Die heilende Wirkung von Musik ist unangezweifelt. Einen weiteren Beweis dafür lieferte am Sonntagabend Kirill Petrenko im Konzert mit den Berliner Philharmonikern. Wegen der Folgen seines Fußbruchs musste der Dirigent das zweite Konzert bei den Salzburger Festspielen absagen, doch bei Mahlers Siebter war statt Schmerz nur Freude zu sehen und hören.
Zu Beginn des Sommers wurde Petrenko bereits operiert und muss sich auf ärztlichen Rat hin weiter schonen, so schrieben es dieSalzburgerFestspiele in ihrer Aussendung, in der sie am vergangenen Mittwoch mitteilten, dass Daniel Harding das zweite Konzert der Berliner Philharmoniker im Großen Festspielhaus leiten würde. Doch das erste Konzert mit Mahlers Siebter ließ sich der Chefdirigent der Berliner nicht nehmen. Bereits am vergangenen Freitag hatten Orchester und Dirigent mit dem kolossalen Werk ihre Saison in Berlin eröffnet. Doch wie kann man sich bei einer Symphonie diesen Ausmaßes schonen? Am Dirigentenstuhl war eine kleine Fußstütze angebracht worden, doch diese sollte nur äußerst selten zum Einsatz kommen.
Mit geradezu unbändiger Lust stieg Petrenko ins Adagio ein, das eigentlich dunkel anmutend und schwer zwischen Dur und Moll schwankend daher kommt. Mahler selbst betonte jedoch trotz oft gegenteiliger Aufnahme durch Zeitgenossen, wie heiter und humoristisch der Tonfall seiner Symphonie wäre. Diese Annahme teilt der Dirigent offensichtlich mit dem Komponisten. Mit vollem Körpereinsatz leitete er das Tenorhorn durch die Melodielinien und akzentuierte Streicher und Bläser scharf durch die Tiefen, stets mit einem Lächeln auf den Lippen. Diese sehr beschwingte und fröhliche Herangehensweise gab Mahlers als relativ schwer geltendem Werk einen ganz neuen Deutungsspielraum und machte den ersten Satz wortwörtlich zur Ouvertüre dessen, was noch kommen sollte.
Auch in den beiden Nachtmusiken, die Mahler wesentlich ruhiger und introvertierter komponierte, hielt Petrenko die Spannung. Das wirkte geradeso, als hätten die Nachbarn bei seiner Party geklopft und gebeten, ein wenig ruhiger zu sein, woraufhin man zwar die Musik leiser dreht, jedoch nicht weniger ausgelassen feiert. Zum Finale folgte dann, wie bereits im Adagio angekündigt, die ganz große Mahler-Feier. Kaum hatte Petrenko abgewunken, brachen die Bravorufe und der große Jubel auch schon über Dirigent und Orchester herein. Das Publikum war bis auf den letzten Platz außer sich vor Begeisterung. Nur Petrenkos Arzt wird dies vermutlich gar nicht sein, denn Schonung sieht definitiv anders aus.
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