"Europe-v-Facebook"

Wiener Jusstudent will gegen Facebook vor Gericht ziehen

Web
04.12.2012 08:40
Facebook droht ein langwieriges Gerichtsverfahren in Europa: Die österreichische Initiative "Europe-v-Facebook" rund um den Wiener Jusstudenten Max Schrems will wegen mangelnden Datenschutzes gegen das soziale Netzwerk vor Gericht ziehen. "Das Verfahren könnte zu einem der größten Musterverfahren im Bereich Datenschutz werden und hätte gute Chancen, bis zum Europäischen Gerichtshof zu gehen", teilte die Gruppe am Dienstag mit.

Die Initiative drängt seit über einem Jahr auf einen besseren Datenschutz für Facebook-Nutzer und hat bereits etliche Anzeigen gegen das Netzwerk eingebracht. Seither kümmert sich die zuständige Datenschutzbehörde in Irland um den Fall, wo die Europa-Tochter von Facebook ihren Sitz hat. Bislang jedoch nur mit mäßigem Erfolg, so der Vorwurf.

Irische Datenschutzbehörde soll schlampig gearbeitet haben
In einem 70-seitigen "Gegenbericht" attestiert die Initiative der irischen Behörde eine schlampige und ungenaue Arbeitsweise. "In vielen Fällen fragt man sich, ob die Behörde auch nur irgendwas ordentlich überprüft hat oder Facebook einfach blind vertraute", so Schrems. Teilweise habe Facebook der Behörde auch einfach etwas vorgespielt und diese "eiskalt an der Nase herumgeführt".

So seien Behauptungen von Facebook etwa einfach übernommen worden, obwohl viele mit wenigen Screenshots widerlegbar gewesen wären, so die Kritik an der Behörde, die der Initiative zufolge unter 21 Mitarbeitern keinen einzigen Juristen oder Techniker habe. "Man muss die irische Behörde verstehen: Sie sind von Facebook mit unzähligen Anwälten überrollt worden. Auf der anderen Seite haben wir in der EU aber auch ein Grundrecht auf Datenschutz, und bei Grundrechten hört sich unser Verständnis für halbe Lösungen auf."

"Man fragt sich, wer das überprüft und abgenommen hat"
In vielen Punkten habe es zwar Lösungen gegeben, aber meist seien diese auf halbem Weg stecken geblieben. So hätten etwa die 40.000 Nutzer, die von Facebook Einblick in ihre Daten gefordert hatten, diese bis heute nicht erhalten. Die dafür vorgesehene gesetzliche Frist von 40 Tagen sei nun schon um das 13-Fache überschritten. Im Test hätten die eigenen "Auskunftstools" des Netzwerks oftmals sogar nur weiße Seiten produziert. Schrems: "Man fragt sich, wer das überprüft und abgenommen hat."

Beauftragter Sachverständiger nur "Postkastenfirma"?
Kritik entzündet sich auch an einem "externen Sachverständiger", der sich laut "Europe-v-Facebook" in Fragen der Datensicherheit auf unüberprüfte Angaben von Facebook bezogen haben soll. Der Experte argumentiert, er habe in den Medien noch nichts von Datenlecks bei Facebook gelesen, daher gebe es keinen Grund zum Zweifel. "Das ist, wie wenn ein Bautechniker sagt, solange er in der Zeitung nichts vom Einsturz einer Brücke gelesen hat, wird diese schon sicher sein", kritisiert Schrems.

Zudem scheint die verantwortliche Sachverständigenfirma eine "Postkastenfirma" zu sein. Auf der Website finde man keine Adresse, und die URL sei auf ein Unternehmen in Florida zugelassen. Im irischen Firmenregister sei der Firmenname unter einer Wohnadresse in einem kleinen Dorf zu finden.

"Es ist Zeit, Nägel mit Köpfen zu machen"
Man werde die irische Datenschutzbehörde daher nun abermals auffordern, die notwendigen Unterlagen und Beweise auszuhändigen - bisher verweigerte sie jede Akteneinsicht. Danach wolle man eine formelle und rechtsgültige Entscheidung aller Anzeigen verlangen. Laut Schrems werde es nach über einem Jahr "Zeit, Nägel mit Köpfen zu machen und eine verbindliche Entscheidung in Irland zu bekommen".

Gerichtskosten sollen durch Spenden finanziert werden
Offen ist aber noch, wie die Studenten die Klage finanzieren. Nach Einschätzung Schrems' liege das Kostenrisiko bei 100.000 bis 300.000 Euro. Um diese "unglaublichen Gerichtskosten" zu finanzieren, hat der gemeinnützige Verein daher eine Spendenplattfirm im Internet eingerichtet.

Unter crowd4privacy.org könnten Nutzer spenden. Werde nicht genug Geld gesammelt oder werde nicht alles gebraucht, könnten die Spender ihr Geld sogar zurückbekommen. Zusätzlich würden alle Zahlungen aus den Spenden online veröffentlicht. "Das ist auch Selbstschutz, denn wir wollen klarstellen, dass wir daran nichts verdienen", so Schrems. Das Ziel von 100.000 bis 300.000 Euro bezeichnet der Jusstudent als "sehr ambitioniert".

"Signalwirkung für die gesamte Online-Industrie"
"Durchschnittlich haben die Leute bisher 20 Euro gespendet. Wenn wir 5.000 Unterstützer finden, dann können wir die wichtigsten Dinge vor die Gerichte bringen. Wenn wir sogar 15.000 Leute finden, können wir aus allen Kanonen schießen. Wenn es nicht funktioniert, dann haben wir zumindest alles versucht", sagte Schrems. Sollte die Sache aber vor die Gerichte kommen, "dann würde das mit großen Chancen sogar bis zum Europäischen Gerichtshof gehen. Eine Entscheidung dort hätte Signalwirkung für die gesamte Online-Industrie, ähnlich wie damals die Microsoft-Entscheidungen im Kartellrecht".

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