Bangen um Lieferung

Was passiert, wenn Russlands Gas doch nicht kommt

Österreich
20.07.2022 20:22

Zehn Tage lang soll die Wartung der russischen Gas-Pipeline Nord Stream 1 insgesamt dauern - und damit bereits am Donnerstag beendet werden. Trotz Versprechen, dass die Leitungen ab 6 Uhr früh wieder gefüllt werden, zweifeln nach wie vor viele daran. Zwar haben sich am Mittwoch die Zeichen verdichtet, dass tatsächlich wieder Gas fließen soll. Im Fall einer weiteren Verknappung stehen viele EU-Staaten aber vor Problemen - ganz besonders Österreich.

Nach dem Ende einer Routinewartung sind für Donnerstag Gaslieferungen durch die Pipeline Nord Stream 1 angekündigt. Das geht aus vorläufigen Daten des deutschen Netzbetreibers Gascade vom Mittwochnachmittag hervor. Gascade betreibt die beiden Empfangspunkte von Nord Stream 1 im vorpommerschen Lubmin. Für beide Punkte sind laut Gascade-Website Gaslieferungen vorgemerkt.

Nur 40 Prozent werden geliefert
Es seien circa 800 Gigawattstunden angemeldet, teilte die deutsche Bundesnetzagentur am Mittwoch mit. Zum Vergleich: An den drei Tagen vor den Wartungsarbeiten waren es etwa 700 Gigawattstunden - das entspricht jedoch nur rund 40 Prozent der bestellten Menge. Allerdings wies die Bonner Regulierungsbehörde darauf hin, dass sich die Höhe der für Donnerstag angekündigten Gasmenge noch kurzfristig ändern könne.

Dazu kommt, dass die fast schon sehnsüchtig erwartete Gasturbine aus Kanada nach wie vor nicht in Russland angekommen ist. Die Lieferung wird zumindest für Sonntag erwartet, nach wie vor beklagt sich Gazprom jedoch über fehlende Informationen, dass die Turbine auch tatsächlich unterwegs ist. Dies könnte von Russland als etwaiger Vorwand genutzt werden, warum man weiterhin weniger Gas in Richtung Westen liefert.

Drohkulisse bleibt aufrecht
Und damit behält sich der russische Präsident Wladimir Putin noch etwas Spielraum, um die Drohkulisse, dass Europa ohne ausreichend Gas durch den Winter kommen muss, noch aufrechtzuerhalten. Durch die offenbar immer noch reduzierten Lieferungen ist es nämlich kaum möglich, die Gasspeicher ausreichend zu befüllen.

Putin drohte in der Nacht zum Mittwoch mit einem weiteren Absenken der Liefermenge. Sollte Russland die in Kanada reparierte Turbine nicht zurückerhalten, drohe Ende Juli die Durchlasskapazität nochmals deutlich zu fallen. „Dann gibt es nur 30 Millionen Kubikmeter am Tag.“ Die Pipeline kann pro Tag theoretisch mehr als 167 Millionen Kubikmeter transportieren.

Gas-Stopp hätte verheerende Folgen
Was passiert also, wenn der Gashahn trotz aller Versprechungen aus Russland gänzlich geschlossen bleibt? Die mögliche weitere Verknappung könnte nicht nur zu ernsthaften Energieengpässen in der gesamten Region führen, sondern die ohnehin schon so schwere Wirtschaftskrise - in Österreich kletterte die Inflation zuletzt auf 8,7 Prozent - weiter befeuern.

Wie der Chef des Österreichischen Wirtschaftsforschungsinstituts, Gabriel Felbermayr, zuletzt mehrfach betonte, könnte sich die Inflation jedoch sogar noch verdoppeln. „Im Falle eines Erdgaslieferstopps bzw. eines Embargos würde die europäische Wirtschaft in eine Rezession schlittern“, stelle der Wirtschaftsforscher klar.

Österreich besonders stark betroffen
Österreich wäre dabei im europäischen Vergleich besonders stark betroffen - hierzulande ist der Anteil an aus Russland importiertem Gas deutlich höher als z. B. in Deutschland (2021: Österreich 86 Prozent, Deutschland knapp 40 Prozent). Für ein Binnenland, das stärker von Pipeline-Lieferungen abhängig ist, sei es schwieriger, Versorgungsengpässe durch andere Bezugsquellen zu kompensieren.

Auch eine Kompensation von Erdgas durch andere Energieträger gestaltet sich in Österreich schwieriger, da der in Gaskraftwerken erzeugte Strom kaum durch eigene Kohle- und vor allem nicht durch Atomkraftwerke ersetzt werden kann. Damit ist in der heimischen energieintensiven Industrie und in der Strom- und Fernwärmeerzeugung im Falle eines Lieferstopps mit einem stärkeren wirtschaftlichen Einbruch zu rechnen als in Deutschland.

Gewessler: Keine Zeit verlieren
Infrastrukturministerin Leonore Gewessler (Grüne) forderte daher am Mittwoch erneut mehr Tempo bei einem gemeinsamen Gaseinkauf durch die EU. Die bisher vorgelegten Vorschläge der Kommission seien insgesamt zwar vernünftig, es sei nun aber wichtig, keine Zeit bei der Umsetzung zu verlieren. Die EU-Staaten müssen den Kommissionsplänen noch zustimmen, das soll am 26. Juli in einer Sondersitzung der Energieminister geschehen.

Im Fall eines Gasnotstands sollen EU-Staaten nach dem Willen der Europäischen Kommission zum Gassparen gezwungen werden können. Konkret schlug die Brüsseler Behörde vor, dass verbindliche Reduktionsziele möglich sein sollen, wenn nicht genug gespart wird. Freiwillig sollen die EU-Länder alles dafür tun, ihren Verbrauch in den kommenden Monaten um 15 Prozent im Vergleich zum Schnitt der vorangegangenen fünf Jahre zu verringern. Die EU-Staaten müssen dem Vorhaben noch zustimmen.

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