Ein renommierter Wiener Antiquar muss sich vor Gericht verantworten – nicht wegen seiner politischen Haltung, sondern wegen des Verkaufs historischer Bücher. Was nach einem Fachthema klingt, hat Sprengkraft.
Die Staatsanwaltschaft Wien wirft dem 77-Jährigen vor, durch den Online-Verkauf von Werken mit nationalsozialistischer Propaganda gegen das Verbotsgesetz verstoßen zu haben. Die nun rechtskräftige Anklage wirft ein Schlaglicht auf eine rechtliche Grauzone, die für Händler historischer Werke weitreichende Folgen haben könnte.
Bücher dürfen nicht missbraucht werden
Wie die Staatsanwaltschaft Wien in einer aktuellen Aussendung erläutert, stand die Frage im Zentrum, ob sich der Antiquar „im nationalsozialistischen Sinne betätigte“. Konkret ging es um Bücher, die NS-Propaganda enthalten und im Internet angeboten worden waren. Das Verbotsgesetz schreibt vor, dass solches Material nicht ohne Kontext oder Einordnung öffentlich angeboten und nur unter strengen Auflagen weitergegeben werden darf. Zudem muss der Besitzer sicherstellen, dass es nicht für NS-Wiederbetätigung missbraucht wird.
Käufer nicht geprüft?
Diese Voraussetzungen seien im vorliegenden Fall nicht erfüllt gewesen, heißt es seitens der Staatsanwaltschaft. Die Behörde wirft dem Mann vor, Werke mit propagandistischem Inhalt ohne Kennzeichnung online eingestellt und Käufer nicht überprüft zu haben. Dadurch habe er zumindest „bedingten Vorsatz“ in Kauf genommen – also laut § 5 Abs. 1 StGB die Möglichkeit, dass seine Handlungen zur Wiederbetätigung beitragen könnten.
Wichtig betont die Staatsanwaltschaft: Eine rechtsradikale Gesinnung wird dem Mann nicht vorgeworfen und ist für den Tatbestand auch nicht erforderlich.
Mann eigentlich ein „aufrechter Antifaschist“
Die Wiener Wochenzeitung „Falter“ beschrieb den Fall aus Sicht des Betroffenen. Demnach handelt es sich um einen der bekanntesten Antiquare des Landes, der sich selbst als „aufrechten Antifaschisten“ bezeichnet. Am 14. Jänner sei es zur Hausdurchsuchung gekommen – durchgeführt vom Landesamt für Verfassungsschutz, Referat Extremismusbekämpfung.
Vier Beamte hätten ihm den Durchsuchungsbefehl der Staatsanwaltschaft überreicht, ausgelöst durch ein von der Polizei auf seiner Website entdecktes NS-Buch. Auch seine Tochter sei in den Ermittlungen als potenzielle Staatsfeindin geführt worden.
Bücher stammen aus Nachlass
Laut Falter wurde der Antiquar, jahrzehntelang verlässlicher Lieferant der Wissenschaft, „plötzlich wie ein gefährlicher Extremist behandelt“. Die beschlagnahmten Bücher stammen teils aus dem Nachlass der Historikerin Brigitte Hamann. Dem 77-Jährigen drohen bis zu zehn Jahre Haft; die sichergestellten Werke könnten – sofern sie keinen wissenschaftlichen Wert haben – vernichtet werden.
Die Staatsanwaltschaft hält fest, dass im Fall einer gerichtlichen Einziehung jene Bücher, denen ein wissenschaftlicher Wert zukommt, nicht vernichtet würden. Stattdessen würden sie Museen oder Institutionen übergeben, die unter strenger Aufsicht damit arbeiten dürfen.
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