Vor Nobelpreisgala

„Shame on you!“, „Rassist“: Harte Kritik an Handke

Österreich
10.12.2019 13:22

Wenige Stunden bevor Peter Handke am Dienstag den Literaturnobelpreis überreicht bekommt, haben sich die Proteste gegen den umstrittenen Preisträger aus Österreich erneut aufgeschaukelt. Auf einem Display im Stadtzentrum von Bosniens Hauptstadt Sarajevo etwa war der Schriftzug „Shame on you!“ zu lesen. Abgebildet waren darauf auch Handke und zahlreiche Totenköpfe. Scharfe Kritik kam auch aus der Türkei, deren nicht gerade zimperlicher Machthaber Recep Tayyip Erdogan den Kärntner sogar als „rassistische Person“ bezeichnete. Vor der Übergabe des Preises in Stockholm stehen weitere Protestaktionen auf dem Programm.

Nach Erdogans Kritik wird auch der türkische Botschafter der Zeremonie aus Protest fernbleiben. „Dass am 10. Dezember, dem Tag der Menschenrechte, der Literaturnobelpreis einer rassistischen Person gegeben wird, die den Genozid in Bosnien-Herzegowina leugnet und Kriegsverbrecher verteidigt, hat keine andere Bedeutung, als Verstöße gegen Menschenrechte auszuzeichnen“, erklärte Erdogan. Kritiker werfen Erdogan hingegen selbst Menschenrechtsverletzungen vor, etwa dass unter seiner Führung Oppositionelle durch politische Prozesse zum Schweigen gebracht werden.

Am Samstag hatte Erdogans Sprecher Ibrahim Kalin gefordert, die „irrationale und unerhörte“ Entscheidung, die Auszeichnung an Handke zu vergeben, zurückzunehmen. Er warf dem Nobelpreiskomitee zudem vor, damit zu neuen Kriegsverbrechen zu ermutigen.

Totenköpfe und „Shame on you!“-Schriftzug im Zentrum Sarajevos
Im Stadtzentrum von Sarajevo war am Dienstag der Schriftzug „Shame on you!“ zu lesen. Die Aufschrift auf dem Display am Gebäude des City Centers war mit der Abbildung des Schriftstellers und Totenschädeln versehen. Die Aufschrift wurde vom „Verband der Opfer und Augenzeugen vom Völkermord“ in Auftrag gegeben.

„Im 21. Jahrhundert hat das Europäische Parlament vier Resolutionen angenommen, durch welche es sich verpflichtete, dass ein Verbrechen wie der Srebrenica-Völkermord nie mehr auf dem Boden Europas passieren wird und dass Serbien als entscheidender Leugner des Völkermordes nicht in die Europäische Union aufgenommen wird, bis es nicht aufhört, den Völkermord von Srebrenica zu leugnen und die Urteile des UNO-Tribunals für Kriegsverbrechen im einstigen Jugoslawien akzeptiert und umsetzt“, teilte der Verband mit.

Vor der Überreichung des Nobelpreises ist in Stockholm eine Protestaktion gegen Handke geplant. Die wesentlich größere Demonstration ist nach der Gala angemeldet. Die Initiatoren erwarten Hunderte Teilnehmer, aber keine Entschuldigung Handkes. Die „goldene Gelegenheit“ dazu hätte der Schriftsteller bereits bei seinem Auftritt am Freitag verstreichen lassen.

Mehrere Länder boykottieren Verleihungszeremonie
Am Montag schloss sich auch Kroatien jenen Ländern an, die aus Protest die Verleihungszeremonie boykottieren. Der kroatische Botschafter in Schweden werde - wie seine Kollegen aus dem Kosovo, aus Albanien und aus der Türkei - nicht an der Verleihung teilnehmen, hieß es aus Zagreb. Das kroatische Außenamt begründete den Boykott mit Handkes „Unterstützung der großserbischen Politik von Slobodan Milosevic in den 1990er-Jahren“.

Grabrede für Slobodan Milosevic
Handke hatte sich im Jugoslawien-Konflikt stark mit Serbien solidarisiert und nach Ansicht von Kritikern die von Serben begangenen Kriegsverbrechen bagatellisiert oder geleugnet. 2006 hielt er bei der Beerdigung des sechs Jahre zuvor gestürzten serbischen Führers Slobodan Milosevic eine Rede.

Der Zerfall Jugoslawiens zu Beginn der 1990er-Jahre war mit einer Serie von äußerst blutigen Kriegen zwischen Serbien und anderen Nachfolgestaaten einhergegangen. Allein in Bosnien gab es 100.000 Tote und zwei Millionen Vertriebene. Auch wenn alle Seiten Kriegsverbrechen begingen, belegen Erkenntnisse der Zeitgeschichtsforschung sowie die Rechtsprechung des Internationalen Jugoslawien-Tribunals in Den Haag, dass die Kriege von Milosevic geplant und initiiert wurden und dass die meisten und schwersten Gräuel auf dessen Konto gingen.

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