Nun "stärkster Klub"

Nachbaur und Ertlschweiger wechseln zur ÖVP

Österreich
01.08.2015 15:51
Der ÖVP-Parlamentsklub wächst weiter - und zwar erneut mithilfe des Team Stronach. Wie VP-Klubobmann Reinhold Lopatka im Rahmen einer eilig einberufenen Pressekonferenz am Samstag erklärte, wechseln die frühere Team-Stronach-Klubobfrau Kathrin Nachbaur und Ex-Pressechef Rouven Ertlschweiger zur Volkspartei. Damit sei die ÖVP nun der "stärkste Klub im Parlament", betonte Lopatka.

Laut Lopatka wird die ÖVP nun "jünger, moderner und weiblicher". Nachbaur habe ihn am Samstagvormittag in Kenntnis gesetzt, dass sie "das Angebot, in unserem Klub mitzuarbeiten, annimmt". Er habe Nachbaur und Ertlschweiger bereits Anfang Juni - im Zuge des Wechsels der ehemaligen Team-Stronach-Mandatare Marcus Franz und Georg Vetter in den VP-Klub - erklärt, dass die Tür des schwarzen Klubs für sie offenstehe. Im Gegensatz zu Vetter und Franz, die aktiv auf die ÖVP zugegangen seien, sei die Initiative bei Nachbaur und Ertlschweiger von ihm ausgegangen, sagte Lopatka. Nachbaur und Ertlschweiger blieben aber parteifrei.

Weitere Wechsel vom Team Stronach in den ÖVP-Klub hält Lopatka für wenig wahrscheinlich: Er habe zwar noch die Nationalratsabgeordnete Jessi Lintl als mögliche Kandidatin für einen Wechsel in Betracht gezogen, diese habe aber abgesagt. Lopatka betonte, es habe im ÖVP-Klub schon öfter parteiungebundene Mitglieder gegeben, und verwies etwa auf Wissenschaftssprecher Karlheinz Töchterle. Nachbaur lobte er als "sehr weltoffene Persönlichkeit", und es sei gut, wenn mit ihr die "wirtschaftsfreundliche Position" der ÖVP gestärkt werde. Ertlschweiger sieht Lopatka als "Medienmann", der sich sowohl in diesem Bereich wie auch in Sportagenden einbringen werde.

Wechsel zu Schwarz-Blau "völlig ausgeschlossen"
Mit dem nunmehrigen Wechsel Nachbaurs und Ertlschweigers verfügt die ÖVP im Nationalrat über 51 Mandatare und damit einen Abgeordneten weniger als die SPÖ - rechnet man allerdings auch Bundesrats- und EU-Abgeordnete zur Parlamentsfraktion der Volkspartei, stimmt die Rechnung Lopatkas beszüglich des "stärksten Klubs im Parlament".

Dass die ÖVP nun um zwei Mandatare angewachsen ist, sieht Lopatka auch als Vorteil für die rot-schwarze Koalition. Denn damit sei die Regierungsmehrheit größer geworden - derzeit sei ja etwa die Zweidrittelmehrheit gemeinsam mit den Grünen "äußerst knapp". Gefragt nach einem allfälligen fliegenden Wechsel zu Schwarz-Blau - sollte der ÖVP-Klub doch durch weitere Zugänge weiter anwachsen - sagte Lopatka, dies sei "völlig, absolut ausgeschlossen".

Nachbaur: "Viele Kernthemen decken sich im Grunde"
Nachbaur erklärte, es zähle nicht, wo man sitze, sondern wofür man stehe. Mit den Inhalten der ÖVP werde sie nicht allzu große Schwierigkeiten haben: Sie habe das 2015er-Grundsatzprogramm der ÖVP "mehrmals durchgelesen" und dabei festgestellt, dass sich "sehr viele Kernthemen im Grunde decken". "Ich werde weiterhin für die Grundwerte eintreten, für die ich angetreten bin", sagte sie. "Ich werde mich nicht verbiegen." Zu ihrer Positionierung meinte Nachbaur: "Ich bin eine echte Wirtschaftsliberale mit Herz."

Noch am Samstag vor Bekanntgabe ihres Wechsels habe sie eine "lange Aussprache" mit ihrem langjährigen Mentor und Parteigründer Frank Stronach gehabt, den sie immer respektieren und dem sie immer dankbar sein werde, sagte Nachbaur. Im Team Stronach habe aber leider nicht alles so funktioniert, "wie wir uns das vorgestellt haben".

