Landeschef Drexler:

„Das Kanzleramt gleicht mitunter dem Hauptpostamt“

Steiermark
02.09.2022 06:00

Steiermarks Landeschef Christopher Drexler sieht zu viele am Ballhausplatz geschnürte Hilfspakete. Aber auch Thomas Stelzers Kritik an den Russland-Sanktionen findet er nicht gut.

Als Landeshauptmann ist Christopher Drexler noch ein „Frischling“. Gerade mal acht Wochen ist er im Amt. Das Interview über Sanktionen, Teuerung und die ÖVP.

„Krone“: Ganz Österreich ist verwundert, dass ein Bürgermeister wie Michael Ludwig so große Verfügungsmacht hat, über Nacht 1,4 Milliarden Euro Steuergeld locker zu machen. Gibt Ihnen die steirische Verfassung auch eine solche Macht?
Christopher Drexler: Notverordnungen sind möglich, aber nicht vorbei am Landtag, und schon gar nicht für einen Fall wie den aktuellen in Wien. Ich bin verwundert über die Lässigkeit des Umgangs, über diese besondere Art der Leichtigkeit des Seins, die man in der Bundeshauptstadt an den Tag legt.

Bei den Strompreisen gibt es eine Verdoppelung. Wie groß ist Ihre Angst vor dem Winter?
Große Sorge ist angebracht. Leider nicht nur wegen der explodierenden Energiekosten für Privathaushalte, sondern auch für die Wirtschaft – neben der Industrie vor allem für kleine und mittelständische Unternehmen. Viele von diesen wären froh, wenn es nur eine Verdoppelung der Kosten geben würde. Viele rechnen mit deutlich höheren Teuerungen.

Wie hoch?
Mit einer Vervielfachung.

Verhandelt die Regierung schon über die Strompreisbremse für Unternehmen?
Sie ist das Gebot der Stunde. Auch die Wirtschaft braucht die Strompreisbremse. Es gibt wohl Überlegungen – und ich werde das Thema in den Gesprächen mit der Bundesregierung klar thematisieren.

Sind die unterschiedlichen Maßnahmenpakete der Regierung, wie der Klima-Bonus, sinnvoll? Die Analyse der Corona-Hilfen hat ja gezeigt: Hier wurde ineffizient zu viel an oftmals die falschen Leute mit dem Gießkannenprinzip ausgeschüttet.
Besondere Zeiten brauchen besondere Maßnahmen. Im Nachhinein ist man immer gescheiter, man sollte jetzt aber nicht mit dem Beckmesser die Corona-Hilfen schlechtmachen. Wichtig ist, dass man aus den Fehlern lernt und dass in normalen Zeiten diese Pakete-Politik beendet wird. Kanzleramt gleicht mitunter ja dem Hauptpostamt – so viele Pakete werden da geschnürt.

Ein anderes Krisenthema: Die Zahl der Asylwerber steigt wieder deutlich an, in den Bundesasylzentren geht es rund, in einem steirischen Zentrum sind kürzlich gar 266 Asylwerber spurlos verschwunden. Hat der Innenminister alles im Griff?
Die Migrationsströme bereiten mir große Sorge, 2015 darf sich nicht wiederholen. Ich bin aber optimistisch, denn das Innenministerium ist bei Gerhard Karner in guten Händen. Grundsätzlich bekennt sich jeder vernünftige Mensch dazu, dass jemand, der wirklich verfolgt oder bedroht wird, einen sicheren Hafen finden soll. Aber es gibt keinen Grund, dass jemand sich den sicheren Hafen aussuchen kann. Hier muss es vor allem eine Bewegung in der europäischen Diskussion geben.

Christopher Drexlers Rolle

Hermann Schützenhöfer hatte lange warten müssen, bis er Steiermarks Landeshauptmann wurde. Deswegen wäre er es gerne noch etwas länger geblieben, trotzdem hat rechtzeitig und mit Vorbereitung an Christopher Drexler übergeben. Das Erbe ist nicht leicht.

Bis auf ein Intermezzo in der Zeit von Herbert Kickl von der FPÖ ist das Innenministerium seit mehr als 20 Jahren in ÖVP-Hand. Wir hören immer dieselben Sätze, an der Situation hat sich aber nichts geändert. Die ÖVP hat hier offenbar versagt.
Nein, die ÖVP hat in der Asylpolitik überhaupt nicht versagt. Wir werden gemeinsam auf Gemeinde-, Landes- und Bundesebene alles tun, um einer ähnlichen Entwicklung wie 2015 einen Riegel vorzuschieben.

