Gestern und heute füllen Volbeat gleich zweimal die Wiener Stadthalle bis auf den allerletzten Platz. Zum Auftakt gab es gute Laune, alle Hits, harte Thrash-Riffs und Liebesbekundungen für Formel-1-Superstar Max Verstappen. Unbesungene Helden im Vorprogramm: die britischen Grunge- und Alternative Rock-Musiker Bush.
Kaum als eine der vier Headliner des nächstjährigen Nova Rock Festivals in Nickelsdorf angekündigt, machen die dänischen Chart-Rocker Volbeat auch schon der Wiener Stadthalle (wieder) ihre Aufwartung. Seit 2011 sind sie hier in Zwei- bis Dreijahresabständen Stammgäste. So oft wie überhaupt kaum eine Band außerhalb des deutschsprachigen Raums über so lange Zeit eine so treue und reichhaltige Fanbase um sich schart wie Michael Poulsen und Co. Doch vorher gilt es am kühlen letzten Septemberabend noch zwei Vorbands zu bewundern, die es in sich haben. Das Quartett Witch Fever hatte im Publikum vorher wahrscheinlich noch niemand auf der Rechnung. Die vier durchaus aggressiven Damen gibt es schon fast zehn Jahre und sie waren auch schon mit dem Internet-Hype Poppy auf Tour, hierzulande hatten sie es davor aber noch nie geschafft.
Alles an der Band sagt „nein“
Sehr schade, denn die Show macht definitiv Lust auf mehr. Musikalisch setzt man auf viel Verzerrung und Distortion-Pedale – die Devise ist Stumpf ist Trumpf und die passt definitiv zur verneinenden Lebenshaltung, die man mimisch und gestisch vor sich herträgt. Blickfang ist definitiv Frontfrau Amy Walpole, die den Volbeat-Bühnensteg vorne gar nicht mehr verlässt, um ihre mit Hass gewürzten und von später Teenager-Melancholie durchzogenen Texte direkt in die Gesichter der durchaus überraschten, bis überforderten Volbeat-Fans zu singen, schreien und kreischen. Die Instrumentalfraktion hat als Klangbasis eine Mischung aus heftigem Grunge aus der Genre-Spätphase und aggressiven Alternative Rock zur Unterlage, eigentlich wildert man aber auch in Punk-Gefilden und zitiert alles, was in den 90er- und frühen 2000er-Jahren Lärm und Spaß machte. Das schreit nach mehr und einem Clubgig als Headliner – vielleicht ja bald mit dem zu Halloween erscheinenden zweiten Album „Fevereaten“.
Gute und hierzulande auch gern gesehene alte Bekannte sind die britischen 90er-Jahre-Poster-Rocker Bush, die hier und da im Gasometer konzertieren, aber eigentlich viel zu selten in unseren Breitengraden auftreten. Als Hauptsupportband von Volbeat ist ihnen zwar eine üppige Europatour gesichert, das Publikum der dänischen Country-Metaller interessiert sich nur weniger als Nüsse für die Kultband aus vergangenen Zeiten. Das ist schade, denn der in knapp einem Monat auch schon 60 werdende Frontmann Gavin Rossdale befindet sich in mehrfacher Topform. Körperlich ist der Ex-Mann von Gwen Stefani fit wie ein Turnschuh, die Stimme ist so gut wie seit Jahren nicht mehr und angetrieben von einer ausufernd intrinsischen Motivation wagt er sich auch einen ganzen Song lang ohne Security-Hilfe (!) durch die Massen in der Wiener Stadthalle. Dieses Höchstmaß an Selbstvertrauen ist ihm angesichts seines Status und der Musik natürlich zuzugestehen, das Publikum macht es ihm aber nicht leicht, die gute Laune über eine knappe Auftrittsstunde aufrechtzuerhalten.
Unbesungene Helden
Die Hochform von Bush zieht sich dabei über ihre gesamte Musikkarriere. Brandneues Material wie „I Beat Loneliness“ wird genauso herzhaft und freudig exerziert wie Klassiker à la „Everything Zen“ oder „Machinehead“. Das sehr eindringliche „The Land Of Milk And Honey“ beweist zudem, dass diese 90er-Größe tatsächlich auch noch in der Gegenwart richtig gute Songs verfassen kann. Die zwei größten Hits werden heute Abend ganz in die Hände bzw. auf die Stimmbänder von Frontmann und Bandboss Rossdale gelegt. Die famose Ballade „Swallowed“ zelebriert er nur mit Synthie-Unterstützung vom Band, für das eindringliche „Glycerine“ schnallt er sich die E-Gitarre um, gewährt seiner Band aber erneut eine kreative Schaffenspause. Wie sich die Truppe mit einer kurzen, aber punktgenauen Setlist abmüht, nur um auf eine Welle der Ignoranz zu stoßen, tut beim Zuschauen weh. Nächstes Mal bitte wieder extra als Headliner kommen.