Ertlschweiger spricht von "quasi Heimkehr"
Ertlschweiger bezeichnete seinen Wechsel in den ÖVP-Klub als "quasi Heimkehr". Denn er habe vor seiner Tätigkeit für Frank Stronach journalistisch für die "Niederösterreichischen Nachrichten" gearbeitet - und dabei anhand der Arbeit der niederösterreichischen Volkspartei gesehen, "was man bewegen kann". Seine Entscheidung, das ÖVP-Angebot anzunehmen, habe er bereits am Donnerstag getroffen.

TS-Klubobfrau Dietrich: "War erkennbar"
Team-Stronach-Klubobfrau Waltraud Dietrich erklärte in einer Aussendung, dass der Austritt und Wechsel der beiden Mandatare absehbar gewesen sei. "Es war in den vergangenen Wochen schon erkennbar, dass sich die beiden aus der Klubarbeit zurückgezogen und Wechselgerüchte nie vollständig ausgeräumt hatten." Dietrich versicherte, dass die nun verbliebenen sieben Abgeordneten "weiterhin gemäß den Werten Frank Stronachs zum Schutze und zum Wohle der Bürger dieses Landes arbeiten werden". Sie kündigte "weitere Details" hierzu für die nächsten Tage an. Laut einem Vorabbericht des "profil" wird auch über die Ablöse von Dietrich durch Ex-Klubchef Robert Lugar spekuliert.

Schadenersatzklagen gegen Überläufer?
Das Team Stronach erwägt indes offenbar rechtliche Schritte gegen die beiden ersten Überläufer Franz und Vetter. Laut "profil" könnte es zu Schadenersatzklagen kommen. Allein durch die am Samstag bekannt gewordenen Abgänge verliert die Partei insgesamt 332.102 Euro an jährlicher Klubförderung, für heuer gilt der Verlust aliquot. Der ÖVP wiederum beschert der Wechsel von Nachbaur und Ertlschweiger in die schwarzen Reihen ein Plus von 96.236 Euro.

SPÖ: "Teuerste Wählertäuschung der Geschichte"
Die SPÖ sprach am Samstag von der "teuersten Wählertäuschung der Geschichte". "Die Mandate werden am Wahltag vom Wähler vergeben. Nicht danach mit billigen Taschenspielertricks erkauft", erklärte Klubchef Andreas Schieder. Er betonte, dass die SPÖ mit 52 Abgeordneten weiterhin die stärkste Fraktion im Nationalrat ist. Für Team-Stronach-Abgeordnete gebe es offenbar nur eine Haltung, so Schieder - "möglichst schnell dorthin zu wechseln, wo man seine Schäfchen im Trockenen wähnt".

FPÖ gelassen, Grüne und NEOS besorgt
Die Oppositionsparteien reagierten unterschiedlich auf den Fraktionswechsel von Nachbaur und Ertlschweiger. "Wen juckt's, ob ein paar Abgeordnete ihre ablaufende Zeit in dem einen oder dem anderen Parlamentsklub absitzen", meinte FPÖ-Generalsekretär Herbert Kickl unbeeindruckt. Das Team Stronach sei von Anfang an ein "willkommenes Projekt" für die Regierungsparteien gewesen, um den Freiheitlichen "mittels Pseudo-Alternative Oppositionsstimmen wegzunehmen".

Grünen-Chefin Eva Glawischnig meinte, das "offensive Abwerben" von Abgeordneten könne nur als "politische Leichenfledderei" bezeichnet werden. Nachbaur und Ertlschweiger seien "einfach gekauft" worden und "dienen als Bausteine für eine künftige schwarz-blaue Erpressungsmehrheit gegenüber dem Koalitionspartner": "Dieses Vorgehen ist skrupellos."

NEOS-Obmann Matthias Strolz stellte fest: "Wenn die ÖVP mit ihrem Wahlergebnis nicht zufrieden ist, soll sie neu wählen lassen, nicht Mandatare kaufen." Die ÖVP betreibe "Machtspiele, die einer Parlamentspartei nicht würdig sind". Auch die NEOS fürchten einen "fliegenden Regierungswechsel" hin zur FPÖ und fordern Neuwahlen.

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