Holland-Star berührt

Van der Wiel spricht offen über die Panikattacken

Fußball International
03.11.2020 17:57

Die Karriere von Ex-PSG-Star Gregory van der Wiel ist voll mit Hürden und Enttäuschungen. Jetzt öffnete sich der 32-Jährige, der derzeit bei RKC Waalwijk spielt und sprach ehrlich über die Panikattacken, die ihn schon seit Jahren verfolgen. Hier ist sein Brief ohne Kürzungen.

„Liebe Alle, ich möchte, dass ihr meine persönliche Geschichte kennenlernt und will euch auch über meinen Zustand informieren.

Seit mehr als einem Jahr kämpfe ich mit Panikattacken und Ängsten. Es gibt Gründe, warum mir das zuteil wurde und ich weiß, das kann jedem passieren. Deshalb wollte ich das euch allen erzählen: Das ganze begann in Los Angeles. Ich ruhte mich gerade in meinem Haus aus. Ich wusste nicht, was mir passiert war und dachte zuerst an eine Herzattacke. Ich glaubte, irgendwas sei bei mir gesundheitlich nicht okay. Alle ärztlichen Untersuchungen zeigten aber, dass alles normal bei mir war. Nachdem ich das erfahren hatte, begann ich mich mit den mentalen Faktoren auseinanderzusetzen. Diese Arbeit dauert noch heute an.

Es gibt ein paar Gründe, warum das mit mir passiert und diese möchte ich mit euch teilen. Als Profi stand ich immer unter Druck, musste immer mein Bestes geben. Ungeachtet dessen, wie ich mich fühlte. Ich verdrängte meine Gefühle, was sich über die Jahre rächte. Frust, Wut, Enttäuschung, Traurigkeit ließ ich alle links liegen und schaute immer nur nach vorn.

Ignorieren ist leicht
Es ist leicht, dich selbst zu ignorieren. Und genau das tat ich. Aus der Sicht meiner Karriere waren die letzten Jahre alles andere als leicht. Nachdem ich in Paris nicht sehr glücklich gewesen war, verbrachte ich ein schwieriges Jahr in Istanbul, hatte schlimme Monate in Cagliari, die größte Watsche kam aber noch, als ich den FC Toronto verlassen musste. Denn, im Gegensatz zu meinen früheren Teams, verbrachte ich in Toronto ein herrliches Jahr. Ich mochte die Mannschaft, die Menschen, die Stadt. Mein Plan war noch 5-6 Jahre in Toronto zu spielen und zu leben.

Dann hatte ich ein Gespräch mit meinem Trainer, über fachliche und gesundheitliche Fragen und danach musste ich plötzlich aus Toronto weggehen. Obwohl ich diesen Trainer sehr gerne mochte. Das hat mir wehgetan und tut mir immer noch weh.

Probleme beiseitegeschoben
Ich setzte aber mein Leben fort, schob alle meine Probleme beiseite und wechselte nach Los Angeles. Ich wollte dort bei einem anderen Team spielen, mein früherer Trainer aus Atlanta wollte mich holen, doch aus dem Vertrag wurde nichts. Danach versuchte ich GRATIS bei einem Team aus LA zu spielen, aber nach den ersten positiven Rückmeldungen ließen sie auch von mir ab. Meine Karriere in Amerika neigte sich dem Ende zu.

Ich machte weiter, ohne darauf zu achten, wie diese Enttäuschungen emotional auf mich gewirkt hatten. Und dann spitzte sich die Situation zu: Eines Tages wusste ich nicht mehr, wie weiter. Eines Tages wusste ich nicht mehr, wie es weitergehen soll. Das frisst dich von innen auf, wenn du am Morgen aufstehst, ohne zu wissen, was du jetzt machen sollst. Nach meiner Routine mit dem täglichen Training und dem wöchentlichen Match hatte ich dann eines Tages weder Ziele noch einen Plan. Sechs Monate später begannen meine Panikattacken.

Zurück in Amsterdam
Jetzt, zurück in Amsterdam, fühle ich mich viel besser. Die Liebe zum Spiel habe ich nie verloren. Das ist der Grund, warum ich in den Fußball zurückkehren will. Etwas Anderes zählt für mich gar nicht. Ich habe Riesenglück, dass ich einen Klub gefunden habe, der mich dabei unterstützt. RKC Waalwijk empfing mich mit offenen Armen und bot mir an, überall zu helfen. Nachdem ich mit dem Cheftrainer und dem technischen Direktor gesprochen hatte, musste ich nicht mehr lange überlegen.

Ich fühle mich noch nicht bereit, doch ich arbeite jeden Tag hart dafür, auf den Platz zurückkehren zu können. Ich bin mir nicht sicher, dass mir das gelingt, aber mit der Zeit werden wir es wissen. Egal, was kommt, ich bin auch so jedem beim RKC sehr dankbar für die Riesenhilfe, die ich bekam.

Ich wollte das mit euch teilen, weil das auch ein Teil vom Leben ist. Es zählt nicht, wer du bist, wir sind alle Menschen, das kann jedem passieren. Ich wollte euch auch darüber informieren, was ich durchgemacht hatte und warum ich jetzt in der Situation bin, in der ich bin. Es war kein leichtes Jahr, aber ich schaue mit viel Enthusiasmus in die Zukunft“, beendete Van der Wiel seinen rührenden Brief an die Öffentlichkeit.

Zur Person: Gregory van der Wiel spielte zuerst 2007 für die erste Mannschaft von Ajax. Der Verteidiger bestritt 129 Spiele für das Amsterdamer Traditionsteam, wechselte 2012 zu Paris SG, vier Jahre später zu Fenerbahce. Er ist 45-facher niederländischer Nationalspieler.

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(Bild: KMM)



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