Österreichs Regierung positioniert sich nun wie andere Länder ebenfalls gegen das EU-Lieferkettengesetz und sagt damit einem Bürokratiemonster den Kampf an. Heimische Topmanager stellen im „Krone“-Gespräch aber klar, dass das nur ein erster Schritt sein könne. Ein echter Bürokratieabbau ist noch immer nicht in Sicht.
Frankreichs Präsident Emmanuel Macron und Deutschlands Kanzler Friedrich Merz schwenkten bereits um und wollen das Lieferkettengesetz beerdigen. Auch der österreichische Wirtschaftsminister Wolfgang Hattmannsdorfer sieht das nun so. Mit der geplanten Richtlinie sollen große Unternehmen für etwaige Menschen- und Umweltrechtsverstöße ihrer Lieferanten haftbar gemacht werden. „Die Richtlinie verlagert staatliche Kontrollaufgaben auf Unternehmen“, kritisiert die Industrielle Iris Ortner, Chefin von IGO Industries, im „Krone“-Gespräch.
Tausende Unternehmen überprüfen
Flughafen-Chef Günther Ofner nennt ein Beispiel: „Wir haben am Airport Anlagen mit über 100 Bauteilen. Wenn die Anlage steht und wir ein Ersatzteil brauchen, dauert das Wochen, bis wir die Lieferkette nachvollzogen haben.“ Porr-Chef Karl Heinz Strauss kennt das Lieferkettengesetz vom deutschen Markt, wo es ein solches gibt: „Wir mussten alleine in Deutschland deswegen über 10.000 Unternehmen überprüfen. Und der Mitbewerber muss dasselbe machen!“ Auch Ortner stellt für Kunden Systeme aus hunderten Elementen zusammen. „Anstatt immer neue Pflichten zu schaffen, sollte die EU gezielt in den Aufbau von Kontrolle vor Ort investieren. Es will ja auch niemand, dass der Kakao am Frühstickstich von Kinderhänden gepflückt wird.“
Generell geht das mögliche Aus der Lieferkettenrichtlinie den Wirtschaftskapitänen nicht weit genug. Es gehe hier nur um „weniger Mehr“ statt eines tatsächlichen Bürokratieabbaus. Neue zusätzliche Vorschriften werden verhindert, dadurch fallen aber keine weg. „Die Unternehmen müssen aber auch spüren, dass gewisse Pflichten tatsächlich wegfallen, alles andere ist Ankündigungspolitik“, so Ortner. Flughafen-General Ofner nennt etwa auch die Lohntransparenzrichtlinie samt neuer Behörde, die Entwaldungsverordnung oder Verschärfungen bei der Nachhaltigkeitsberichterstattung. Ofner: „Das sind große Mühlsteine, die uns im Wachstum zurückwerfen.“
Nachhaltigkeitsberichte „liest sich niemand durch“
Vor allem die Nachhaltigkeitsberichte fressen viele Ressourcen. „Am Ende liest sich diese Hunderten Seiten und über 1000 Indikatoren niemand durch“, sagt Ofner. Dass nun eine Omnibus-Verordnung kommt, sei ein Schritt in die richtige Richtung. Damit werden einige Regulatorien gleichzeitig (gesammelt – „Omnibus“) mit einer Verordnung gleichzeitig geändert, die EU-Kommission will so Erleichterungen schaffen. Alles in allem werde hier aber nicht besonders viel abgebaut, sondern eben Berichtspflichten zusammengelegt, Schwellenwerte verändert und Fristen gestreckt, meint Unternehmerin Ortner. Auch für Strauss ist es nur „ein Tropfen auf dem heißen Stein“. Die Kosten werden so nur länger verteilt. „Doch um die Stimmung zu drehen, reicht das nicht“. Auch laut IV-Generalsekretär Christoph Neumayer sei jetzt der Moment, „zu zeigen, dass die Entbürokratisierungsversprechen ernst gemeint sind.“
Europa könne auch weiter Vorreiter in vielen Fragen wie auch der Nachhaltigkeit bleiben, die Frage sei nur das Wie. „Wenn wir Vorreiter sein wollen, sollten wir das durch erstklassige Lösungen, etwa bei der Energieeffizienz sein, aber nicht durch die meisten Vorschriften.“ Auch Strauss betont, dass viele Unternehmen von alleine auf Nachhaltigkeit (Kreislaufwirtschaft, Energieeffizienz und so weiter) setzen, da sich das einfach wirtschaftlich rentiert. „Am besten funktioniert es, wenn es auch die Politik aus einer Marktperspektive sieht“, sagt Ortner und verweist auf die USA.
Dazu kommt: Wenn in der Vergangenheit kaum entwickelte Länder etwa die Kinderarbeit abschafften und höhere Standards einführten, gelang das, indem zuvor mehr Wohlstand einkehrte – nicht, indem der Westen zuerst anderen Ländern seine Vorstellungen auferlegte und diese dann dadurch den reich wurden.
NGOs befürchten Kahlschlag
Doch das EU-Lieferkettengesetz hat auch einige Befürworter, vor allem viele NGOs wie Südwind, Global 2000 oder Attac. Nicht der „Green Deal“ gefährde die Wirtschaft, sondern hohe Energiepreise, eine falsche Industriepolitik und zu geringe öffentliche Investitionen. Das Lieferkettengesetz sei hingegen wichtig, um Umweltschutz, Menschenrechtsstandards usw. zu schützen. Es dürfe keinen Freibrief für die Verletzung von wichtigen Standards geben.
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