„Es ist 5 vor 12“

Neuer Plan soll steirische Hausarzt-Misere lindern

Steiermark
04.11.2018 06:05

Die Alarmglocken schrillen seit Jahren: Es droht ein Hausarztmangel, Nachbesetzungen werden immer schwieriger. Erst diese Woche warnte die Ärztekammer vor einer Pensionierungswelle; wir berichteten. Was tun? Seit kurzem liegt ein Masterplan vor, der ausschließlich von praktizierenden Hausärzten erstellt wurde. Federführend mit dabei: Stephanie Poggenburg aus Hart bei Graz.

Es ist einer dieser kitschig-schönen Herbsttage, der Wald neben Poggenburgs Praxis präsentiert sich in prächtigen Farben. Wenn aber bis zu 200 Patienten am Tag Rat benötigen, hat die gebürtige Deutsche keine Zeit, den Ausblick zu genießen. Seit Oktober hat sie die Ordination zur Gänze übernommen - es ist die einzige Kassenstelle im wachsenden Hart mit fast 5000 Einwohnern. Der Sprengel der Ärztin geht bis St. Marein, gut 20 Kilometer entfernt.

Eine herausfordernde Situation - in anderen steirischen Regionen ist sie aber bereits dramatisch. Beispiel Friedberg: „Dort können die ausgeschriebenen Stellen einfach nicht mehr nachbesetzt werden, es ist 5 vor 12“, sagt Poggenburg. Selbst im Grazer Bezirk Gries gibt es bereits Probleme.

„Wäre eigentlich Aufgabe der Politik gewesen“
Seit Jahren kommen Lösungsvorschläge von vielen Seiten, jetzt liegt ein ganz besonderes, 170 Seiten starkes Papier am Tisch: der „Masterplan Allgemeinmedizin“, erstellt von der österreichischen Fachgesellschaft für Allgemeinmedizin. Poggenburg, die drei Jahre lang an der Medizin-Uni Graz an großen Studien - auch zum Thema Landarztmangel - arbeitete, war Mitglied der fünfköpfigen Koordinierungsgruppe. „Dieser Plan wäre eigentlich Aufgabe der Politik gewesen. Wir haben ihn in unserer Freizeit erstellt.“

Für die Praktiker steht fest: Der Beruf Hausarzt muss für junge Studierende attraktiver werden - und das bereits im Studium. Ein vielsprechendes Projekt läuft derzeit in der Steiermark: „Landarzt Zukunft“. Medizinstudierende sind vier Wochen lang im Ennstal bzw. in der Südsteiermark, um dort den Beruf des Landarztes kennenzulernen. Sie erhalten für diese Zeit eine Wohnung und ein E-Auto.

Zusammenarbeit ist gefragt
Damit sich die Absolventen nach dem Studium nicht für eine - derzeit attraktivere - Facharztstelle entscheiden, benötigt es aber noch mehr: Unterstützung bei der Gründung einer Praxis, eine bessere Honorierung, mehr Anerkennung (Allgemeinmediziner haben aktuell keinen Facharztstatus), mehr Entlastung. Viele junge Ärzte wollen sich nicht mehr Tag und Nacht aufopfern wie ihre Vorgänger, sondern viel stärker zusammenarbeiten. Poggenburg: „Wir brauchen dezentrale Lösungen mit vernetzten kleinen Praxen.“ Ein Positivbeispiel gibt es etwa rund um Dr. Martin Musger aus Ilz.

Und was ist mit den von der Politik geförderten Gesundheitszentren (siehe Artikel links)? „Regional können sie eine passende Lösung sein. Der Hausarzt muss aber nah am Patienten sein, der Patient soll nicht dutzende Kilometer fahren müssen“, so Poggenburg.

„Setzt euch an einen Tisch“
Sie spricht nun mit den steirischen Verantwortungsträgern über den „Masterplan“ und appelliert: „Setzt euch alle an einen Tisch und vergesst eure Konflikte.“

Selbst versprüht sie trotz der großen Arbeitsbelastung viel Energie: „Ich bin leidenschaftliche Hausärztin, liebe diesen Beruf. Die Praxis ist meine Batterie.“

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