu einem Großteil mit. Du hast das Projekt „Boxen x Schule“ ins Leben gerufen. Wird man dich als Event-Manager oder gar in der Politik wiederfinden?
(Lacht) Es haben schon ein paar Farben bei mir angefragt. Da habe ich auch ein paar Chat-Protokolle. Ich sage niemals nie. „Boxen x Schule“ ist mein Baby, da ist mein Ziel und Wunsch in jedem Bezirk mindestens eine Schule zu haben, in der Boxen unterrichtet wird. Das schaffe ich aber nur mit einer Unterstützung der Stadt Wien. Aber ich bin da lästig und werde schauen, dass ich das schaffe.

Wie sehr freuen sich deine Frau und Tochter, dass der Papa jetzt nicht mehr mit Nasenbeinbrüchen und blauem Auge heimkommt?
Meine Frau hätte gerne gehabt, dass ich weiterboxe. Vermutlich eine der wenigen Partnerinnen, die das wollen. Aber sie respektiert das und es wird ihr taugen, dass ich’s nicht mehr mache, weil es einfach eine Zeitfrage ist. Meine Tochter bekommt’s noch nicht so mit, weil sie nie zu einem Boxkampf und einer Veranstaltung kommen durfte.

Deine letzten Worte als aktiver Sportler?
Ich hatte eine schöne Karriere, mein ganzes Leben und alles, was ich habe, verdanke ich dem Boxsport. Ich hab’s schön gehabt und lass es jetzt bleiben. Ich bin stolz darauf, dass ich einer derjenigen bin, der dem Boxsport einen Push gegeben hat. Aber jetzt freue ich mich auf meine Pension.

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(Bild: KMM)



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