Trockene Gefahr

Größter See im Iran wird zu einem “Salzmonster”

Wissenschaft
26.05.2011 13:34
Die Salztonebenen in Nord- und Südamerika, Afrika und dem Nahen Osten zeigen es vor: Kein Salzsee währt ewig. Über die Jahrtausende verdunstet das Wasser, zurück bleibt Wüste. Der Mensch hat dabei großes Talent bewiesen, die natürlichen Austrocknungsprozess drastisch zu beschleunigen. Am Weg zu einem neuen Rekord befindet sich jetzt der Iran: Der Urmiasee, drittgrößter Salzsee der Welt, schrumpfte binnen weniger Jahre um 60 Prozent und verwandelt sich jetzt in ein "Salzmonster", das Mensch und Tier noch Hunderte Kilometer weit entfernt bedroht.

Das bekannteste Beispiel eines Salzsees, dem der Mensch gehörig "Sterbehilfe" gab, ist wohl der Aralsee in der ehemaligen Sowjetunion, dessen Reste heute auf den Gebieten Kasachstans und Usbekistans liegen. Die Austrocknung wurde durch Umleitungen und Wasserentnahme an den Zuflüssen sowie massive Umweltverschmutzungen erheblich beschleunigt, seit den 60er-Jahren geht es steil bergab. Der ehemals viertgrößte Binnensee der Welt ist durch Verlandung in zwei Teile zerfallen, der südliche See teilte sich 2000 in zwei Becken, wovon eines mittlerweile komplett ausgetrocknet ist.

Von 1960 bis 2003 sank der Wasserspiegel des Sees von 53 Metern auf rund 30 Meter ab, die Oberfläche verringerte sich von 68.000 auf 7.000 Quadratkilometer, das Wasservolumen ging auf ein Zehntel zurück. Zuletzt hatte in Kasachstan, dem der nördliche Seeteil gehört, aber ein Umdenken eingesetzt, durch Dammbauten und Zuleitungsprojekte konnten 2008 ein Pegel von 42 Metern und ein Erhöhung der Fläche von 2.550 km² im Jahr 2003 auf 3.300 km² erreicht werden. Der im ärmeren Usbekistan gelegene südliche Rest des Aralsees wurde indes seinem Schicksal überlassen.

Die Geschichte wiederholt sich im Iran
Ganz ohne größenwahnsinnige Plantagenprojekte, die schon ab der Stalin-Ära das Schicksal des Aralsees besiegelten, verlandet im Iran der Urmiasee. Wo Kamal Saadat noch vor zwei Jahren mit seinem Boot Ausflügler über den See schipperte, kann er jetzt mit seiner Familie über salzige Böden spazieren (Bilder). Der Salzsee ist um 60 Prozent geschrumpft, die durchschnittliche Wassertiefe von einst sieben Metern ist auf höchstens zwei Meter gesunken, der Salzgehalt von 80 mg/l auf 350 mg/l gestiegen.

Einem Reporter der Associated Press schilderte Saadat beim Lokalaugenschein, wie schnell es ging: Wie im Laufe der vergangenen Jahre schrittweise die Touristen ausblieben, weil sie keine Lust mehr hatten, Hunderte Meter durch die Salzlandschaft zum Boot zu gehen, nur um dann alle paar Minuten stehenzubleiben, weil das Schiff entweder kenterte oder Saadat die Antriebsschraube freischaufeln musste. Wie eine Anlegestelle nach der anderen geschlossen wurde und Hotel- und Restaurantprojekte buchstäblich versandeten. Saadat ernährt seine Familie jetzt nur mehr mit seiner Tätigkeit als Mandel- und Traubenerzeuger.

Und selbst das wird nicht mehr lange funktionieren, wenn der See weiter austrocknet. Durch die schnelle Verlandung werden zehn Milliarden Tonnen feinkörniges Salz freigegeben, das dann von Wind und Wetter in die Umgebung vertragen wird. Der ohnehin schon beschwerliche Ackerbau in den Regionen um den See wird aussterben, warnen Ökologen und lokale Politiker.

