Zu ÖVP, Corona & Co.

Stelzer-Interview: „Müssen Sanktionen überprüfen“

Oberösterreich
19.08.2022 06:00

Oberösterreichs Landeshauptmann Thomas Stelzer über die Krise der ÖVP und Karl Nehammer. Er zeigt sich skeptisch gegenüber Treffsicherheit der Russland-Maßnahmen.

Er kann als einer der wenigen ÖVP-Landeshauptleute entspannt sein. Vor elf Monaten wählte Oberösterreich. Damals gab es noch ein kleines Plus für Landeshauptmann Thomas Stelzer. Davon können Johanna Mikl-Leitner, Wilfried Haslauer und Anton Mattle nur träumen. Im „Krone“-Sommerinterview spricht er über die Sanktionen und die ÖVP.

„Krone“: Sie haben vor elf Monaten ein Plus bei den Landtagswahlen errungen. Wahrscheinlich das letzte Mal für längere Zeit für die ÖVP. Fühlen Sie sich als Glückskind, dass der Moment auf Ihrer Seite war?
Thomas Stelzer: (lacht). Als ÖVP sind wir fast so stark wie der Zweite und Dritte gemeinsam. Und wenn ich ganz ehrlich bin: Ja, ich bin froh, dass ich in einer laufenden Legislaturperiode bin.

Ihr Vorgänger Josef Pühringer meinte im Jahr 2014 in Richtung Bundes-ÖVP, „es müsse dringend was passieren“, es reicht nicht, bei 20 Prozent „herumzugrundeln“. Jetzt ist die ÖVP in einer ähnlichen Situation. Keine Forderung an die Bundes-ÖVP, sich zu konsolidieren?
Wir haben seit zweieinhalb Jahren einen Dauerkrisenbetrieb. In dieser Situation die Hauptverantwortung zu tragen, ist etwas, was man vorher so nicht kannte. Man muss Vertrauen wieder zurückgewinnen, indem man seine Aufgaben erfüllt, auch wenn der Gegenwind heftig ist.

Umfragen sind in so einer Situation eher eine Nebensache für Sie?
Natürlich schauen alle Politiker auf Umfragen. Am Ende zählt aber das Ergebnis vom Wahltag. Und von einem Wahltag im Bund sind wir weit entfernt. Wir müssen die Aufgaben und die Verantwortung so wahrnehmen, dass die Leute das respektieren und sagen: Die machen ihr Handwerk gut.

Tatsache ist aber auch, dass die schlechten Umfragewerte auch den ÖVP-Skandalen geschuldet sind. War die Phase von Sebastian Kurz für die ÖVP ein Gewinn oder ein immenser Schaden?
Ja, wir sind hoch geflogen. Wir haben jetzt eine ganz andere Situation und eine Hinterlassenschaft aufzuarbeiten. Das ist offensichtlich und gehört transparent gemacht. Es bringt aber nichts zu sagen, da hatten wir über 30 Prozent, und der Kanzler hat anders agiert. Wir leben im Heute, und die Menschen erwarten sich auch heute Lösungen für ihre Probleme.

Arbeitet Karl Nehammer diese Hinterlassenschaft zu wenig auf, wenn er sagt, dass die ÖVP kein Korruptionsproblem hat? Ihr Kollege Wilfried Haslauer meinte im „Krone“-Interview, dass sich die ÖVP auch die Frage stellen muss: Was ist zwar legal, aber was tut man trotzdem nicht?
An Politiker gab es immer höhere Erwartungen. Deswegen muss man bei jeder Handlung hinterfragen, ist das auf Punkt und Beistrich, was das Recht vorgibt und wie liegt das im Auge des Betrachters? Wenn aber der Rechtsstaat Causen kontrolliert, dann müssen auch für die politischen Vertreter die rechtlichen Rahmenbedingungen gelten. Da kann es kein Zwei-Klassen-System in der Beurteilung geben.

Wird Kanzler Karl Nehammer 2024 der ÖVP-Spitzenkandidat sein?
Er ist unser Bundesparteiobmann, er ist der Bundeskanzler in dieser Periode. Was wir dann bei einer Wahl machen, das werden wir so wie immer gemeinsam beraten und entscheiden.

Sie legen sich jetzt nicht fest?
Wir haben es gesehen, wie schnell sich in der Politik etwas ändert. Ich bin froh, dass er Bundeskanzler ist, dass er die Sache sehr gut macht, und das soll er in dieser Periode auch weiter tun.

