Exklusiv-Interview

Andi Herzog: “1998 ging ein Kindheits-Traum in Erfüllung”

Fußball
26.05.2010 22:28
Seit Andi Herzog am 23. Juni 1998 den Ball per Elfmeter im Gehäuse von Italien-Goalie Gianluca Pagliuca versenkte, war es keinem österreichischem Teamkicker mehr vergönnt, als Torschütze bei einer Fußball-Weltmeisterschaft zu brillieren. Mit krone.at spricht Österreichs Super-Techniker außer Dienst über sein legendäres Tor in der WM-Qualifikation gegen Schweden 1997, "Störenfried" Hannes Kartnig und die Favoriten auf den Titel in Südafrika.

Er ist halt immer noch ganz und gar Regisseur, ein echter Spielmacher eben. Als Andi Herzog zum vereinbarten Interview-Termin in der ÖFB-Zentrale aufkreuzt, schüttelt er Hände, schiebt Wuchteln, schildert Anekdoten und gibt den ungekünstelten Kumpel von nebenan. "Den Fritzl schließen wir aus, wenn er uns beim Interview nicht in Ruhe lässt", feixt er etwa augenzwinkernd in Richtung Schiri-Boss Fritz Stuchlik. Herzog ist in Hochform. Früher lieferte er Gustostückerl hauptsächlich mit seinem begnadeten linken Pratzerl, heute sind die von ihm fabrizierten Schmankerl meist verbaler Natur. Auch das folgende Interview ist ein Beweis dafür!

krone.at: Herr Herzog, Sie sind der letzte österreichische Torschütze bei einer Fußball-Weltmeisterschaft. Macht Sie das stolz oder eher nachdenklich?
Andreas Herzog: Zunächst - es war immer ein Kindheits-Traum für mich, einmal in der Nationalmannschaft zu spielen und vielleicht sogar bei einer Weltmeisterschaft ein Tor zu schießen. In der Qualifikation zur 98er-WM haben wir absolut überragende Leistungen gebracht, sind Gruppensieger geworden. So bin ich dann zur Endrunde mit großen Hoffnungen gefahren, weil ich mir gesagt habe: "Ich bin jetzt 29 Jahre alt – das könnte eine richtig gute WM von mir werden."

krone.at: Die Erwartungen haben sich wohl nicht ganz erfüllt, oder?
Herzog: Vor der WM habe ich mich ja der Zehen-Operation unterzogen. Deswegen hat mir beim Turnier ein wenig die Fitness gefehlt, Schmerzen habe ich immer noch gehabt. So war ich ab dem zweiten Spiel auch nur Ersatz. Dass mir dann im letzten Spiel gegen Italien noch ein Elfmeter-Tor gelungen ist, war ein zumindest halbwegs versöhnlicher Abschluss für mich und die Erfüllung meines Kindheits-Traums – auch wenn’s für Österreich nichts mehr gebracht hat.

krone.at: Teamchef Prohaska ist damals von einigen Seiten kritisiert worden, weil er Sie und Toni Polster im ersten Spiel gegen Kamerun von Beginn an gebracht hat, obwohl Sie beide nicht in Hochform waren. Verstehen Sie heute diese Kritik?
Herzog: Ab dem Chile-Match war ich ja eh nur mehr Ersatz. Aber das ist Schnee von gestern. Fakt ist, dass die ganz wichtigen Spieler nicht die überragende Form von der Qualifikation erreichten. Daher sind wir ausgeschieden. Außerdem haben wir in den ersten beiden Partien (gegen Kamerun und Chile, Anm.), von denen wir wenigstens eine gewinnen hätten müssen, nicht voll gepunktet. Aber heutzutage wären wir schon froh, wenn wir wieder einmal bei der WM dabei wären.

krone.at: Hat es denn im Teamlager in Frankreich Rivalitäten zwischen der sogenannten "Wiener Achse" rund um Sie und Polster und dem "Steirer-Eck" um Vastic, Haas, Reinmayr, Mählich gegeben?
Herzog: Während der Qualifikation hat schon ein anderer Team-Spirit geherrscht, keine Frage. Wir waren extrem erfolgreich, die Stimmung im Team war super – und es hat sich um eine Mannschaft gehandelt, die aufgrund ihrer Top-Leistungen gesetzt war.

krone.at: Das war bei der Endrunde anders?
Herzog: Ja. Einige Leistungsträger waren nicht mehr so gut in Form. Und dann ist der Kartnig (Ex-Sturm-Präsident, Anm.) ins Trainingscamp einmarschiert und hat ein bisschen für Unruhe gesorgt. Das hätte man sicherlich verhindern müssen, obwohl man sagen muss, dass Leute wie Vastic, Reinmayr oder Haas schon sehr gut in Schuss waren.

krone.at: Apropos Schuss: Wenn man von der Qualifikation für die WM 1998 spricht, assoziiert Fußball-Österreich fast reflexartig damit Ihr Tor gegen die Schweden im Happel-Stadion vom September 1997. Wie oft haben Sie selbst das Tor schon gesehen?