Die längst in die Champions League des Rock’n’Roll aufgestiegenen Volbeat haben nach zwei ruhigeren Jahren, die Frontmann Poulsen nach einem Touring-Monsterprogramm auch brauchte, wieder Lunte gerochen und den Spaß am Tun wiedergefunden. „God Of Angels Trust“, das neue Album, das in Österreich wie Deutschland, das fünfte in Serie war, das auf die eins ging, hat zuweilen auch wieder das kompositorische Feuer zurückgewonnen, das den Dänen schon länger fehlte. Der Preis, den Poulsen für den Eintritt in die Festival-Headlinersphären zahlt, ist jener der metallischen Glaubwürdigkeit. Das aktuelle Album vermischt die härteren mit den softeren Volbeat, aber nicht zuletzt eineinhalb Jahre auf Tour mit seiner astreinen Metalband Asinhell hat den Frontmann wieder die Lust zum akustischen Totschlagen zurückgebracht. Songs wie „Demonic Depression“ oder Teile von „By A Monster‘s Hand“ beweisen, dass das Metallica-Worshipping noch immer ein wichtiger Teil der Band-DNA ist.
Döp-Döp-Döröp – Max Verstappen
Wobei: Das Wort Inspiration greife ohnehin zu kurz, wie Poulsen zu Beginn von „Sad Man’s Tongue“ dem Publikum entgegenraunt und nonchalant zugibt, man habe von Johnny Cash beinhart gestohlen. In vollen Riesenarenen lässt es sich leichter ehrlich sein, aber Volbeat waren schon immer eine Band, die gut geklaut und das für den eigenen Sound umgesetzt hat. Metallica, Cash und Elvis Presley sind die drei Säulenheiligen, die man aus unterschiedlichen Songs wie dem melancholischen „Fallen“, dem vorantreibenden „Shotgun Blues“ oder der Hymne „Heaven Nor Hell“ heraushören kann. Neben dem bloßen Sound fallen die Charaktere auf. Drummer Jon Larsen verrichtet sein Werk stoisch und professionell, Bassist Kasper Boye Larsen sieht aus wie ein Stadtbobo in der Midlife-Crisis, der sich mit seinem Buckethead beim Oasis-Merch verirrt hat und Tourgitarrist Flemming C. Lund würde man vor lauter brav sofort eine Haushaltsversicherung mit Zusatzklauseln abkaufen. Poulsen outet sich mit einem Shirt als Max Verstappen-Fan und singt angesichts dessen heutigen 28. Geburtstags auch gleich zweimal (!) mit den Fans ein rhythmisches Ständchen. Kollektive Rock’n’Roll-Coolness schaut jedenfalls anders aus.
Frei nach dem Motto „let the music do the talking“ ist ein Volbeat-Konzert aber auch kein Modeschaulauf, sondern ein musikalischer Riffmarathon, der die Fans so glücklich macht, wie die Fans Poulsen glücklich machen. Von einem wachsenden Herz spricht er und davon, dass er das Publikum wirklich liebe. Österreich war immer ein guter und wichtiger Boden für Volbeat, diese Liebe scheint für immer, „For Evigt“ gemacht zu sein, um den vielleicht größten Hit der Band zu zitieren. Dazwischen imitiert der Sänger Ziegengelächter, verschenkt T-Shirts an Crowdsurfer und holt bei „Still Counting“ eine ganze Wagenladung Kinder auf die Bühne – womöglich um sie früh genug zu leiten und von den Rock-Teufeln Elektronik und Rap abzubringen. Die gut eineinhalbstündige Hitparade sticht nicht heraus, ist aber souverän und nahe an der Perfektion runtergespielt. Die Liebe von den Fans wird Volbeat heute Abend noch einmal genauso spüren, wie Bush sie nicht spüren wird – es gibt nämlich ein Da Capo vor erneut randvoller Hütte. Das nächste Wiedersehen gibt es dann im Juni 2026 beim Nova Rock. Angesichts der aktuellen Besucherzahlen sollt man veranstalterseitig vielleicht doch bald eine Happel-Stadion-Buchung andenken …
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