Vor Gericht lässt sich Signa-Gründer René Benko von Starverteidiger Norbert Wess vertreten. Doch im Hintergrund zieht nach wie vor ein weiterer gewichtiger Benko-Anwalt die Fäden, wie vertrauliche Unterlagen aus dem Signa-Universum zeigen.
Ab dem 10. Dezember muss sich René Benko ein zweites Mal vor dem Landesgericht Innsbruck verantworten. Es geht erneut um den Vorwurf der betrügerischen Krida, den der Signa-Gründer bestreitet. Bereits beim ersten Prozess Mitte Oktober hatte sich gezeigt: Offiziell wird der 48-jährige Finanzjongleur aus Tirol zwar vom Wiener Staranwalt Norbert Wess verteidigt; im Hintergrund spielt jedoch nach wie vor ein weiterer Wiener Rechtsanwalt eine wesentliche Rolle: Stefan Prochaska.
Schuss vor den Bug
Prochaska war es, der kurz vor dem Start des ersten Benko-Prozesses zwei wichtigen Zeugen mit schriftlichen Botschaften einen Schuss vor den Bug setzen wollte: Der eine, Benkos Masseverwalter Andreas Grabenweger, erhielt die Nachricht, wonach es zukünftig nicht „ungeahndet“ bleiben würde, sollte er Benko in ein negatives Licht rücken. Der andere, Ex-Signa-Chefcontroller Arthur A., kassierte eine Anzeige wegen angeblich falscher Beweisaussage. Prochaska steht dazu, auch, was den Zeitpunkt betrifft. Ob die Maßnahmen mit seinem Mandanten René Benko abgestimmt waren, möchte er mit Verweis auf die anwaltliche Verschwiegenheit nicht preisgeben.
Zu Arthur A. muss man wissen: Er, Mitte dreißig, am Ende Chef-Controller, war der Mann der Zahlen im Signa-Reich. Er diente sich von unten nach fast ganz oben. Und er hatte – vor allem in Zeiten zunehmender Liquiditätsengpässe im Laufe des Jahres 2023 – auch tiefe Einblicke in die Welt der Benko-Stiftungen.
„René, darf ich da nachforschen?“
Ebendiesen Arthur A. erreichte am 8. August 2023, als der Signa Holding das Wasser längst bis zum Hals steht, folgende Nachricht seines Geschäftsführers Marcus Mühlberger, die auch René Benko persönlich empfangen sollte:
„Hallo Arthur – siehe bitte unten.
Ich muss ehrlich gestehen, dass ich bei den Prochaska-Rechnungen einen Hals kriege. Die ganze Forensik-Sache – nicht von der Versicherung umfasst – beläuft sich bisher auf rund EUR 800.000, die Anwaltskosten im Schmid-Verfahren auch bereits auf EUR 400.000. Obwohl diese von der Rechtsschutz-Versicherung gedeckt werden, möchte ich dennoch gerne wissen, was da monatlich verbraten wird, nachdem sich derzeit auch der Akt nicht ändert.
René – darf ich da in deinem Namen nachforschen? Gerade bei Forensik stoße ich auf Schweigen und es gibt auch niemanden, der mir Auskunft geben kann oder will – alles hoch geheim. Wenn du aber Bescheid weißt und der Aufwand ist für dich angemessen, bitte um kurze Info, dann reg ich mich gleich wieder ab.“
Eine Mail, die einen Blick durch das Schlüsselloch in das Innerste der Signa-Krise 2023 erlaubt. Und die Fragen aufwirft: Was haben diese „forensischen Leistungen“ des Benko-Anwaltes eigentlich beinhaltet? Und warum haben diese Aktivitäten derartige Kosten verursacht?