Herzog: Das Tor ist ja auf einer Postkarte und einer Briefmarke verewigt worden. Beide habe ich bei mir daheim. Deswegen sehe ich das eigentlich sehr oft (lacht).

krone.at: Ein Highlight ihrer Karriere?
Herzog: Absolut. Von den Emotionen her vielleicht noch vergleichbar mit dem Tor in Israel in der Nachspielzeit, durch das wir uns in der WM-Quali für 2002 noch in die Relegation gerettet haben. Aber das Tor gegen Schweden war halt auch extrem wichtig und sicher das Highlight meiner Karriere.

krone.at: Dabei war – um Felix Magath zu zitieren – der Drops ja auch mit dem Sieg gegen Schweden noch nicht gelutscht.
Herzog: Stimmt. Wir hatten noch einige Spiele vor uns. In Weißrussland etwa, wo Konsel ja gesperrt war, hat Heimo Pfeifenberger das Goldtor erzielt. Man darf sich in einer Qualifikation eben nie sicher sein. Das zeigte ja auch die Qualifikation für die WM 2010: Da schlagen wir Frankreich und verlieren dann gegen Litauen und spielen gegen Färöer nur Unentschieden. Man muss über die gesamte Qualifikation eben Konstanz aufweisen. Und die haben wir damals eben gehabt.

krone.at: Glauben Sie, dass wir dieses Niveau wieder erreichen können?
Herzog: Wenn sich Leute wie Alaba, Arnautovic oder Holzhauser gut entwickeln, haben wir sicherlich das Zeug dazu, einmal wieder unter die Top 20 der Weltrangliste zu kommen.

krone.at: Zur anstehenden WM in Südafrika: Können Sie aus eigener Erfahrung bestätigen, dass man als Spieler eines europäischen Spitzenklubs nach einer langen Saison zur WM müde und ausgelaugt kommt?
Herzog: Ja. Topstars wie Messi haben schon 60, 70 Pflichtspiele in den Beinen, wenn der größte Event erst beginnt. Da fehlt einem dann schon die Frische. Deswegen ist es für einen Coach sehr wichtig, dass er bei den Trainings die richtige Mischung aus Regeneration und Anspannung findet. Wobei: Das Problem ist für die Spieler meiner Meinung nach nicht die abgelaufene, sondern die darauffolgende Saison. Als ich etwa 1990 von der Weltmeisterschaft aus Italien zurückgekommen bin, habe ich nur wenige Tage frei gehabt - dann hat schon wieder die Vorbereitung auf die nächste Saison begonnen. Nach so wenig Urlaub kann ein Spieler noch nicht den Kopf frei haben.

krone.at: Sie haben Messi angesprochen: Woran liegt es Ihrer Meinung nach, dass er im argentinischen Nationalteam bisher noch nicht so überragende Leistungen wie bei Barcelona gezeigt hat?
Herzog: Mit den Kollegen bei Barcelona trainiert er ja täglich. Dort weiß jeder, was er zu tun hat. Argentinien hat zwar auch Klasse-Einzelspieler, funktioniert aber als Mannschaft nicht so gut wie Barcelona. Und so tut sich eben auch Messi schwer.

krone.at: Titelverteidiger Italien hat bei der EM 2008 recht blass ausgesehen. Haben Sie die "Squadra Azzurra" trotzdem auf der Rechnung?
Herzog: Man muss sie auf der Rechnung haben. Allein die Tatsache, dass die Italiener vierfacher Weltmeister sind, zeigt, dass sie meistens da sind, wenn es um etwas geht. Übrigens genauso wie die Deutschen.

krone.at: Wird bei England ins Gewicht fallen, dass Beckham nicht dabei ist?
Herzog: Das kann ich mir nicht vorstellen. Wichtiger wird sein, dass Rooney seine Top-Form erreicht. Dann ist für England unter Coach Fabio Capello sicher einiges drin.

krone.at: Ihr Top-Favorit auf den Titel?
Herzog: Natürlich Spanien. Es ist zwar nicht einfach, Europameister und zwei Jahre später gleich Weltmeister zu werden, aber vom Spielerischen her ist Spanien derzeit sicherlich höher einzuschätzen als sogar Brasilien.

von Michael Fally, krone.at

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