Taxi-Geschichten

Taxi oder Bus: Wie Corona zum Nachdenken brachte

Wien
28.08.2022 16:00

Wir fahren mit und hören zu. „Krone“-Reporter Robert Fröwein setzt sich auf die Taxi- oder Uber-Rückbank und spricht mit den Fahrern über ihre Erlebnisse, ihre Sorgen, ihre Ängste. Menschliche Geschichten direkt aus dem Herzen Wiens.

Mirko kutschiert mich den Gürtel entlang und freut sich über die Sonne, die nach ein paar düsteren Tagen und Sturmwarnungen wieder vom Himmel strahlt. „Der Sommer ist zwar wieder viel zu heiß, aber er ist mir immer noch lieber als diese graue Herbststimmung. Wien ist viel zu lange im Jahr düster und grau, da muss es nicht jetzt auch schon so diesig werden.“ Der Kroate wirkt am Vormittag noch etwas müde und beginnt erst nach einem guten Fahrtdrittel zu sprechen. Das Taxibusiness ist in den letzten Wochen wieder so richtig in Fahrt gekommen, den Stadttouristen sei Dank. „Ich merke gar nicht mehr so viele Unterschiede zu der Zeit vor der Pandemie“, bekräftigt er freudig, „die Sommermonate haben wirklich sehr gut funktioniert und ich bin extrem viel unterwegs.“

Wo denn Taxis und Mietwagen am meisten gefragt wären, will ich wissen. Mirkos Antwort darauf ist langweiliger als ich es mir anfangs ausgemalt habe. „Das wird dich nicht überraschen, aber am Beliebtesten sind das Schloss Schönbrunn und die Innenstadt. Auch das Belvedere wird oft als Fahrtziel genannt.“ Mich hat Mirko in Hernals aufgegabelt. Diese Ecke von Wien firmiert in der Taxi-Popularitätsrangliste unter „ferner liefen“. „Der 17. Bezirk geht ziemlich schlecht, auch in Liesing bin ich nicht so oft unterwegs. Dort gibt es eigentlich keine Sehenswürdigkeiten und zumindest in Hernals zudem eine ganz gute öffentliche Verkehrsanbindung. Ich bin auch nur hier, weil ich selbst hier wohne, den Rest des Tages komme ich bei meinen Fahrten eigentlich kaum mehr in diese Gegend.“

Mirko ist in seiner Zunft eine seltene Spezies, denn er ist wieder zum Taxifahren zurückgekehrt und war ein paar Jahre anderweitig tätig. Seine Berufskarriere begann er als LKW-Fahrer, rutschte aufgrund der harten Arbeitszeiten etwas später ins Taxi, wechselte nach ein paar Jahren aber in den Busverkehr. Fixe Arbeitszeiten und ein sicheres Gehalt sind die Vorteile, wenn man dort angestellt ist, dafür gibt es aber auch kein Trinkgeld und man fadisiert sich auf den immergleichen Strecken. „Das Busfahren war für eine bestimmte Phase in meinem Leben sehr okay“, erinnert sich Mirko, „aber mit der Zeit wurde es öde. Immer dieselben Strecken zu fahren langweilt extrem und ich habe mich nach etwas mehr Spannung zurückgesehnt.“

Ein mutiger Schritt, der fast danebengegangen wäre, denn Mirkos Weg retour ins Taxi passierte erst wenige Monate vor Ausbruch der Pandemie. Was danach kam, ist leidlich bekannt - Taxis und Mietwagen wurden so gut wie gar nicht mehr gebraucht, die öffentlichen Verkehrsmittel waren dafür eine der wenigen, wirklich sicheren beruflichen Rettungsanker. „Natürlich habe ich mich gefragt, warum das gerade jetzt passieren muss“, kann er heute mit einem leichten Schmunzeln darauf zurückblicken, „aber es hat ja auch keinen Sinn etwas zu machen, das einem überhaupt keinen Spaß macht.“ Wenn man sich die aktuellen Fahrgastzahlen so ansieht, dann ist Mirko mit einem blauen Auge davongekommen. Der berufliche Schritt zurück bedeutet für sein persönliches Glück zwei Schritte nach vorne gemacht zu haben.

Dass in Wien derzeit viele Taxis fehlen und Fahrgäste sehr lange auf Bestellungen via App warten müssen, ist laut Mirko nicht nur gefühlt so. „Durch Corona haben viele den Job gewechselt, weil sie hier keine Aussicht mehr hatten. Während der Lockdowns ging es für uns um das nackte Überleben und ohne finanzielle Rücklagen hätten es einige gar nicht mehr geschafft. Sehr viele haben versucht, in den öffentlichen Nahverkehr zu kommen und sich Richtung Bus orientiert. Einfach deshalb, weil der Job sicher war. Und Sicherheit ist sehr viel wert.“ Der zweifache Familienvater fährt indes auch nur mehr Tagschichten und das von Montag bis Freitag. Keine Wochenenddienste, keine Nachtdienste. „Das habe ich lange genug gemacht. Lieber etwas weniger Verdienst, aber dafür mehr Lebensqualität.“

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