Das von der EU verabschiedete Lieferkettengesetz bzw. eine nun geplatzte Novellierung lassen die politischen und wirtschaftlichen Emotionen hochkochen. Kritiker sehen eine regelrechte Bürokratie-Walze auf die Unternehmen zukommen. Befürworter argumentieren mit der Stärkung von Menschenrechten und Umweltschutz. NEOS-Staatssekretär Sepp Schellhorn ließ sich zu einem äußerst emotionalen Sager hinreißen.
Eigentlich hätte das Lieferkettengesetz, welches Betriebe in EU-Staaten verpflichtet, Menschenrechte und Umweltschutz bei Zulieferbetrieben einzufordern, am Mittwoch mit einer Novellierung abgeschwächt werden sollen. Doch der Kompromiss scheiterte, eine knappe Mehrheit der EU-Abgeordneten stimmte dafür, noch keine finalen Verhandlungen mit den Mitgliedsstaaten aufzunehmen.
Damit muss das Parlament im November erneut über den Inhalt des Gesetzes abstimmen. Es könnte in den entscheidenden Verhandlungen mit den EU-Staaten für strengere oder deutlich schwächere Regeln eintreten.
Wie viel bürokratischer Aufwand für Menschenrechte?
Die am Montag im Rechtsausschuss des EU-Parlaments angenommene Version des Gesetzes würde aber weiter hohe bürokratische Kosten verursachen und zugleich die meisten Verstöße und Risiken unentdeckt lassen, kritisieren das heimische Wifo und das Supply Chain Intelligence Institute Austria (ASCII).
Denn die gröbsten Verstöße fänden nicht bei den direkten Zulieferern sondern weiter entfernt in der Lieferkette statt. Als Beispiel nannte man die Kobaltproduktion im Kongo. Dort werde oft unter Einsatz von Kinderarbeit und unter lebensgefährlichen Arbeitsbedingungen Kobalt gewonnen, von diesen Betrieben sei es aber ein vielstufiger Weg bis zu den großen europäischen Abnehmern. Damit falle die Kobaltgewinnung aus dem neuen Prüfraster.
Schellhorn: „Den Linken sind die Arbeitslosen von morgen egal“
Sepp Schellhorn (NEOS), Staatssekretär für europäische und internationale Angelegenheiten, ließ sich im Zuge der Debatte zu einem fast schon radikal anmutenden Sager hinreißen: „Es geht um die Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen. Den Linken sind die Arbeitslosen von morgen anscheinend scheißegal“, wetterte Schellhorn, Bezug nehmend auf das Abstimmungsergebnis im EU-Parlament: „Jene, die gegen Entbürokratisierung gestimmt haben, schaden dem Standort massiv. Sie haben den Knall nicht gehört, es immer noch nicht verstanden.“
Auch die ÖVP zeigte sich enttäuscht, zumal man im Vorfeld im Rechtsausschuss bereits eine Einigung mit SPÖ und Grünen ausgehandelt hatte. Reinhold Lopatka, ÖVP-Delegationsleiter im Europaparlament, meinte am Mittwochnachmittag: „Die Vorläufige Ablehnung der Entbürokratisierung beim Lieferkettengesetz ist eine vertane Chance für unsere Wirtschaft und die Zukunft unserer Unternehmen.“ EU-Abgeordneter Lukas Mandl bedauert, der Weg Richtung Deregulierung habe „durch die heutige negative Abstimmung einen erheblichen Stein in den Weg gelegt bekommen“. Die rechten und linken Ränder habe das Vorhaben letztlich zu Fall gebracht, mit Unterstützung aus der politischen Mitte.
SPÖ und Grüne zufrieden mit Ablehnung
SPÖ und Grüne zeigten sich hingegen zufrieden, sie sehen noch Verbesserungsbedarf. SPÖ-Abgeordnete Evelyn Regner betonte: „Heute haben wir verhindert, das Schicksal des Lieferkettengesetzes als leere Hülle endgültig zu besiegeln. Wir haben dafür gesorgt, dass eine Position ohne wirkliche Forderungen nicht einfach durchgewunken wird. Eine Position, die wegen der Europäischen Volkspartei nicht nur wenig ambitioniert, sondern gänzlich inhaltsleer war.“
Die Grüne Abgeordneten Lena Schilling zeigte sich ebenso zufrieden: „Heute in Straßburg hat sich gezeigt: Es gibt noch eine Mehrheit, der Menschenrechte und Umweltschutz nicht egal sind. Wir werden in den anstehenden Verhandlungen weiter gegen Kinderarbeit, Ausbeutung und Umweltzerstörung kämpfen.“
Ziel der EU-Richtlinie ist der Schutz von Menschenrechten
Das europäische Lieferkettengesetz wurde eigentlich bereits vergangenes Jahr beschlossen. Ziel ist, Menschenrechte weltweit zu stärken. Große Unternehmen sollen zur Rechenschaft gezogen werden können, wenn sie von Menschenrechtsverletzungen wie Kinder- oder Zwangsarbeit profitieren. Nach Kritik von Unternehmen sollen Teile der Richtlinie vereinfacht werden, noch bevor sie angewendet werden.
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