Regisseur Stefan Bachmann ist seit Herbst 2024 Direktor der Burgtheaters. Nach Wien kam der 1966 geborene Schweizer vom Schauspiel Köln. Ein Gespräch über österreichisches Idiom auf der Bühne, die Idee des Nationaltheaters, tradionelle Sargträger und nötige Sparpläne.
„Krone“: Sie haben in Ihrer zweiten Spielzeit nun mit „Gullivers Reisen“ das Familienstück zurück an die Burg gebracht. Ein ausverkaufter Erfolg…
Stefan Bachmann: Das war mir ein großes Anliegen. Für Kinder, für die ganze Familie, weil ich finde, das ist ein wichtiger Einstieg ins Theater. Mit Nils Strunk und Lukas Schrenk habe ich zwei Künstler hier am Haus, die sowas auch wirklich gut können.
Mit den beiden erlebt man das Comeback von Sinnlichkeit, abseits des intellektuellen Regie-Theaters. Ist das eine Richtung, wo sie hinsteuern?
Ich habe mir bewusst vorgenommen, für die Spielzeit kein Motto zu setzen, aber ich möchte mehr auf Narration setzen, also die Erzählung soll im Zentrum stehen. Wenn Sie sinnlich sagen, finde ich das schön. Ich würde auch über den Großteil unserer Arbeiten sagen, dass sie sinnlich sind. Insofern, dass sehr stark auf Schauspielkunst und die Kraft des Theaters gesetzt wird, das ist mir ganz wichtig.
Ich glaube nicht, dass wir das alte sogenannte Burgtheaterdeutsch wieder kultivieren sollten. Das das wäre unzeitgemäß.
Stefan Bachmann
Im Jänner findet sich mit „Zu ebener Erd und erster Stock“ wieder Nestroy auf dem Spielplan. Man hat den Eindruck, dass lang ein Bogen um Nestroy und Raimund gemacht wurde, auch, dass das österreichische Idiom zunehmend aus der Burg verschwindet. Wie sehen Sie das?
Nehmen Sie „Liliom“ als Beispiel. Das haben wir mit Schauspielerinnen und Schauspielern gemacht, die dieses österreichische Idiom beherrschen. Beim kommenden Nestroy haben wir auch bei der Besetzung mehrheitlich darauf geachtet.
Sollte das Burgtheater nicht eine, sagen wir, österreichische Note haben?
Aber die hat es doch sowieso! Natürlich gibt es eine Liebe zu bestimmten Nuancen in den Dialekten, aber es ist sowieso klar, dass das Burgtheater ein österreichisches Nationaltheater ist. Wir versuchen dem Rechnung zu tragen, indem wir sehr viel österreichische Literatur klassischer und auch aktuellster Art bringen. Ich finde nicht, dass das dann immer nur von Österreichern verkörpert werden kann, das wäre eine fürchterliche Einschränkung. Ich glaube nicht, dass wir forciert an der Dialektschiene arbeiten oder gar das alte sogenannte Burgtheaterdeutsch wieder kultivieren sollten. Das wäre unzeitgemäß.
Theater ist ein kritisches Medium ist, ein Medium, das auchanstößig oder aufmüpfig sein kann und die Mächtigen infrage stellen muss.
Stefan Bachmann
Apropos Nationaltheater. Nächstes Jahr steht ein großes Jubiläum ins Haus. 250 Jahre Burg. Was hat das Nationaltheater heutzutage für eine Bedeutung
Gute Frage. Was ich interessant finde, ist, dass dieses Nationaltheater sehr oft auf der Seite der Macht gestanden hat. Dies hat sich ein Stück weit geändert, spätestens in den 60er, 70er Jahren, als Theater einfach politischer geworden ist. Damals hat es fast so ausgesehen, als könnte man sich darauf verlassen, dass Theater von Natur aus linksrebellisch und widerständig ist. Das hat Claus Peymann hier sehr lautstark vertreten. Ich würde sagen, dass Theater deswegen subventioniert ist, weil es auch ein kritisches Medium ist, ein Medium, das auchanstößig oder aufmüpfig sein kann und die Mächtigen infrage stellen muss. Und das Burgtheater hat als Nationaltheater, das über die Landesgrenzen hinausstrahlt, nicht nur eine gesellschaftskritische Funktion, sondern auch eine repräsentative Funktion als kulturelles Flaggschiff Österreichs.