„Kosten von fast einer Million“
Wenige Wochen später, am 30. August 2023, klopft Signa Holding-Chef Marcus Mühlberger erneut in die Tasten. Viele Rechnungen, kaum Antworten. Offenbar ortet der Geschäftsführer ein Fass ohne Boden. Diesmal schreibt Mühlberger an eine größere Runde an Signa-Mitarbeitern:
„Gents – ist jemand von euch in Kontakt mit Stefan Prochaska in Bezug auf dieses Projekt? Bisher sind Kosten in Höhe von fast einer Million Euro aufgelaufen, und ich glaube nicht, dass wir wissen, wofür. Ich werde das Projekt nach Rücksprache vorerst stoppen.“
Einige Stunden zuvor, gegen 2.30 Uhr, hatte Mühlberger eine klare Botschaft an Prochaska abgesetzt: „Zum Thema Forensik: Ich bitte um einen Zwischenbericht zum 31.08.2023 und bis dahin keine weiteren Aktivitäten mehr. Wir müssen erst gemeinsam erwägen, ob es sinnvoll ist, weiter Zeit und Geld zu investieren.“
Am 11. Oktober meldet sich Prochaska über seine Assistentin bei Signa-Holding-Chef Mühlberger. Die Nachfrage enthält einen bemerkenswerten Hinweis: „Bitte um Bekanntgabe, wann die offenen Forensik-Honorarnoten beglichen werden. 90 % der verrechneten Beträge entfallen auf Fremdleistungen. Die Subunternehmer sind bereits ungehalten.“ Ein Satz, der mehr verrät, als er wohl sollte. Offenbar waren weitere externe Akteure in das Forensik-Projekt eingebunden.
Weitere Sicherheitsfirma am Werk
Der „Krone“ und „News“ liegen vertrauliche Honorarabrechnungen der Kanzlei Stefan Prochaska vor, die nicht nur Einblicke in das Kontaktnetzwerk des Wiener Wirtschaftsanwalts erlauben. Erstmals zeigt sich, dass neben einem ehemaligen israelischen Agenten, der den einstigen Benko-Vertrauten Dieter Berninghaus durchleuchten sollte, eine weitere Sicherheitsfirma in Privatermittlungen involviert war. Auf einer der hohen Honorarnoten an die Signa Holding findet sich der Name eines Mitarbeiters der Firma Seitenberg. Ein Sicherheitsunternehmen mit Sitzen in Tallinn, Tiflis und Wien-Favoriten.
Der „Managing Partner“ von Seitenberg ist seit Jahren auch über ein in Österreich eingetragenes Beratungsunternehmen mit Anwalt Prochaska verbunden und offenbar selbst im Bereich „Private Security“ tätig. In den Abrechnungen zeigen sich zudem zahlreiche Einträge unter dem Kürzel „SB“. Aufgelistet sind Telefonate, Termine und Abstimmungen – teilweise mit René Benko persönlich. Offenbar wurden über die horrenden Barauslagen Leistungen der Sicherheitsfirma über die Kanzlei Prochaska an die Signa Holding weiterverrechnet. Eine Geheimoperation mit scheinbar einer wichtigen Mission: Lücken im Benko-System aufzuspüren und mögliche Störenfriede auszuleuchten.
Willkommen in unserer Community! Eingehende Beiträge werden geprüft und anschließend veröffentlicht. Bitte achten Sie auf Einhaltung unserer Netiquette und AGB. Für ausführliche Diskussionen steht Ihnen ebenso das krone.at-Forum zur Verfügung. Hier können Sie das Community-Team via unserer Melde- und Abhilfestelle kontaktieren.
User-Beiträge geben nicht notwendigerweise die Meinung des Betreibers/der Redaktion bzw. von Krone Multimedia (KMM) wieder. In diesem Sinne distanziert sich die Redaktion/der Betreiber von den Inhalten in diesem Diskussionsforum. KMM behält sich insbesondere vor, gegen geltendes Recht verstoßende, den guten Sitten oder der Netiquette widersprechende bzw. dem Ansehen von KMM zuwiderlaufende Beiträge zu löschen, diesbezüglichen Schadenersatz gegenüber dem betreffenden User geltend zu machen, die Nutzer-Daten zu Zwecken der Rechtsverfolgung zu verwenden und strafrechtlich relevante Beiträge zur Anzeige zu bringen (siehe auch AGB). Hier können Sie das Community-Team via unserer Melde- und Abhilfestelle kontaktieren.