Der Amoklauf am BORG Dreierschützengasse in Graz erschüttert ganz Österreich. Ob Mobbing das Motiv für den Täter war, ist noch nicht wirklich geklärt. Fest steht jedoch: Bei Problemen von Schülern braucht es niederschwellige Anlaufstellen. Schulsozialarbeit kann frühzeitig helfen, Probleme zu lösen.
Fassungslosigkeit und Trauer herrscht nach dem Amoklauf in der steierischen Landeshauptstadt. Viele Fragen sind noch offen. Der Täter soll die Bluttat wegen Mobbings begangen haben. Ob dies tatsächlich das Motiv war, wird noch ermittelt. Sollte sich der Verdacht bestätigen, wäre dies ein weiteres mahnendes Beispiel dafür, wie entscheidend ein funktionierendes Unterstützungsnetz an Schulen sein kann – insbesondere durch Schulpsychologie und Schulsozialarbeit.
Norbert Urabl, der sichtlich betroffene und um Worte ringender stellvertretende Direktor des BORG Dreierschützengasse, appellierte im „ZIB2“-Interview eindringlich für den Ausbau von Unterstützungsangeboten: „Es ist wichtig, dass wir sensibel sind. Bei Menschen, die sich aus irgendeinem Grund benachteiligt fühlen, erkranken, ausgeschlossen werden, müssen wir immer wieder hinschauen und versuchen, ihnen Hilfe anzubieten.“ Externe Hilfsangebote wie der schulpsychologische Dienst oder die Schulsozialarbeit könnten dabei entscheidend sein. „Ich glaube, man muss diese Angebote ausbauen und wirklich auch gut den Schülern näherbringen“, meinte Urabl.
Schulsozialarbeit als Anlaufstelle für alle
Die Schulsozialarbeit gilt als erste Anlaufstelle für Schüler, Eltern und Lehrpersonen – unabhängig, vertraulich und freiwillig. „Gerade diese Niederschwelligkeit mache sie so wirksam“, erklärt Katharina Spiss, die die Schulsozialarbeit beim Institut für Sozialdienste (ifs) zusammen mit Dominik Meusburger leitet. Die Schulsozialarbeit wird dabei immer wichtiger: Psychische Auffälligkeiten, Ängste, Selbstwertprobleme, familiäre Belastungen und Schulverweigerung nehmen zu. Schulsozialarbeiter sehen sich täglich mit einem breiten Spektrum an Herausforderungen konfrontiert. Sie leisten Entlastungsgespräche, vermitteln bei Bedarf weiter.
Die Arbeit wird immer wichtiger: Psychische Auffälligkeiten, Ängste, Selbstwertprobleme und familiäre Belastungen nehmen zu.
Katharina Spiss, Leiterin Schulsozialarbeit beim ifs
Bild: ifs Vorarlberg
Die Schüler kommen oft aus Eigeninitiative, Lehrpersonen oder Eltern schlagen Gespräche vor. Spiss betont, dass es wichtig sei, dass die Schulsozialarbeit keine schulinterne Institution ist, sondern als externe, neutrale Stelle arbeitet. Genau das schaffe auch Vertrauen bei den Schülern.
Aktuell gibt es in zehn Gemeinden stationäre Schulsozialarbeit. In den anderen Gemeinden stehen mobile Schulsozialarbeiter zur Verfügung, die je nach Bedarf in die Schulen kommen. Spiss bekräftigt, dass mehr Angebote – vor allem stationäre – durchaus hilfreich sein könnten. Gerade bei mobilen Angeboten sei der Zugang für Schüler schwieriger. Stationär anwesende Schulsozialarbeiter könnten besser Beziehungen aufbauen, Vertrauen schaffen und schneller reagieren.
Gewaltprävention statt Eskalation
Ein zentrales Tätigkeitsfeld ist die Gewalt- und Konfliktprävention. „Konflikte gibt es viele. Wenn sie nicht frühzeitig gelöst werden, kann Mobbing entstehen“, sagt Meusburger. Der Begriff „Mobbing“ werde allerdings oft zu schnell verwendet. „Klassisches Mobbing ist ein längerer Prozess mit systematischer Abwertung“, erklärt er. Wird ein solcher Fall festgestellt, müsse mit dem gesamten System gearbeitet werden: mit Opfer, Täter, Klasse, Schulleitung und Eltern. Schulsozialarbeit bietet Einzelgespräche, aber auch Gruppenarbeit, Workshops und Projekte zu unterschiedlichen Themen – je nach vorhandenen Ressourcen.
Konflikte gibt es viele. Wenn sie nicht frühzeitig gelöst werden, kann Mobbing entstehen. Dann muss mit allen gearbeitet werden.
Dominik Meusburger, Leiter Schulsozialarbeit beim ifs
Bild: ifs Vorarlberg
In Bludenz etwa ermöglicht die zusätzliche Finanzierung durch die Stadt intensivere Gewaltpräventionsprojekte mit Workshops zur Klassengemeinschaft, Konfliktlotsen und Elternbeteiligung. Die aktive Beschäftigung mit den Themen sei wichtig, so Meusburger. „Je mehr sich Jugendliche beteiligen können, umso besser funktioniert es.“ Doch solche Projekte sind nur möglich, wenn Gemeinden zusätzlich investieren.
Zahl der Stellen soll bis 2026 erhöht werden
Bis 2026 will das Land die Zahl der Vollzeitstellen von derzeit 22 auf 40 erhöhen. „Das ist eine gute Basis, auf die sich aufbauen lässt“, sagt Spiss – betont aber gleichzeitig: „Mehr wäre immer besser. Wir könnten dann noch präventiver arbeiten und mehr abfangen, bevor es eskaliert.“
Unklar ist, ob angesichts des Spardrucks künftig zusätzliche Stunden von Gemeinden finanziert werden können. Die Schulsozialarbeit und die Hilfe für Kinder und Jugendliche lebt damit vom politischen Wohlwollen und Willen. Amokläufe wie jener in Graz führen schmerzlich vor Augen, was auf dem Spiel steht. Auch wenn nicht jeder tragische Einzelfall verhindert werden kann, ist klar: Je präsenter, besser ausgestattet und verzweigter das soziale Netz an Schulen ist, desto eher lassen sich Probleme frühzeitig erkennen – und vielleicht sogar verhindern.
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