Neue Hoffnung aus der Krebsforschung: Eine Corona-Impfung mit mRNA-Technologie könnte die Wirkung von Immuntherapien deutlich verstärken. Krebspatienten, die geimpft sind, leben laut Studien länger – offenbar, weil die Impfung das Immunsystem zusätzlich aktiviert und den Tumor angreift.
Die Corona-Impfung ruft bei vielen Menschen gemischte Gefühle hervor. Doch US-Forscher stellten nun einen möglichen Zusammenhang zwischen der mRNA-Impfung und einer verlängerten Lebensdauer von Krebspatienten fest. Ärzte berichteten bereits 2022 in der Fachzeitschrift „Vaccines“ über eine 72-jährige Griechin, deren Hautkrebs nach mehreren Biontech-Impfungen deutlich zurückging. Sie vermuten, dass die Impfung das Immunsystem stimulierte und den Krebs angriff.
Längere Lebenserwartung mit mRNA-Impfung
In den folgenden Jahren wurden ähnliche Einzelfälle bekannt. US-Wissenschaftler präsentierten auf dem Krebskongress Esmo in Berlin Daten, die ihre Vermutung stützten. Ihre Studie, veröffentlicht in der renommierten Fachzeitschrift „Nature“, zeigte: Krebspatienten, die innerhalb von 100 Tagen nach Beginn einer Immuntherapie eine mRNA-Impfung erhielten, lebten länger als erwartet.
„Bemerkenswert“, nennt der Krebsvirologe Stephen Griffin von der University of Leeds die Ergebnisse. Denn sie betreffen Tumore, die normalerweise als „immunologisch kalt“ gelten und kaum auf Immuntherapien reagieren. Gerade diese schwierigen Krebsarten scheinen auf die mRNA-Impfung besonders anzuspringen.
Forschende des MD Anderson Cancer Center in Texas analysierten daraufhin die Daten von über 1000 Menschen mit fortgeschrittenem Haut- oder Lungenkrebs. Sie stellten fest: Patienten mit Lungenkrebs, die zusätzlich zur Immuntherapie eine mRNA-Impfung gegen Corona erhielten, lebten im Schnitt 37 Monate – ungeimpfte nur 20 Monate. Andere Impfungen zeigten diesen Effekt nicht.
Coronaimpfung als Booster für Immunzellen
Studienleiter Steven Lin hält einen Zufall für unwahrscheinlich. Laut seinen Experimenten regt die mRNA-Impfung nicht nur die Abwehr gegen das Coronavirus an, sondern auch eine allgemeine Immunreaktion mit sogenannten Interferonen. Diese aktivieren T-Zellen, die sowohl Viren als auch Krebszellen bekämpfen.
Die Immunologin Christine Falk von der Medizinischen Hochschule Hannover erklärt gegenüber der „Süddeutschen Zeitung“, dass sogenannte „Checkpoint-Inhibitoren“ – also bestimmte Krebsmedikamente der modernen Immuntherapie – die Bremse der Immunzellen lösen. Somit können Medikamente auch ohne die Corona-Impfung die Überlebensraten bei Lungen- und Hautkrebs verlängern. Für diese Entdeckung gab es im Jahr 2018 den Medizin-Nobelpreis. Jene „Checkpoint-Inhibitoren“ wirken allerdings nur bei einem Teil der Patienten. Und hier kommt die Impfung ins Spiel: Die mRNA-Impfung könne zusätzlich T-Zellen aktivieren und Tumoren angreifbar machen. So werde aus einem „kalten“ Tumor einer, der auf Immunangriffe empfindlich reagiert.
Die Immuntherapie löst die Bremse, und die Impfung tritt aufs Gas.
Immunologe Carsten Watzl vom Leibniz-Institut für Arbeitsforschung
Positiver Effekt nur bei mRNA-Impfung sichtbar
„Die Immuntherapie löst die Bremse, und die Impfung tritt aufs Gas“, sagt Immunologe Carsten Watzl vom Leibniz-Institut für Arbeitsforschung zur „SZ“. Er betont: Nur die Kombination beider Methoden könne Krebsherde verkleinern. Eine alleinige Corona-Impfung schütze aber nicht vor Krebs, da Tumoren eigene Gegenmaßnahmen entwickeln. Der positive Effekt sei laut Watzl nur mit mRNA-Impfstoffen möglich. Impfungen gegen Grippe oder andere Viren zeigen keine vergleichbare Wirkung. Dennoch sollten Krebspatienten sich nur in Absprache mit ihrem Onkologen impfen lassen, betont Falk, um Nebenwirkungen zu vermeiden.
Das Team um Steven Lin hofft auf die Entwicklung eines universellen mRNA-Impfstoffs, der das Immunsystem von Krebspatienten stärkt. Noch wirksamer könnten personalisierte mRNA-Impfstoffe sein, die gezielt gegen die Krebszellen einzelner Personen wirken – wie jene, an denen etwa Biontech in Mainz forscht. Diese Verfahren sind teuer, gelten aber als besonders vielversprechend.
USA unter Kennedy stoppte Förderungen
In den USA will Lins Team nun eine klinische Studie starten. Sie soll noch heuer beginnen. Doch US-Gesundheitsminister Robert F. Kennedy Jr. hat staatliche Förderungen für mRNA-Impfstoffe gegen Atemwegserkrankungen gestoppt. Lin sieht darin ein unbegründetes „Stigma“ und hofft, dass seine Ergebnisse bald ein Umdenken anstoßen.
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