Ingo Gstrein:

„Das Bundesheer ist eine Art Super-Firma“

Tirol
10.01.2021 13:30

Der Imster Ingo Gstrein (46) leitet seit 1. April das Militärkommando Tirol. In der Geschichte des Bundesheeres ist es ein Novum, dass während eines laufenden Einsatzes ein Generalstabsoffizier die Führung eines Kommandos übertragen bekommt und sich neun Monate später immer noch in demselben Einsatz befindet.

„Krone“:Herr Brigadier Gstrein, wie können Sie heute Ihre Erfahrungen, Eindrücke und Gefühle beschreiben, als Sie am 1. April, Corona-bedingt ohne Miteinbindung der breiten Öffentlichkeit, mit der Leitung des Militärkommandos Tirol betraut wurden?
Gstrein: Glücklicherweise bin ich schon mit Ende Jänner 2020 für die Einweisung und Übergabe durch meinen Vorgänger wieder zurück nach Tirol gekommen. Mit 23. Februar befanden wir uns dann schon im Corona-Einsatz und bauten unsere Verbindungen zum Land auf, wobei am 25. Februar die ersten zwei an Corona Erkrankten in Innsbruck auftraten. Von da an wurden die Maßnahmen dann Schlag auf Schlag nach oben geschraubt.

Was waren die genauen Aufgaben des Bundesheeres?
Wir begannen, bei den Gesundheitskontrollen an den Landesgrenzen die Behörden zu unterstützen, wobei hier auch die Angehörigen der Militärmusik fernab ihres sonstigen Aufgabengebietes eingesetzt wurden. Die Gesundheitskontrollen und die Unterstützung beim Ausreisemanagement dehnten sich dann auf die drei ersten Quarantänegebiete, St. Anton, Ischgl und Sölden aus. Beim ersten Lockdown waren unsere Logistikexperten im Unterstützungseinsatz bei Lebensmittelgroßhändlern, um die Versorgung der Bevölkerung aufrechtzuerhalten.

Wie viele Soldaten waren in Tirol im Einsatz?
Mit Ende März 2020 hatten wir über 550 Soldatinnen und Soldaten in den unterschiedlichsten Aufgabenbereichen im Einsatz. Die Übernahme des Militärkommandos am 1. April fiel in den Lockdown. Deshalb war ein wie sonst gewohnter militärischer Festakt nicht möglich – es gab eine asketische Kommando-Einsatzübergabe mit einer Handvoll Beteiligter. Die Gefühle, welche mitspielten, waren weder fröhlich noch traurig. Es war eine eigenartige, aber sehr würdige Atmosphäre.

Unter Ihrer Kommandoführung wurden mit Anfang Mai – auch als Novität in der Geschichte der Republik – Milizsoldaten zu einem Einsatz einberufen. Wie gestaltete sich diese Herausforderung für Sie und Ihre Mitarbeiter?
Die Lageentwicklung war nicht gezielt vorhersehbar, deswegen wurden die Milizsoldaten für die Unterstützung der Polizei im Rahmen eines Grenzeinsatzes ausgebildet. Dabei waren natürlich auch die wirtschaftlichen Interessen der Republik Österreich abzuwägen: Fehlt diese Person jetzt in einem systemrelevanten Bereich, oder ist der Einsatz im Rahmen des Bundesheeres wichtiger? Ich glaube, dass wir in dieser essenziellen Frage ein gutes Gleichgewicht gefunden und einen Weg beschritten haben, der für beide Seiten sinnvoll und machbar war.

Neben all den vielfältigen Unterstützungen, welche das Bundesheer präzise und professionell im Sinne der Allgemeinheit leistete und leistet, hat das Militärkommando aber auch weitere Aufträge zu erfüllen. Welche können Sie aktuell nennen?
Seit Anfang November hat das Militärkommando Tirol seine Lawineneinsatzzüge aufgestellt und in Bereitschaft versetzt. Hierbei greifen wir auf die Kompetenzen und Fähigkeiten der 6. Gebirgsbrigade zurück. Ergänzend zu den verfügbaren Kräften am Boden halten sich auch die Luftstreitkräfte bereit, um im Anlassfall gemeinsam Schutz und Hilfe leisten zu können. Dazu ist fast durchgehend ein Hubschrauber in Vomp stationiert. Ich glaube einfach, dass das Bundesheer eine Art „Super-Firma“ ist, welche als strategische Reserve in der Lage ist, unglaubliche Dinge zu leisten.

Wie meinen Sie das?
Man hat Hunderte Soldaten im Auslandseinsatz, man hat Hunderte Soldaten zur Eindämmung der Migration im Inland im Einsatz, man hat Hunderte Soldaten zur Unterstützung der Gesundheitsbehörden im Einsatz und wir haben auch Kapazitäten, um etwaige andere Katastrophen abzudecken. Aber auch bei solch tragischen Ereignissen wie beim Terror-Anschlag in Wien können wir rasch agieren. Dieses Gesamtpaket macht das aus, was das Bundesheer aktuell darstellt, aber natürlich immer aus dem militärischen Grundauftrag heraus betrachtet.

Welchen Ausblick können Sie auf die Zukunft geben?
Wir haben gerade in den vergangenen Monaten alle an uns gestellten Aufgaben zur vollsten Zufriedenheit abgearbeitet. Und das in einer sehr guten Kooperation mit dem Land, den Bezirks-Verwaltungsbehörden und den beteiligten Blaulichtorganisationen. Ich habe sehr stark das Gefühl, dass unsere Leistung im vergangenen Jahr sehr geschätzt wurde. Im Militärkommando selbst findet derzeit eine Verjüngung statt, da viele Angehörige aller Führungsebenen in den Ruhestand gehen.

Wie sieht es mit der Infrastruktur in Tirol aus?
Auch da wurde in den letzten Monaten etwas weitergebracht. So wurden ein Gebäude in der Standschützen-Kaserne und die Stellungsstraße saniert. Heuer soll das Heeressanitätszentrum Innsbruck neu errichtet werden und auch die Wärmeerzeugung der Andreas Hofer-Kaserne in Absam soll auf den neuesten Stand gebracht werden. Zudem besteht bautechnischer Handlungsbedarf in den Kasernen in St. Johann und Landeck.

Hubert Berger, Kronen Zeitung

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