Darum leidet Tradition

Auflagenflut, hohe Kosten: Immer weniger Zeltfeste

Tirol
21.05.2023 10:07

Feste stärken gerade in der warmen Jahreszeit das Gemeinschaftsgefühl in den Orten, dahinter stecken meist Vereine. Aber welcher Tiroler Verein tut sich das noch an? Bevor das erste Bier gezapft wird, sind 1000 Auflagen zu beachten. Und mit Pech wartet der Staatsanwalt. Wir beleuchten, warum das Organisieren herausfordernder wird und manches ins Wasser fällt.

Ein Festzelt auf der grünen Wiese, Biertische, Musik – früher schien dies irgendwie einfacher zu sein und in gefühlt jedem zweiten Tiroler Dorf zelebrierte man im Sommer solche geselligen Ereignisse.

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Wenn etwas passiert, muss jemand den Kopf hinhalten.

(Bild: zVg)

Richard Kratzer, Geschäftsführer Tiroler Zeltverleih

Die Gründe für den „Abwärtstrend“
„Seit mehr als 15 Jahren ist ein Abwärtstrend da“, sagt einer, der es genau wissen muss. Richard Kratzer ist Geschäftsführer des Tiroler Zeltverleihs in Telfs. Wo früher Sportvereine, Feuerwehren, Schützen oder Jungbauern ein Zelt aufstellten, herrscht heute oft gespenstische Ruhe. Kratzer ortet einen Mix an Gründen für diesen Trend.

  • Gesellschaftlicher Wandel: „Die Leute sind individualistischer geworden, gehen am Abend lieber alleine Biken statt im Verein mitzuhelfen.“ Wenn immer dieselben fünf „Hanseln“ die Hauptarbeit machen, könne dies frustrierend sein.
  • Sicherheitsauflagen: „Die Rettungsbereitschaft für ein Wochenende kann locker 5000 Euro kosten. Ab 1500 Personen ist ein eigenes Sicherheitskonzept nötig. Für ein Festzelt ist eine Bauanzeige nötig, viele Gemeinden stellen dann auch unkompliziert einen Bescheid aus. Doch manche nehmen es sehr genau, da sind wir dann schnell bei Sachverständigen für Brandverhütung.“
  • Teuerung: Die Unkosten steigen, die Preise für Eintritt bzw. Speis und Trank können aber nicht beliebig in die Höhe getrieben werden. Am Ende ist der Gewinn meist sehr überschaubar.
  • Haftungsfragen: „Wenn etwas passiert, muss jemand den Kopf hinhalten“, gibt Kratzer zu bedenken. Und das Risiko, wenn Tausende feiern, sei nie zu unterschätzen. Gerichtsurteile schüren die Ängste: So rutschte ein betrunkener Feuerwehrball-Besucher in einem Tiroler Gemeindezentrum auf einem abgetretenen und nicht mehr rutschfesten Kunststoffbelag aus. Der OGH erkannte einen „Baumangel“ und gab der Klage in der Höhe von 57.500 Euro am Ende des Tages auch statt.

Appell an die öffentliche Hand
Kratzer hat weitere Standbeine, etwa Zelte für Firmenevents oder Hochzeiten. Trotzdem lautet sein Appell: „Das Gemeinnützige macht Tirol aus, das müssen wir erhalten.“ Er schlägt vor, dass die öffentliche Hand die Versicherung für Feste übernehmen soll.

Bevor der gemütliche Teil starten kann ...
... gibt es viel Arbeit. Hohe Auflagen sind zu erfüllen.

Vereinsobmann: „Zahlen auch für Polizei“ 
Das Pfingstfest des Sportvereins Prutz hat eine 48-jährige Tradition, doch der Verein hat sich gegen die Fortsetzung nach der Pandemie entschieden. Obmann Alexander Jäger erklärt im „Krone“-Interview die Gründe.

„Krone“: 2019 gab es das legendäre Pfingstfest zum letzten Mal. War es ein Erfolg?
Alexander Jäger: Der Kassasturz war eher bescheiden, in einem früheren Jahr hatten wir sogar Rückzahlungen an das Finanzamt zu leisten. Als gemeinnütziger Verein ist man für das Fest leider steuerpflichtig.

Gleichzeitig sind die Kosten gegenüber früheren Jahren gestiegen? 
Die Gesamtkosten für Zelt, Musik und Sicherheit summieren sich auf fast 100.000 Euro. Und dass man als Veranstalter auch für die Abstellung von zwei Polizisten extra zahlen muss, dürfte nicht jedem im Land Tirol bekannt sein.

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2012 sang der aufstrebende Andreas Gabalier bei uns, insgesamt kamen 5500 Leute und wir verkauften mehr als 10.000 Liter Bier. Das sind Highlights, die es wohl nie wieder gibt.

(Bild: SPG Prutz-Serfaus)

Alexander Jäger, Obmann der SPG Prutz-Serfaus

Wie hoch ist der personelle Aufwand für ein solches Großereignis? 
Wir hatten meist 330 bis 350 freiwillige Helfer. Nicht nur aus dem Fußballverein, sondern auch darüber hinaus. Diese enorme Truppe zusammenzubringen, ist schwieriger geworden. Einst war nach dem Pfingstfest sogar ein Fest für die Helfer drin, mit gratis Speis und Trank.

Blickt man mit Wehmut auf das Ende?
Natürlich gibt es viele tolle Erinnerungen. Ich selbst war insgesamt 26-mal beim Aufstellen des Zeltes dabei. 2012 sang der aufstrebende Andreas Gabalier bei uns, insgesamt kamen 5500 Leute und wir verkauften mehr als 10.000 Liter Bier. Das sind Highlights, die es wohl nie wieder gibt.

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