Jetzt wartet Spanien

Marokko schreibt Geschichte und träumt weiter

WM 2022
02.12.2022 07:30

Ein leidenschaftlich kämpfendes Team, das seiner Bezeichnung „Atlas-Löwen“ alle Ehre machte, hat Marokko in einen Freudentaumel gestürzt. Durch einen 2:1-Sieg gegen Kanada hat Marokko bei einer Fußball-Weltmeisterschaft zum ersten Mal seit 36 Jahren wieder die K.-o.-Runde erreicht. „Wir haben heute Geschichte geschrieben“, jubelte Stürmerstar Hakim Ziyech. Nun wartet als Zugabe Spanien im Achtelfinale.

Fans, Spieler, Trainer, Reporter: An diesem großen Tag des marokkanischen Fußballs verschwammen die Grenzen ins Unkenntliche. Die Spieler kletterten auf die Tribüne, um ihre Eltern zu herzen. Einige Journalisten stellten ihre Fragen in rot-grünen Nationaltrikots. Im Al-Thumama Stadium von Doha war an diesem Donnerstag alles möglich.

Dabei waren die Rollen in der Gruppe F vor der WM scheinbar klar verteilt. Für Vize-Weltmeister Kroatien und den Weltranglisten-Zweite Belgien schienen die beiden Aufstiegsplätze reserviert, Marokko und Kanada sollten sich Platz drei ausmachen. Marokko hatte anderes vor. „Wir sind nicht hierhergekommen, um nur mitzuspielen oder zu sagen: Wir hätten es fast in die K.o.-Runde geschafft“, sagte Trainer Walid Regragui. „Warum sollten wir nicht davon träumen, den Pokal in die Höhe zu stemmen? Es wird noch viel von uns kommen. Wir sind eine schwer zu schlagende Mannschaft“, erklärte er in der Euphorie nach dem Aufstieg als ungeschlagener Gruppensieger.

Auch Noussair Mazraoui gab sich nach dem Coup voller Selbstvertrauen. „Von jetzt an ist alles möglich. Ich habe schon vor dem Beginn der WM gesagt: Wir können Weltmeister werden. Wenn du dieses Selbstvertrauen nicht hast, dann wirst du es nicht schaffen“, sagte der Außenverteidiger von Bayern München. „Ich sage nicht: Wir werden das Turnier gewinnen. Aber wir können es gewinnen.“

Keine Revanche gegen Deutschland
Schon einmal standen die Marokkaner im Achtelfinale. 1986 in Mexiko verloren sie in der K.-o.-Runde gegen Deutschland 0:1 - Lothar Matthäus schoss damals erst in der 87. Minute das entscheidende Tor. Zu einem neuerlich möglichen Duell mit den Deutschen kommt es diesmal nicht, nun will Marokko gegen die Spanier seine Geschichtsschreibung fortsetzen.

Am Donnerstag machten sich die Nordafrikaner durch Tore von Ziyech (4.) und Youssef En-Nesyri (23.) schnell unabhängig vom Verlauf des Parallelspiels der beiden europäischen Gruppengegner. Die passive zweite Halbzeit passte danach nicht ganz in das Bild, dass Regraguis Team bei dieser WM schon gegen Kroatien (0:0), Belgien (2:0) und in der ersten Hälfte des Kanada-Spiels abgab.

Denn die Marokkaner bringen alles mit, was sie für jeden Achtelfinal-Gegner zumindest zu einem sehr unangenehmen Gegner werden lassen. Sie haben die individuelle Klasse eines Ziyech (Chelsea), En-Nesyri (FC Sevilla), Achraf Hakimi (Paris Saint-Germain) oder Mazraoui (Bayern München). Und sie verbinden das mit einer taktischen Disziplin und Stabilität, an der sich schon der WM-Zweite Kroatien und der WM-Dritte Belgien die Zähne ausbissen. Kanadas Teamchef John Herdman hob deren Qualität hervor: „Das ist ein Top-Team. Ihre Spieler spielen bei den besten europäischen Klubs.“ Vor allem Hakimi sei „ein Krieger“.

Turbulenter Weg ins Achtelfinale
Die Marokkaner sind tatsächlich abgehärtet, denn ihr Weg in dieses WM-Achtelfinale war sehr turbulent. Die Qualifikation bestritt das Team noch unter dem erfahrenen Bosnier Vahid Halilhodzic, der in seiner langen Trainerkarriere bereits Japan, Algerien und die Elfenbeinküste zu einer Weltmeisterschaft geführt hatte. Doch der 70-Jährige warf Stars wie Ziyech und Mazraoui aus disziplinarischen Gründen aus dem Kader und ließ sich dadurch auf einen Machtkampf ein, den er nur verlieren konnte. Halilhodzic wurde noch vor dem Turnier gefeuert und kündigte an, aus Frust kein einziges WM-Spiel zu sehen.

Seinen Nachfolger Regragui warfen die Spieler nach dem Sieg gegen Kanada im Kollektiv in die Luft. „Wir haben mit unseren Herzen und für unser Land gespielt“, sagte der Abwehrspieler Romain Saiss von Besiktas Istanbul. „Und wir werden an diesem Punkt nicht stoppen. Wir wollen zeigen, dass wir es noch besser können.“

Das wäre ganz zur Freude der rund 30.000 Fans, die das Team in Katar unterstützen und die Matches zu Heimspielen verwandeln, und jenen, die in der Heimat mitfiebern. In der Hauptstadt Rabat und anderswo zogen Zehntausende Fußballanhänger nach dem Sieg gegen Kanada auf die Straßen. Sie tanzten, schwenkten Fahnen und zündeten Feuerwerk. Auch die heimische Presse reagierte begeistert. „Das marokkanische Team wiederholt den Erfolg von 1986“, titelte die Nachrichtenseite Hespress. Der Fernsehsender 2M schrieb auf seiner Internetseite: „Dies ist ein Moment für die Geschichte.“

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