Sie haben selbst mit den Förderungen für den Seniorenbund ein Imageproblem. In Vorarlberg gibt es den Wirtschaftsbundskandal. Sollte sich die ÖVP nicht neue Transparenz-Regeln geben?
Was sicher stimmt, ist, dass sich die Dinge weiterentwickeln. Die Usancen, die früher gelebt und akzeptiert wurden, passen nicht mehr in die Jetztzeit. Da bin ich auch sehr dafür, dass wir das an heute anpassen und Schritte nach vorne setzen. Ob man das immer gleich in ein Regelwerk gießen muss, weiß ich nicht. Wichtig ist, dass wir bei der Personalauswahl gut hinschauen. Wichtig ist, dass wir auch genau hinschauen, was geht und was geht nicht.

Kommen wir zu Corona: In Oberösterreich waren die Corona-Regeln oftmals strikter als in Rest-Österreich, etwa der längere Lockdown 2021. Sie haben das Ende der Quarantäne gefordert. Fühlen Sie sich mit dieser Entscheidung wirklich wohl?
Das Virus wird bleiben. Ob wir uns wohlfühlen oder nicht, wir müssen es akzeptieren. Jetzt haben wir auch mehr Möglichkeiten, uns zu schützen. Die Frage der Quarantäne geht für mich tiefer. Quarantäne heißt auf den Punkt gebracht: Der Staat sperrt dich ein. Ich bin immer erstaunt, wie leicht gesagt wird, verlängern wir diesen Zustand. Das sind unsere grundlegendsten Rechte. Das wiegt für mich sehr stark. Deswegen muss der Staat abwägen, wie viel darf sich der Staat ins Privatleben einmischen, um die Allgemeinheit zu schützen.

Beim Suizid von Ärztin Lisa-Maria Kellermayr nach Dauerangriffen von Impfgegnern und anonymen Hatern haben Sie erstaunlich lange nicht reagiert, auch nicht in den sozialen Medien. Hätten Sie sich da nicht mehr mehr ins Zeug legen müssen, um Hass im Netz entgegenzutreten?
Dieser Suizid ist eine furchtbare Tragödie. Wir haben über die Gesundheitslandesrätin sehr schnell unser Mitgefühl ausgedrückt. Ich bin auch sehr dafür, dass wir das Bewusstsein, dass in der Gesellschaft nicht alles gesagt werden kann und darf, schärfen. Und wir müssen die Exekutive mit besseren Möglichkeiten ausstatten. Der Fall hat gezeigt, dass wir hier an Grenzen stoßen, wo ein Staatsorgan nicht drüber kann. Daher braucht es hier eine Nachschärfung der Gesetze.

Über Stelzers Rolle

Bei seiner ersten Landtagswahl als LH kam Thomas Stelzer im Herbst 2021 mit seiner OÖVP auf knapp 37,6 Prozent der Stimmen - ein leichtes Plus, aber nicht der erhoffte Sprung zurück über 40 Prozent wie früher. Er verlängerte die schwarz-blaue Koalition mit der eher Kickl-kritischen Oberösterreich-FPÖ und hofft darauf, dass das Bundesland aus den Krisen gestärkt hervorgeht. Dass die Wirtschaft immer noch mehr denn je brummt, stimmt ihn jedenfalls vorsichtig optimistisch.

Die FPÖ, ihr Koalitionspartner in Oberösterreich, ist strikt gegen die Sanktionen gegen Russland. Ist das für Sie und Manfred Haimbuchner ein Streitthema?
Wir diskutieren darüber, aber dieses Thema ist keines, das uns miteinander Schwierigkeiten bereitet. Klar ist, die Sanktionen treffen auch uns selber, das ist ein Preis, den wir alle miteinander zahlen, um hoffentlich Frieden zu stiften. Darum ist es aber auch wichtig, immer wieder die Sanktionen zu prüfen. Haben sie noch die Wirkung, den Frieden herbeizuführen, oder ist das schon eher am Kippen und wendet sich eher gegen uns selber und gegen das Fortkommen unserer Volkswirtschaft, gegen den sozialen Zusammenhalt? Und darum sind für mich die derzeit wirksamen Sanktionen nicht ewig in Stein gemeißelt, sondern man muss immer prüfen, ob man sie verbessern oder die Treffsicherheit erhöhen kann.

Ebenso wichtig wie die Sanktionen ist auch das Ziel von Russland unabhängiger zu werden. Oberösterreich könnte da mit dem stillgelegten Kohlekraftwerk Riedersbach einen wichtigen Beitrag leisten...
Wir prüfen dahingehend auch gerade Möglichkeiten, ob wir das stillgelegte Kohlekraftwerk Riedersbach wieder in Betrieb nehmen können.

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