Dürre kam nicht alle zehn Jahre, sondern hörte nie auf
Erste Warnungen vor einer bevorstehenden Öko-Katastrophe durch die sich auf ein Vielfaches beschleunigende Austrocknung gab es schon in den Neunzigerjahren. Die Schätzungen, wann es denn kritisch würde, mussten seither laufend korrigiert werden. Waren es vor ein paar Jahren noch zwischen 20 und 30 Jahre, so ist heute von drei bis fünf Jahren die Rede.

Und wer hat Schuld? Das kommt darauf an, wen man fragt. Unbestritten ist, dass die Vorhersagen von Experten nicht eintrafen. Während einer besonders harten Trockenperiode in den Neunzigern meinten iranische Klimaexperten, dass diese alle zehn Jahre vorkommen würde. Tatsächlich dauert sie bis heute an. Momentan verdunstet dreimal mehr Wasser, als Niederschlag fällt.

Brückenprojekt könnte bei Fertigstellung über Wüste führen
Den Regenausfall könnte der See aber halbwegs wegstecken, wenn er nur genügend Zufluss bekäme. Das geschieht aber nicht, weil aus den Gewässern, die in den See münden, seit ein paar Jahren verstärkt Wasser entnommen wird bzw. Dammbauten die Zuflussrate empfindliche verlangsamt haben. Insgesamt 35 Dämme wurden in den Zuflüssen errichtet, zehn weitere sind noch in Planung.

Seit dem Jahr 2000 wird auch wieder an einem West-Ost-Brückenprojekt gebaut, das nach der islamischen Revolution in den Siebzigern zunächst stillgelegt worden war. Eine Umweltverträglichkeitsprüfung gab es für nicht, die erste Fahrbahn wurde 2008 in Betrieb genommen. Ein Verein zur Rettung des Urmiasees bemängelt, der Brückenbau habe die Wasserzirkulation im See negativ beeinflusst. Bis die letzte der drei geplanten Fahrbahnen in Betrieb genommen wird, könne man wahrscheinlich schon den Grund des einstigen Urmiasees asphaltieren.

Teherans phantastischer Drei-Punkte-Plan
Die Regierung in Teheran hat erst in den vergangenen Monaten beschlossen, das Problem Urmiasee nicht mehr gänzlich zu ignorieren. Immerhin ist das (einst) 140 Kilometer lange und bis zu 50 Kilometer breite Binnengewässer (noch) der größte See des Irans und (war) mehr als zehnmal so groß wie der Bodensee. Im April wurde ein Drei-Punkte-Plan angekündigt: Mit sogenannten Wolkenimpfungen ("abregnen lassen") soll die Trockenheit im Gebiet um den See allgemein bekämpft werden, neue Bewässerungsprogramme sollen die Wasserentnahme aus den Zuflüssen verringern, zusätzlich soll dem See Wasser aus einer dritten, noch zu bestimmenden Quelle zugeführt werden.

Die Reaktionen aus der Bevölkerung sind jedoch skeptisch. Örtliche Medien bezeichneten die angekündigten Wolkenimpfungen als "Show", denn dazu müsste es erst einmal Regenwolken geben, die man abregnen lassen könnte. Eine Eindämmung des Wasserverbrauchs an den Zuflüssen könnte zu lange dauern bzw. wird sie dem See akut nicht helfen. Die dritte Möglichkeit, nämlich Wasser von woanders zuzuleiten, würde ein Mammutprojekt bedeuten: Als einzige Quelle käme nämlich das kaspische Meer, die größte von Land umschlossene Wasserfläche der Erde, in Frage. Und dafür müsste das Wasser nicht nur 700 Kilometer weit, sondern auch über rund 1.300 Höhenmeter gepumpt werden. Der Wasserspiegel des kaspischen Meers liegt 28 Meter unter dem Meeresspiegel, der des Urmiasees ganze 1.280 Meter über Normalnull.

Die Empfehlung des Vereins zur Rettung des Urmiasees an die betroffenen Anrainer: "Am besten ihr betet, dass Regen kommt."

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