Bleiben wir bei der ÖVP: Landeshauptmann Thomas Stelzer meinte kürzlich, dass die Sanktionen gegen Russland überdacht werden müssen. Ist die ÖVP in dieser Frage gespalten?
Ich halte die Formulierungen von Thomas Stelzer dazu für nicht glücklich. Es ist nicht angezeigt, in einer derart dramatischen weltpolitischen Frage lokalpolitisches Kleingeld zu wechseln. Das steht Österreich nicht gut an. Die Sanktionen können morgen enden, wenn Putin seinen verbrecherischen Angriffskrieg sofort beendet.

Wolfgang Sobotka hat in einem Interview von einem Vernichtungsfeldzug gegen die ÖVP gesprochen und dass die Bedingungen, unter denen Sebastian Kurz weichen musste, bedenklich waren. Ist das nicht eine sehr einseitige Sicht der Dinge?
Ich sehe es ein wenig gelassener als Sobotka. Es ist nicht verwunderlich, dass sich die Opposition an der ÖVP abarbeitet, weil die ÖVP in der überwiegenden Zahl in den Gemeinden, in den Ländern und auch in der Bundesregierung die Verantwortung trägt. An Splittergruppen mit sieben oder acht Prozent wird sich die Opposition nicht reiben. Insofern braucht man hier auch eine gewisse Leidensfähigkeit.

Also kein Feldzug und keine Verschwörung.
Ich habe eine große Skepsis allen Verschwörungen gegenüber. Natürlich ist es bemerkenswert, mit welcher Inbrunst man sich auf die ÖVP einschießt. Wenn man vom U-Ausschuss redet: Allein der parlamentarische Lausbubenstreich, diesen U-Ausschuss als ÖVP-U-Ausschuss zu bezeichnen, impliziert ja schon, dass es nicht ums Untersuchen geht, sondern ums Anpatzen. Mich würde jetzt ein anderer U-Ausschuss interessieren: Wie kann ein Energieversorgungsunternehmen wie die Wien Energie in diese Schieflage geraten, dass man in Wochenendstimmung um Milliarden ansuchen muss?

Dieses Thema zu einem U-Ausschuss im Parlament zu machen funktioniert nicht, weil es nicht in der Verantwortung des Bundes liegt.
Ich bin daher froh, dass sich der Rechnungshof der Causa annimmt. Und wenn der Bericht dann vorliegt, kann es schon eine parlamentarische Debatte geben. Alles andere würde mich wundern.

Sollte es statt Schuldzuweisungen nicht eher ein Miteinander in der Krise geben?
Die gesamte Politik ist in einer tiefen Vertrauenskrise. Es braucht eine neue politische Kultur – eine Kultur der vertrauensvollen Zusammenarbeit. Wenn schon ich einen Ausschalt-Impuls habe, wenn ich eine Debatte im Parlament höre, dann möchte ich nicht wissen, wie es den Österreichern geht.

An dieser Stimmung hat Sebastian Kurz eine große Mitverantwortung. Er mochte die SPÖ nicht, er ignorierte gerne das Parlament.
Seine tiefe Skepsis gegenüber einer Zusammenarbeit mit der SPÖ war ein Fehler. Punkt. Ich bin der Überzeugung, dass Große Koalitionen viel mehr Gestaltungskraft entwickeln können, als man ihnen zuschreibt. Kurz hat diese politische Stimmungslage ja nicht erfunden. Die Zusammenarbeit war seit 2006 suboptimal, weil sie von tiefem wechselseitigem Misstrauen getragen war. Das muss überwunden werden. Der steirische Weg zeigt, dass eine Große Koalition erfolgreich sein kann.

Ist Karl Nehammer der nächste Spitzenkandidat?
Ich gehe mit Sicherheit davon aus. Die Gerüchte waren ein fremd induzierter Sturm im Wasserglas.

Bei der Amtsübergabe hat Ihnen Hermann Schützenhöfer ein PR-Desaster hinterlassen, als er meinte, man müsse an Ihrer Beliebtheit arbeiten. Sind Sie ihm noch böse?
Ich bin dem Hermann Schützenhöfer nie im Leben böse gewesen. Ich weiß, wie er es gemeint hat. Außerdem arbeite ich seit 3. Juni intensiv daran.

Oliver Pokorny
Oliver Pokorny
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