Verbrennungsopfer

„Die Menschen nehmen tagelange Fußmärsche in Kauf“

Gesund Aktuell
01.07.2023 14:00

Ein österreichischer Chirurg operierte ehrenamtlich Patienten, darunter viele Kinder, mit verwachsenen Narben durch Verbrennungen, mit großen offnenen Wunden, Tumoren, Leistenbrüchen uvm. in einem Landspital in Ruanda, Afrika. 

Vier- oder fünftägige Fußmärsche, tagelanges geduldiges Ausharren mit offenen Wunden, Schmerzen, Verbrennungsnarben vor einem ostafrikanischen Landspital. Dieses Bild bot sich Prof. Dr. Chieh-Han John Tzou, Facharzt für Plastische, Rekonstruktive und Ästhetische Chirurgie im Göttlicher Heiland Krankenhaus in Wien bei seiner Ankunft am Kirinda-Bezirkskrankenhaus in Ruanda im heurigen Frühjahr.

„Die Menschen in Afrika, vor allem außerhalb der Städte, kennen es leider nicht anders. Aber es macht mich immer noch traurig, wenn ich an die vielen Patienten denke, die so hoffnungsvoll auf unser chirurgisches Team warteten, weil sie sonst keine adäquate Versorgung bekommen konnten“, berichtet der österreichische Arzt mit taiwanesischen Wurzeln. Wie etwa ein 17-jähriger junger Mann, dessen Haut bei einem Feuerunfall zu 50 % verbrannte und der von einem anderen Spital zugewiesen wurde.

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Aber es macht mich immer noch traurig, wenn ich an die vielen Patienten denke, die so hoffnungsvoll auf unser chirurgisches Team warteten, weil sie sonst keine adäquate Versorgung bekommen konnten.

Prof. Dr. Chieh-Han John Tzou, Facharzt für Plastische, Rekonstruktive und Ästhetische Chirurgie

Es waren bei ihm auch nach drei Monaten erst 20% der betroffenen Stellen abgeheilt, der Rest offen. Er und viele andere können dort nur mit konservativen Methoden oft unzureichend behandelt werden. Man will sich seine Leiden gar nicht vorstellen. Härtefälle, die auch dem Freiwilligen-Team aus zwei Chirurgen, einem Anästhesisten, je einer OP- und Anästhesiekrankenpflegerin aus Österreich, Deutschland und Polen nahegingen.

Alle Patienten wurden untersucht, 60 davon operiert. (Bild: Dr. Tzou)
Alle Patienten wurden untersucht, 60 davon operiert.

Sieben Koffer mit medizinischer Ausrüstung
Prof. Tzou: „So wie die anderen auch, wurde ich vom Deutschen Gemeinschafts-Diakonieverband, Organisator Dr. Joachim G. Drechsel, gefragt, ob ich bei dem Projekt mitarbeiten möchte. Die Deutsche Diakonie schickt alle drei Monate ein Team. Ich wurde dafür vom Göttlichen Heiland Krankenhaus für zwei Wochen freigestellt und bekam Equipment im Wert von 30.000 Euro zur Verfügung gestellt. Neben Instrumenten dazu Naht-, Verbandsmaterial, OP-Mäntel, Schlingen. Die anderen Kollegen haben auch Medikamente gebracht.“

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Ich wollte als Kind eigentlich Techniker werden, doch war während meiner Medizinausbildung in Wien von Plastischer Chirurgie fasziniert. Dabei kann man Fachwissen mit Kreativität verbinden.

Prof. Dr. Chieh-Han John Tzou, Facharzt für Plastische, Rekonstruktive und Ästhetische Chirurgie

Mit 150 kg Gepäck und sieben Koffern kam er in der Hauptstadt Kingali an, mehrere Stunden lang ging es danach 80 km über unwegsame Bergstraßen in einem Jeep ins Landesinnere zum Kirinda-Hospital. „180 Patienten hatten sich bereits angemeldet, etwa ein Drittel davon Kinder. Viele waren schon Tage vor unserem Eintreffen angekommen, alle waren sehr zurückhaltend, geduldig und freundlich. Das beeindruckte mich besonders, das sind wir in Österreich nicht gewohnt. Am ersten Tag konnten wir etwa 40 Patienten begutachten und Operationen planen. Insgesamt konnten wir 60 Personen chirurgisch versorgen.“

V. li.: Plastischer Chirurg Chieh-Han John Tzou, Angelika Möhrer (Anästhesie-Pflege), Joachim Gröschel (Anästhesist, Teamleader), Natalia Krzesniak (Ärztin für Plastische, Rekonstruktive Ästhetische Chirurgie und Allgemeinchirurgie), Anja Schäfer (Chirurgie-Pflege, OP-Schwester). (Bild: Dr. Tzou)
V. li.: Plastischer Chirurg Chieh-Han John Tzou, Angelika Möhrer (Anästhesie-Pflege), Joachim Gröschel (Anästhesist, Teamleader), Natalia Krzesniak (Ärztin für Plastische, Rekonstruktive Ästhetische Chirurgie und Allgemeinchirurgie), Anja Schäfer (Chirurgie-Pflege, OP-Schwester).

In einem (sonst ungenützten) OP-Raum mit Aufwachzimmer ohne Monitore, mit drei Betten. So mussten die Mediziner und Pfleger ständig zwischen Patienten, die operiert wurden, aus der Narkose erwachten oder Nachsorge benötigten, hin- und herlaufen. 12 Stunden täglich. Zwei Wochen lang. Danach Besprechungen für den nächsten Tag.

Viele Kinder haben Verbrennungsnarben
Als Unterstützung fungierten ein Arzt in Ausbildung, ein Pfleger aus der Region und eine Mitarbeiterin der Organisation Coworkers, die Englisch, Französisch bzw. den örtlichen Dialekt übersetzten, bei Visite, Verbandswechsel, in der Ambulanz halfen. „Viele Kinder mit verwachsenen, verhärteten, verzogenen Verbrennungsnarben hatten verkrümmte Hände und Füße, Behinderungen, die sie ein Leben lang begleiten würden. Das konnten wir plastisch-chirurgisch meist gut behandeln.“

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Viele Kinder mit verwachsenen, verhärteten, verzogenen Verbrennungsnarben hatten verkrümmte Hände und Füße, Behinderungen, die sie ein Leben lang begleiten würden. Das konnten wir plastisch-chirurgisch meist gut behandeln.

Prof. Dr. Chieh-Han John Tzou, Facharzt für Plastische, Rekonstruktive und Ästhetische Chirurgie

Dazu kam die Versorgung von Weichteiltumoren, Leisten- und Nabelbrüchen, Strumen („Kropf“), chronischen, nicht heilenden Wunden. „Wir sahen Patienten, die schon drei Jahre lang mit großflächigen offenen Stellen leben mussten“, ist Prof. Tzou immer noch betroffen. Doch der Blick in die dankbaren Augen der Kinder und ihrer Mütter entschädigt für jede Mühe, gibt Hoffnung und Kraft. Ein guter Grund, sich  wieder für so einen Einsatz zu melden. Das nächste Team ist schon unterwegs.

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