Mit all seinen Sonderbarkeiten, etwa den Verabschiedungen toter Ehrenmitglieder, deren Sarg um die Burg getragen wird. Wie ist da Ihr Zugang?
Ich finde das merkwürdig und bizarr, aber auch ganz toll. Wo gibt es noch so eine Wertschätzung der Kunst? Ich sehe in Traditionen auch ein Potenzial in der Einzigartigkeit und der Aura, die dieses Haus ausmacht. Ich glaube ohnehin sehr an die Dialektik, an die Widersprüchlichkeit, an die Vieldeutigkeit im Theater. In diesem Haus mit all den Ölgemälden dieser unglaublichen Schauspielerinnen und Schauspieler reist die Vergangenheit immer irgendwie im Gepäck mit.
Soll man Sie auch einmal um die Burg tragen?
(lacht) Dazu muss ich ja erstmal Ehrenmitglied werden. Das wird man als Direktor erst nach seiner Amtszeit, wenn man es dann überhaupt wird. Ungefähr ein halbes Jahr, bevor ich hier Burgtheaterdirektor geworden bin, kam übrigens Claus Peymann auf mich zu und hat gesagt: „Sie sind der Mann, der mich ums Haus tragen wird“. Ihm war das sehr wichtig. Wer hätte das vermutet!
Stefan Zweig sagte ja in Wien herrscht eine „Theatromanie“. Spüren Sie die auch?
Ja die ist sehr, sehr spürbar. Und es ist auch eine schöne Erfahrung gewesen, dass unser Programm im ersten Jahr so gut angekommen ist. Dass man diese Begeisterung überhaupt entfachen kann, liegt daran, dass sie im Prinzip angelegt ist, hier in der Stadt. Die Leute warten nur darauf, dass sie abgeholt werden und ins Theater gehen können. (lacht) Sie gehen nämlich auch gerne, wenn sie sich aufregen können.
Das heißt, Abos und Auslastung gehen nach der Ära Kusej konstant nach oben?
Ja, wir haben einen starken Anstieg. Wir sehen mehr Verkauf, mehr Abonnements, wir haben mehr Publikum.
Sie haben kürzlich etwas gesagt, was ich in dieser Form noch nie von dem Leiter eines Kulturbetriebs hierzulande so gehört habe. Nämlich dass, wenn alle sparen müssen, dann auch die großen Theaterhäuser. Welche Sparpläne haben Sie da für die Burg?
Ich trete nicht grundsätzlich dafür ein, dass man in der Kultur spart, denn es sind ca. 0,5% des österreichischen Gesamthaushalts, die in die Kultur fließen. Das ist wirklich sehr wenig und nichts im Vergleich zur Bedeutung, die die Kultur fürdieses Land hat. Aber wir müssen sparen, daran wird einfach kein Weg vorbeiführen. Das Problem ist, dass ein überwiegender Teil unseres Budgets an Personalkosten gebunden ist, die stetig durch Tarifausgleiche steigen und dadurch das künstlerische Budget sofort auffressen. Wir brauchen eigentlich immer mehr Geld, um auf dem gleichen Niveau bleiben zu können. Deswegen ist für mich mit Sparen auch nicht gemeint, dass wir von dem, was wir jetzt haben, nochmal runter gehen. Das könnten wir gar nicht, denn dann könnten wir den Laden zumachen.
Also wo kann man dann nun sparen?
Also bei den Personalkosten nicht, aber es gibt vielleicht Möglichkeiten im strukturellen Bereich. Unsere Rücklagen werden wir mehr oder weniger aufbrauchen, das ist bitter, und dann kommen wir natürlich irgendwann an den Punkt, wo wir sagen: Okay, jetzt muss man eine Entscheidung für oder gegen das Haus treffen. Das sage ich auch in aller Kälte. Aber ich bin immer ein Mensch des Dialogs und der Kooperation.
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